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Grundeinkommen und Werteorientierungen

Eine empirische Analyse

AutorJesco Kreft, Matthias Müller, Michael Opielka, Tim Bendixen
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783531923093
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,27 EUR
Die Idee des Grundeinkommens als von der Arbeitsleistung unabhängiger Einkommensanspruch an die Gesellschaft findet in allen politischen Lagern Zustimmung. Sie ist aber auch Gegenstand intensiver Debatten. Umso wichtiger erscheint eine Klärung der dieser Idee zugrundeliegenden Werteorientierungen. Werte übernehmen eine generative Funktion für die Herausbildung von Interessen und neuen Institutionen. Gegen die Dominanz der Leistungs- und Arbeitsethik im modernen Sozialstaat argumentieren die Befürworter des Grundeinkommens für einen umfassenden Arbeitsbegriff und für eine Integration von Freiheit und Solidarität in den Werten von Anerkennung und Teilhabe. Diese empirische Studie basiert auf der Deutungsmusteranalyse qualitativer Interviews mit mittleren und höheren Verantwortungsträgern aus Politik, Sozialer Arbeit und Wirtschaft. Sie zeigt deren ambivalente Werteorientierungen zur Idee des Grundeinkommens, aber auch Wege, diese Ambivalenzen auszuhalten und einer Synthese zuzuführen.

Prof. Dr. habil. Michael Opielka ist Professor für Sozialpolitik an der Fachhochschule Jena und Geschäftsführer des Instituts für Sozialökologie in Königswinter.

Dr. Matthias Müller ist Leiter im Bildungsmanagement der Stadt Erfurt.

Tim Bendixen ist Projektleiter der Stiftung WERTeVOLLE ZUKUNFT - Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik.

Dr. Jesco Kreft ist Geschäftsführer der Stiftung WERTeVOLLE ZUKUNFT - Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik.

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Leseprobe
6 Wertetypen im Rahmen der Fokusgruppenanalyse In diesem Kapitel werden die im Rahmen der Fokusgruppenanalyse vorgefundenen Werte typologisiert. (S. 122-123)

6.1 Menschenbild: Gegenleistung – Leistung

In der Fokusgruppe Sozialarbeit strukturiert die Gegenleistungsthematik sehr stark den Gruppenverlauf. Ein Grund liegt darin, dass der gesamte gruppendynamische Verlauf gekennzeichnet ist durch eine implizite Verengung möglicher Zielgruppen des Grundeinkommens auf die eigene Klientel der Armut und Sozialpädagogik. Dies betrifft sowohl Befürworter wie Gegner des Grundeinkommens. Aus der Logik der Arbeitsgesellschaft heraus argumentiert der Sozialamtsleiter für die Gegenleistungsforderung: „ich halte von einem Grundeinkommen ohne Gegenleistung eigentlich gar nichts.“534 Grundeinkommen erscheint in dieser Deutung als eine entwürdigende Gabe des Staates, arbeitende Menschen „wollen nichts nur geschenkt kriegen“535. Arbeit wird mit Autonomie und Würde assoziiert. Als überraschend erweist sich das Festhalten am Gegenleistungsprinzip bei Befürwortern des Grundeinkommens.

In der dynamischen Matrix der Stimulussequenz lässt sich die Eröffnung dieses Deutungsraumes sehr gut ablesen. Nachdem der Verfechter der Arbeitsgesellschaft536 klare Kontraposition bezogen hat, ringt der katholische Sozialarbeiter und Befürworter des Grundeinkommens um seine zustimmende Position: „Für mich hat Grundeinkommen schon noch äh so einen positiven Klang auch wenn es in dem Wort hat ohne (!) Gegenleistung ich denke die Leute würden wenn sie diese Sicherheit hätten auch Gegenleistungen bringen die man vielleicht nicht mit heutigen Leistungen bei Einkommen vergleichen kann (.).“537 Grundeinkommen hat für den Sprecher eine positive Färbung nicht weil es ohne Gegenleistung konzipiert ist, sondern trotzdem.

Der Sprecher bleibt klar einem Gegenleistungsdenken verhaftet, öffnet dies jedoch aus den Schranken der Erwerbsgesellschaft. Im gruppendynamischen Verlauf zeigt sich, dass die Verfechter des Grundeinkommens Abschied genommen haben vom Normativ einer Erwerbsarbeitsgesellschaft538 und andere Formen von Arbeit in den Blick nehmen. Dieses Beharren am Gegenleistungsprinzip überrascht, macht jedoch in der spezifischen Perspektive der Fokusgruppe Sozialarbeit Sinn. So enthält bereits die erste Wortmeldung durch den protestantischen TV-Pfarrer mit Missbrauch und Bedürftigkeitsprüfung zwei Dimensionen der Gegenleistungsthematik, wie sie sich in der Fokusgruppe Sozialarbeit spezifisch abbildet: „Ein Grundeinkommen ist zunächst einmal wenn es ohne Wert ohne Leistung erbracht wird eine Möglichkeit für die Leute aus diesem (!) Hängen in der sozialen Matte herauszukommen also ich orientiere mich nicht danach was muss ich alles tun um möglichst viel Sozialleistungen zu erringen und bringe damit mein Leben zu verbringen (..) sondern ich weiß ich hab die Zeit frei für mich (4).“539
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
1 Einleitung: Fragestellungen und Design der Studie8
2 Werteorientierung und Sozialpolitik12
2.1 Werte als Gegenstand der soziologischen Theorie14
2.2 Werte als Gegenstand der empirischen Sozialforschung18
2.3 Gerechtigkeit und Grundeinkommen21
2.3.1 Grundrechte als Wertgrundlage des Wohlfahrtstaates22
2.3.2 Gibt es religiöse Gründe für ein Grundeinkommen?30
2.3.3 Welche Akteure sozialer Grundrechte sind identifizierbar?36
3 Forschungsmethoden und Rekrutierung42
3.1 Hypothesenbildung und Deutungsmusteranalyse42
3.2 Einzelinterviews44
3.3 Fokusgruppen46
3.4 Darstellungstechnik47
4 Wertetypen im Rahmen der Experteninterviews48
4.1 Menschenbild48
4.2 Operative Gerechtigkeit52
4.3 Politischer Vollzug61
4.4 Zusammenfassung der Experteninterviews71
5 Fokusgruppen74
5.1 Fokusgruppe Soziale Arbeit75
5.2 Fokusgruppe Wirtschaft88
5.3 Fokusgruppe Politik104
6 Wertetypen im Rahmen der Fokusgruppenanalyse123
6.1 Menschenbild: Gegenleistung – Leistung123
6.1.1 Menschenbild: Gemeinwohl – Individualismus125
6.1.2 Menschenbild: Rolle der Arbeit129
6.2 Operative Gerechtigkeit: Sozialstaatsprinzipien130
6.2.1 Missbrauch133
6.2.2 Gerechtigkeit136
6.3 Politischer Vollzug: Ordnungspolitik138
6.4 Auswirkungen auf die Gesellschaft139
7 Eine Wertematrix des Grundeinkommens142
8 Dilemmata und ihre Lösung in der Idee des Grundeinkommens?146
9 Interviewpartner, Codierungen149
10 Literatur150
11 Anhang: Instrumente157
12 Autoren159

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