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Die Befragung im Kontext von Raum, Zeit und Befindlichkeit

Beiträge zu einer prozessorientierten Theorie der Umfrageforschung

AutorMartin Weichbold, Reinhard Bachleitner, Wolfgang Aschauer
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl195 Seiten
ISBN9783531923277
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis33,26 EUR
Die Umfrageforschung zählt nach wie vor zu den am meisten eingesetzten - tenerfassungsmethoden in den Sozialwissenschaften, aus denen ein Wissens- winn und Erkenntnisfortschritt erwartet wird. Wenngleich sich die Methoden heute stark ausdifferenzieren und die Modi diversifizieren, fehlt es immer noch an Grundlagenforschung in diesem Bereich. Das vorliegende Buch soll einen weiteren Ansatz darstellen, die grundleg- den Elemente der Befragung sowie ihre Einbettung im prozessorientierten - lauf der Umfrage zu strukturieren. Dabei interessieren vor allem Raum-, Ze- und Befindlichkeitsaspekte und ihre jeweiligen Effekte. Es wird wohl noch intensiver weiterer Forschung, aber auch Überzeugu- arbeit bedürfen, um die Umfrageforschung von ihrem eingespielten und ang- lich so sicheren Weg zu neuen methodischen Perspektiven zu bringen, die eine weitere Annäherung an Wahrheits- und Wirklichkeitsvorstellungen in Aussicht stellen. Reinhard Bachleitner Martin Weichbold Wolfgang Aschauer Salzburg, Jänner 2010 1 Einleitung: Problemstellung und Zielperspektiven Die Befragung ist hinsichtlich der Häufigkeit ihrer Anwendung mehr denn je die bedeutendste Methode der empirischen Sozialforschung. Die von René König (1952: 27) gewagte Prophezeiung, dass 'das Interview in seinen verschiedenen Formen doch immer der Königsweg der praktischen Sozialforschung bleiben' werde, hat auch nach über einem halben Jahrhundert nichts von ihrer Gültigkeit verloren. Mehr denn je füllt auch die Literatur über die Befragung unzählige Druckseiten. Dies gilt zum einen für Lehrbücher.

Dr. Reinhard Bachleitner ist Professor im Fachbereich Soziologie an der Universität Salzburg mit den Forschungsschwerpunkten Methoden, Methodologie, empirische Kultursoziologie und Tourismussoziologie.
Dr. Martin Weichbold ist außerordentl. Professor im Fachbereich Soziologie an der Universität Salzburg mit den Forschungsschwerpunkten Methoden, Methodologie und Statistik.
Dr. Wolfgang Aschauer (Soziologe, Psychologe und Kommunikationswissenschaftler) ist Post doc am Fachbereich Soziologie der Universität Salzburg. Forschungsschwerpunkte: Migrationsforschung, Tourismusforschung, empirische Sozialforschung und Statistik.

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Leseprobe
8 Qualitätssicherung in der Umfrageforschung und die Bedeutung von Raum, Zeit und Befindlichkeit (S. 151-152)

Die Bedeutung einer Theorie der Umfrageforschung ergibt sich nicht allein aus ihrer Konsistenz und ihrem Neuigkeitswert, sondern bemisst sich auch in ihrem Beitrag für die Weiterentwicklung der Praxis. Im Konkreten sehen wir eine Stärke einer prozessorientierten Theorie zur Umfrageforschung darin, ein Raster für die Qualitätsbestimmung und -sicherung von Umfrageforschung zu bieten und auf diese Weise dazu beizutragen, Umfragen zu verbessern.

8.1 Qualitätsstandards in der Umfrageforschung: Ein Überblick


Geht man der Frage nach, wie die Qualität von Umfragen zu beurteilen ist und welche Maßnahmen zu ihrer Sicherung zu ergreifen sind, so ist eine beachtliche Vielfalt, aber auch Inkonsistenz diverser Ansätze zu erkennen (im Detail vgl. dazu Weichbold 2008 und 2009). Grundsätzlich kann man unterschiedliche Zielrichtungen der Ansätze identifizieren: solche, die versuchen, einer inhaltlichen Konzeption von Qualität zu folgen, solche, die auf die beteiligten Personen fokussieren und solche, die den Forschungsprozess und/oder zugrunde liegende Organisationsstrukturen zu kontrollieren und optimieren versuchen.

Die klassischen Gütekriterien Validität, Reliabilität und Objektivität stehen für eine inhaltliche Definition von Qualität. Sie basieren auf den Axiomen der klassischen Testtheorie, die davon ausgeht, dass ein „wahrer Wert“ existiert, der – in der Regel allerdings verbunden mit Fehlern – gemessen werden kann. Im Idealfall streuen diese Fehler zufällig rund um Null. Diese an einer möglichst fehlerfreien Messung orientierte Konzeption von Qualität ist in der (zumindest: deutschsprachigen) Methodenliteratur weit verbreitet, kein Lehrbuch für empirische Sozialforschung kommt um die klassischen Gütekriterien herum. Zugleich ist die praktische Umsetzbarkeit im Rahmen einer Qualitätssicherung für Umfragen aber mit Schwierigkeiten behaftet.

Diese Schwierigkeiten betreffen zunächst eine praktische Ebene, weil eine Messung von Validität i. e. S. nicht möglich ist (vgl. Bortz/Döring 2006: 199) oder Kennwerte zur Reliabilitätsbestimmung (etwa Cronbachs Alpha) nicht unproblematisch sind (vgl. Schnell/ Hill/Esser 2008: 153). Es gibt aber auch grundsätzlichere Bedenken, ob die Anwendung der Gütekriterien angebracht ist: Für Testverfahren oder zur Erhebung bestimmter Sachverhalte erscheint die Annahme eines „wahren Wertes“ (und somit die Bestimmung der Güte seiner Messung) durchaus sinnvoll, ob dies auch für Meinungen und Einstellungen zutrifft, ist hingegen fraglich, werden diese doch auf einer Mikroebene auch durch situative Kontexte (wie gezeigt wurde, besonders durch Raum, Zeit und Befindlichkeit), aber auch auf einer Makroebene kulturell mit konstruiert.75 Qualitative Ansätze gehen noch weiter und stellen die Existenz eines wahren Wertes ohnehin in Abrede (vgl. Steinke 1999: 81).76
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis5
Vorwort9
1 Einleitung: Problemstellung und Zielperspektiven10
2 Zum aktuellen Stand der Theoriebildung in der Umfrageforschung15
2.1 Theorieansätze zur Teilnahmebereitschaft16
2.2 Theorieansätze zur Erklärung der Antwortfindung/-entscheidung18
2.3 Übergreifende Ansätze19
3 Defizite bisheriger Theoriebildung21
3.1 Die Relevanz von Raum und Zeit für den Umfrageprozess21
3.2 Befindlichkeit als Determinante des Befragtenverhaltens22
3.3 Die Befragung als soziale Situation und ihre Interpretation24
4 Befragung als Prozess – eine ablauforientierte Theorie der Befragung26
4.1 Konzeptionspphase27
4.2 Selektionsphase29
4.3 Reaktionsphase33
4.3.1 Das Modell der Frame-Selection und seine Anwendung auf die Befragung35
4.3.2 Elemente der Situation der Befragung36
4.3.3 Der Antwortprozess37
4.4 Aggregations- und Interpretationsphase39
4.5 Übersicht: Annalyseraster zur Bestimmmung von Effeekten41
5 Raum, Zeit und Befindlichkeit und ihre methodologische Relevanz für die Umfrageforschung43
5.1 Raum43
5.1.1 Soziologische Bestimmung von Raum und Ort43
5.1.2 Zur Relevanz von Raum in der Umfrageforschung48
Konzeptionsphase [1]1948
Selektionsphase [4]50
Reaktionsphase [7]53
Aggregationsphase [10]54
5.2 Zeit56
5.2.1 Soziologische Bestimmung von Zeit56
Zeitkonzepte56
Zeitwahrnehmung und Zeiterleben57
5.2.2 Zur Relevanz von Zeit in der Umfrageforschung58
Konzeptionsphase [2]58
Selektionsphase [5]61
Reaktionsphase [8]63
Aggregationsphase [11]64
5.3 Befindlichkeit65
5.3.1 Soziologische Bestimmung von Befindlichkeit65
Begriff, Begriffsabgrenzungen und Systematik von Emotionen65
5.3.2 Zur Relevanz von Befindlichkeit in der Umfrageforschung68
Selektionsphase [6]69
Reaktionsphase [9]69
Aggregationsphase [12]71
5.4 Überblick71
6 Empirische Befunde zu Raum-, Zeit- und Befindlichkeitseffekten bei Umfragen73
6.1 R-Z-B-Effekte innerhalb der Konzeptionsphase75
6.1.1 Konzeptionsphase: Raum (Feld 1)75
6.1.2 Konzeptionsphase: Zeit (Feld 2)78
6.1.3 Konzeptionsphase: Befindlichkeit (Feld 3)81
6.2 R-Z-B-Effekte innerhalb der Selektionsphase85
6.2.1 Selektionsphase: Raum (Feld 4)85
6.2.2 Selektionsphase: Zeit (Feld 5)88
6.2.3 Selektionsphase: Befindlichkeit (Feld 6)91
6.3 Effekte auf der Reaktionsebene93
6.3.1 Reaktionsphase: Raum (Feld 7)93
6.3.2 Reaktionsphase: Zeit (Feld 8)96
6.3.3 Reaktionsphase: Befindlichkeit (Feld 9)99
6.3.3.1 Sekundäranalysen zu situationsspezifischen Einflussgrößen der Befragung101
6.3.3.2 Hypothesen zum Einfluss der Befindlichkeit auf das Befragtenverhalten103
6.3.3.3 Untersuchungsdesign und Operationalisierung104
6.3.3.4 Ergebnisse der Untersuchung106
6.3.3.5 Relevanz der Ergebnisse114
6.4 Aggregationsphase115
6.4.1 Aggregationsphase: Raum (Feld 10)116
6.4.2 Aggregationsphase: Zeit (Feld 11)121
6.4.3 Aggregrationsphase: Befindlichkeit (Feld 12)127
7 Konturen, Konklusion und Perspektiven für eine Theorie der Umfrageforschung133
7.1 Konturen einer Theorie der Befragung134
7.2 Die Theorieelemente der Befragung134
7.3 Die Determinationen im Einzelnen135
Einflussfeld 1: Der Modus135
Einflussfeld 2: Die Befragungssituation136
Einflussfeld 3: Fragebogen136
Einflussfeld 4: Der Befragte137
7.4 Die Theorieelemente im Phasenverlauf der Befragung137
Phase I137
Phase II137
Phase III138
Phase IV138
7.5 Die Theorieelemente und ihre Paradigmenbezüge138
7.5.1 Der Modus und die Wirklichkeitsvorstellungen bzw. Paradigmen der Realität139
Methodologisch ausgerichtete Wirklichkeitsauffassungen139
7.5.2 Das Erhebungsinstrument und kognitionspsychologische Paradigmen140
7.5.3 Die Befragungssituation und das Situationsparadigma142
7.5.4 Der Befragte, Persönlichkeitsparadigmen (Menschenbilder) sowie akteurszentrierte Paradigmen143
Akteurszentrierte Paradigmen der Soziologie144
7.6 Theorie der Befragung als Kurzformel und in Kurzform145
8 Qualitätssicherung in der Umfrageforschung und die Bedeutung von Raum, Zeit und Befindlichkeit147
8.1 Qualitätsstandards in der Umfrageforschung: Ein Überblick147
8.2 Qualitätskontrolle als Prozesskontrolle151
8.3 Der Umgang mit raum-, zeit- und befindlichkeitsspezifischen Effekten in der Umfrageforschung153
8.4 Umsetzungsperspektiven für die künftige Umfrageforschung156
9 Exkurs: Umfrageforschung und Willensfreiheit. Zum Konzept der Entscheidungsund Wahlfreiheit im Licht der neurophysiologischen158
9.1 Ausgangslage158
9.2 Determinismus160
9.3 Subjektivität und Naturalismus161
9.4 Soziale Reifung des Gehirns163
9.5 Umfrageforschung und Willensfreiheit165
9.6 Situation und Mittelwahl166
9.7 Fazit168
10 Anhang170
10.1 Abbildungsverzeichnis170
10.2 Tabellenverzeichnis172
10.3 Beschreibung der verwendeten Studien173
10.3.1 Studentische Praktika173
10.3.2 Tourismuswissenschaftliche Umfragen175
10.3.3 Kulturvergleichende Umfragen177
11 Literatur178

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