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Die Gleichberechtigungsfalle

Ich habe mich als Gleichstellungsbeauftragte für Männer eingesetzt und wurde gefeuert

AutorMonika Ebeling
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783451346309
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Vor einem Jahr wurde Monika Ebeling aus ihrem Amt der Gleichstellungsbeauftragten entlassen. Die Begründung: Sie habe sich zu viel für Männer engagiert. Die Meldung kursierte in Windeseile durch alle wichtigen Printmedien, in Deutschland und der Schweiz. RTL schickte ein Kamerateam und auch andere Sender stellten vor Ort ihre Kameras auf. Im Deutschlandradio wurde ebenso berichtet wie im Spiegel online und Stern. Selbst die Maxi griff Ebelings Geschichte auf. Die Süddeutsche und andere recherchierten vor Ort. - Monika Ebelings Geschichte erzeugte eine rießige mediale Ressonanz, weil sie einen Nerv getroffen hat, der Menschen in der ganzen Republik und darüber hinaus bewegt: Gleichstellungspolitik heute darf Männer nicht ausschließen. Frauen haben ihre Rechte errungen, nun werde es Zeit, sich vom Feinbild 'Mann' der Feministinnen der ersten Stunde zu verabschieden und den Blick auch auf die Bedürfnisse von Jungen und Männern zu richten; so Ebeling. Feminismus à la Alice Schwarzer habe ausgedient. Politik und Denkweisen müssen sich an die neuen Verhältnisse von Mann und Frau angleichen. Im Buch erzählt sie ihre Geschichte und übt Kritik an einem unzeitgemäßen Feminismus.

Monika Ebeling, geb. 1959, Diplom Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin mit Zusatzausbildung zur systemischen Familientherapeutin. Zunächst arbeitete sie in einer christlichen therapeutischen Wohngemeinschaft für drogenabhängige junge Männer. Später leitete sie eine Mutter-Kind-Kureinrichtung und eine kommunale Kindertagesstätte. Von 2008 bis 2011 war sie Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Goslar.

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Leseprobe

2. Gleichberechtigung: Männer


Wie ich zur „Männerversteherin“ wurde


Meine dienstlichen Arbeitsinhalte ergeben sich aus den gesetzlichen Vorgaben und sie ergeben sich aus den Anliegen der Menschen, die sich an mich wenden. Das Väter- und Männerthema habe ich mir nicht selbst ausgesucht, es ist auf mich zugekommen. Mit hoher Betroffenheit und einer guten Portion Ärger, Enttäuschung und Hilflosigkeit stand es eines Tages in meiner Tür. Es blieb nicht bei diesem einen Mann, der den Eindruck hat, dass die ungerechte Behandlung ihm gegenüber auf sein Geschlecht und nicht auf die Sachverhalte zurückzuführen ist.

Männer und Frauen sind durch meine Pressearbeit auf mich aufmerksam geworden. Angefangen hat es mit dem Pressebericht über die Aktion mit den „Blauen Weihnachtsmännern“ wenige Monate nach meinem Amtsantritt als Gleichstellungsbeauftragte. Danach erhalte ich bereits erste Anrufe von Menschen aus weit entfernten Städten und Gemeinden. Ich habe keine Veranlassung gesehen, mit diesen Anrufern nicht zu sprechen. Im Gegenteil haben mir die Gespräche und Kontakte einen Zuwachs an Wissen und weitere Erkenntnisse für die Gleichstellungsarbeit gebracht. Ich habe mich als Gleichstellungsbeauftragte von Anfang an bemüht, Männer und Frauen ausgewogen zu berücksichtigen und zu benennen. Daraus habe ich kein Geheimnis gemacht. Als es aber konkret wurde und bei mir nicht bei Lippenbekenntnissen blieb, da gab es den ersten Ärger.

Meine Aufgabe als Gleichstellungsbeauftragte habe ich nicht darin gesehen, mich ausschließlich frauenpolitisch um Anliegen von Frauen zu kümmern. Aktivitäten für Frauen und Aktivitäten für Männer waren mir ein Anliegen. Darin kann ich auch heute noch nichts Verwerfliches erkennen. Für einige Frauen in Goslar, die sich auf der Homepage der Grünen in Goslar selbst als „Retrofeministen“ bezeichnen, war mein Engagement für Männeranliegen aber der falsche Arbeitsansatz.

Meine, auch für eine Gleichstellungsbeauftragte wohl ungewöhnlich offene Haltung Jungen, Männern und Vätern gegenüber sprach sich also schnell herum, nicht nur regional. Nur in wenigen Fällen habe ich Männer über einen längeren Zeitraum beraten. Ganz nebenbei gesagt: Ich habe immer auch Frauen beraten. Wenn Leserbriefschreiberinnen oder Frauen der „Initiative Gute Gleichstellungsarbeit“ behaupten, es würde sich keine Frau mehr an mich wenden, weil ich mich auch für Männeranliegen stark mache, dann ist das schlicht aus der Luft gegriffen. Evaluiert ist das nicht. Selbstverständlich erledige ich als Gleichstellungsbeauftragte weiterhin all die Dinge, die viele andere Gleichstellungsbeauftragte mehr oder weniger auch tun. Ich nehme teil an den Vorstellungsgesprächen, zu denen mein Arbeitgeber einlädt. Das Thema „Gleichstellung“ bringe ich auf die Tagesordnung der Führungskräfte, dadurch kann ich diesen regelmäßig aus meinem Arbeitsalltag als Gleichstellungsbeauftragte berichten. Bei Betriebsversammlungen bin ich anwesend und berichte ebenfalls über meine Arbeit. In einem Arbeitskreis „Gender“ erarbeite ich gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen ein Genderleitbild und später noch ein Familienleitbild für die Stadt. Es ist mir ein Anliegen, Ausschusssitzungen zu besuchen, um die Entscheidungsprozesse, wenn nötig möglichst früh, beeinflussen zu können. Die gesamte Ratspost geht über meinen Schreibtisch. Da schaue ich in den Anträgen und Vorlagen, ob Frauen oder Männer nachteilig betroffen sein könnten.

Im Grunde finde ich, dass jede Führungskraft Ideen zur Gleichstellung von Mann und Frau haben muss und sich diese in ihren Entscheidungen niederschlagen muss. Auch Politiker sollten hier eine „Grundausbildung“ mitbringen. Das könnte man eigentlich verlangen, nach 40 Jahren Frauenbewegung und einschlägiger Gesetzgebung.

Vor Ort konnte ich mich mit einigen Männern treffen und sie beraten. Das waren überwiegend Väter, die große Probleme hatten. Ich habe auch einen Mann beraten, dessen Frau ins Frauenhaus gegangen war. Dass ich scheinbar gewalttätige Männer unterstützte und berate, wurde mir von der „Initiative gute Gleichstellungsarbeit“ sehr übel genommen. „Huwald Poppe, die einen dieser verlassenen Väter durch ihre Arbeit für den Kinderschutzbund kannte, horchte auf: Seine Frau war vor ihm ins Goslarer Frauenhaus geflüchtet. ‚Wir dachten, das kann ja nicht sein‘, sagt sie.“ (Brand Eins 08 / 11) und meint damit, dass ich Kontakt mit diesem Mann habe und ihm auch fachlich und menschlich noch behilflich sein möchte.

Welche Haltung gegenüber Frauen und Männern und in der Geschlechterthematik verbirgt sich hinter einer solchen Aussage einer Kinderschützerin? Man kann ahnen, dass ein so beschuldigter Mann, sollte er begleiteten Umgang beim Kinderschutzbund gehabt haben, dort womöglich nicht willkommen war.

Ich finde es als Fachfrau und Gleichstellungsbeauftragte nicht problematisch, Männer oder Väter zu unterstützen und zu beraten, in deren Familien häusliche Gewalt ein Thema ist. Einer Frau stehen auf der anderen Seite ja sogar zahlreiche Fürsprecher und Berater zur Seite, und sie kann sich deren Hilfe sicher sein. Das ist in diesen Kontexten die Regel. Viel für die Frau, wenig für den Mann. Mancher Mann allerdings beteuerte mir gegenüber nie die Hand gegen seine Frau erhoben zu haben. Er steht dennoch allein da, in der Defensive und mit sehr schlechten Karten in der Hand. Hätte ich solche Männer wegschicken sollen? Vielleicht hätten das andere Fachleute oder Gleichstellungsbeauftragte gemacht. Zu mir passt es nicht, einen Hilfe suchenden Menschen abzuweisen. Als Familientherapeutin fühle ich mich in der Lage, eine von häuslicher Gewalt betroffene Familie zu beraten. Als Gleichstellungsbeauftragte möchte ich mich der Thematik mit großer Ausgewogenheit und in alle Richtungen offen nähern.

Es sind nicht viele Männer gewesen, die ich in meiner Dienstzeit beraten und unterstützt habe, aber es hat gereicht, um einen guten Einblick in die Belange von Männern zu bekommen. Es hat auch gereicht, um mich aus dem Amt zu jagen.

Ich fand es wirklich tragisch, dass um diese wenigen Arbeitsstunden, die ich in Männer investierte, so ein Bohei, so ein unnötiges Aufheben gemacht wurde. 100 % Engagement für Frauen wird begrüßt und ein paar Prozent Einsatz für Männer abgelehnt? Da ist etwas faul im Staate Dänemark, würde der Volksmund sagen.

Aber es haben natürlich nicht nur Männer bei mir angerufen, sondern auch und überwiegend Frauen. Manchmal ging es diesen Frauen um ihr eigenes, sozusagen frauentypisches Anliegen, manchmal waren sie aber auch in Sorge um ihre männlichen Familienangehörigen. Es waren Schwestern, Mütter, Großmütter aber auch Fachfrauen und Gleichstellungskolleginnen, mit denen ich sprach. Ich habe durch diese Gespräche mit vielen Frauen den Eindruck bekommen, dass es mehr Männer und Frauen gibt, die ein offenes Ohr für die Anliegen von Männern haben und zu helfen bemüht sind, als solche, die etwas gegen Männer haben. Sehr viele Menschen in unserer Gesellschaft denken in diesen Zusammenhängen ausgewogen, das muss sich auch in zeitgemäßer Gleichstellungsarbeit niederschlagen, sie darf nicht einseitig für Frauen polarisieren. Gerade die positiven Gespräche mit Frauen haben mich in meinem Denken und Handeln für Männer weiter bestärkt.

Während meiner Zeit als Gleichstellungsbeauftragte bin ich auch deshalb sensibel für die Anliegen der Männer geworden, weil ich einschlägige Bücher gelesen habe und ebensolche Fachtagungen besuchte. Mir war es wichtig, zu der bisherigen einseitigen Parteilichkeit in dem Amt der Gleichstellungsbeauftragten ein ausgleichendes Gegengewicht herstellen zu können. Als Gleichstellungsbeauftragte wird man ja quasi von den Frauennetzwerken okkupiert. Diese kleinen Frauengruppen wissen genau, wie man sich als Gleichstellungsbeauftragte zu verhalten hat und was die Arbeitsinhalte dieses Amtes sein müssen. Dieser kleinen, für Frauen einseitig parteilichen Gruppe von Frauen fühlte ich mich aber nicht verpflichtet, sondern allen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt. Mir waren der Ausgleich und die verschiedenen Blickwinkel in Fragen der Gleichstellung von Mann und Frau wichtig, auch deshalb habe ich mich nach aktiven Männern und Männergruppen umgeschaut. So war ich zum Beispiel auf Fachtagungen in Berlin, in Hannover und in Köln, in denen es um mehr „Männer in Kitas“ ging. Diese mittlerweile bundesweite Initiative habe ich als Gleichstellungsbeauftragte und Kita-Leitung sofort unterstützt, als ich davon hörte. In meiner Kita arbeitet aufgrund meines Engagements seit einigen Jahren immer ein Erzieher mit. Kinder, Eltern und Kolleginnen erleben diese Fachmänner als eine Bereicherung. In dieser Sache konnte ich mich sogar auf einen Beschluss aus einer Konferenz der Frauen- und Gleichstellungsminister und -ministerinnen, -senatoren und -senatorinnen berufen.

Ich habe auch eine Fachtagung „Männlichkeiten in Bewegung“ und eine andere mit dem Titel „Jungen, die schwachen Starken“ besucht, beides bei der Böll Stiftung in Berlin. Auch auf dem Männerkongress 2010 in Düsseldorf mit dem Titel „Neue Männer muss das sein?“ bin ich gewesen. Ich hatte einfach Wissensdurst. Was ich las und auf den Veranstaltungen hörte und erlebte, hat mich natürlich für die Seite der Männer sensibilisiert und mir auch neue Argumente geliefert. Für mich sind diese Veranstaltungen und Kontakte zu Männern eine intellektuelle und menschliche Bereicherung gewesen, die ich nicht missen möchte. Auf diesen Veranstaltungen habe ich sehr nette und kritisch reflektierende Männer kennengelernt, mit denen es sich zu diskutieren lohnt. Diese Männer...

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