Charakteristik der kommunistischen Gesellschaftsordnung – Die Produktion unter dem Kommunismus – Die Verteilung in der kommunistischen Gesellschaftsordnung – Die Verwaltung in der kommunistischen Gesellschaftsordnung – Die Entwicklung der Produktivkräfte in der kommunistischen Gesellschaftsordnung (Vorteile des Kommunismus) – Die Diktatur des Proletariats – Die Eroberung der politischen Macht – Die Kommunistische Partei und die Klassen in der kapitalistischen Gesellschaft
§ 19. Charakteristik der kommunistischen Gesellschaftsordnung
Wir haben gesehen, warum die kapitalistische Gesellschaftsordnung untergehen mußte (und wir sehen sie jetzt vor uns untergehen). Sie geht zugrunde, weil in ihr zwei Gegensätze wirksam sind: einerseits die Anarchie der Produktion, die zur Konkurrenz, zu Krisen und Kriegen führte; andererseits der Klassencharakter der Gesellschaft, der unabwendbar den Klassenkampf zur Folge hat. Die kapitalistische Gesellschaft ist wie eine konstruierte Maschine, bei der immer ein Teil in den andern störend eingreift. (Siehe .) Darum muß diese Maschine früher oder später zusammenbrechen.
Es ist klar, daß die neue Gesellschaft viel fester zusammengefügt sein muß als der Kapitalismus. Sobald die herrschenden Gegensätze den Kapitalismus in die Luft sprengen, muß auf den Ruinen dieses Kapitalismus eine neue Gesellschaft entstehen, die jene Gegensätze nicht kennt, die in der alten wirksam waren. Die Merkmale der kommunistischen Produktionsweise sind folgende: 1. sie muß eine organisierte Gesellschaft sein; in ihr darf es keine Anarchie in der Produktion, keine Konkurrenz der Privatunternehmer, keine Kriege und Krisen geben; 2. sie muß eine Gesellschaft ohne Klassen sein; sie darf nicht aus zwei Hälften bestehen, die einander immerfort bekämpfen, sie kann nicht eine Gesellschaft sein, wo eine Klasse durch eine andere ausgebeutet wird. Eine solche Gesellschaft, in der es keine Klassen gibt und in der die ganze Produktion organisiert ist, kann nur eine kameradschaftlich arbeitende, kommunistische Gesellschaft sein. Betrachten wir diese Gesellschaft näher. Die Grundlage der kommunistischen Gesellschaft ist das gesellschaftliche Eigentum an den Produktions- und Verkehrsmitteln, d.h., daß die Maschinen, Apparate, Lokomotiven, Dampfschiffe, Fabriksgebäude, Magazine, Getreidespeicher, Erzgruben, Telegraph und Telephon, Grund und Boden und die Arbeitstiere im Besitz der Gesellschalt sind, die über sie verfügt. Weder ein einzelner Kapitalist, noch eine Vereinigung einzelner reicher Leute hat das Verfügungsrecht über diese Mittel, sondern die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit. Was heißt es: die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit? Es heißt, daß auch nicht eine einzelne Klasse der Eigentümer ist, sondern alle Menschen, die die Gesellschaft bilden. Unter solchen Verhältnissen verwandelt sich die Gesellschaft in eine große kameradschaftliche Arbeitsgenossenschaft. Hier gibt es keine Zersplitterung der Produktion und keine Anarchie. Im Gegenteil. Erst eine derartige Ordnung ermöglicht die Organisierung der Produktion. Da gibt es keinen Konkurrenzkampf unter den Unternehmern, denn alle Fabriken, Werke, Erzgruben und sonstige Einrichtungen sind in der kommunistischen Gesellschaft nur eine Art Abteilung einer großen Volkswerkstätte, die die ganze Volkswirtschaft umfaßt. Es versteht sich von selbst, daß eine so ungeheuer große Organisation einen allgemeinen Produktionsplan voraussetzt. Wenn alle Fabriken, Werke, die ganze Landwirtschaft, eine riesengroße Genossenschaft bilden, so muß natürlich genau überlegt werden, wie die Arbeitskräfte unter den verschiedenen Industriezweigen zu verteilen, welche und wieviel Produkte zu erzeugen sind, wie und wohin die technischen Kräfte aufgeteilt werden müssen usw. Alles das muß im Vorhinein, wenn auch nur annähernd, ausgerechnet sein und dementsprechend muß gehandelt werden. Darin äußert sich ja gerade die Organisation der kommunistischen Produktion. Ohne gemeinsamen Plan und gemeinsame Leitung, ohne genaue Verrechnung gibt es keine Organisation. Gerade in der kommunistischen Gesellschaftsordnung gibt es einen derartigen Plan. Aber die Organisation allein genügt noch nicht. Das Wesen der Sache liegt ja noch darin, daß diese Organisation – eine kameradschaftliche Organisation aller Genossenschaftsmitglieder ist. Außer durch die Organisation unterscheidet sich die kommunistische Gesellschaftsordnung noch dadurch, daß sie die Ausbeutung vernichtet, daß sie die Klassenteilung der Gesellschaft aufhebt. Man kann sich ja die Organisation der Produktion z.B. auf folgende Art vorstellen: eine kleine Kapitalistengruppe beherrscht alles, beherrscht es aber gemeinschaftlich: die Produktion ist organisiert, kein Kapitalist bekämpft den anderen, er konkurriert nicht mit ihm und pumpt gemeinsam mit ihm den Mehrwert aus seinen Arbeitern aus, die zu Halbsklaven geworden sind. Hier gibt es zwar eine Organisation, aber auch eine Ausbeutung einer Klasse durch die andere. Es gibt hier wohl ein Gemeineigentum an den Produktionsmitteln, doch im Interesse bloß einer Klasse, der Arbeiterklasse. Darum ist das kein Kommunismus, trotzdem hier eine Organisation der Produktion vorliegt. Eine derartige Organisation der Gesellschaft würde nur ein Grundübel der Gessellschaft – die Anarchie der Produktion – beseitigen, würde aber das andere Übel des Kapitalismus, die Teilung der Gesellschaft in zwei Kampflager, stärken, der Klassenkampf würde sich noch mehr verschärfen. Diese Gesellschaft wäre nur in einer Beziehung organisiert; die Massenspaltung aber wäre nicht aufgehoben. Die kommunistische Gesellschaft organisiert nicht nur die Produktion, sie befreit auch die Menschen von der Unterdrückung durch andere Menschen. Sie ist in allen ihren Teilen organisiert.
Der gesellschaftliche Charakter der kommunistischen Produktion kommt auch in allen Einzelheiten dieser Organisation zum Ausdruck. Unter dem Kommunismus wird es z.B. keine ständigen Fabriksverwalter geben oder Leute, die ihr Leben lang eine und dieselbe Arbeit verrichten. Gegenwärtig ist es ja so: Ist ein Mensch Schuster, so macht er sein ganzes Leben Stiefel und sieht außer seinen Leisten nichts; ist er Zuckerbäcker, so bäckt er sein ganzes Leben lang Kuchen; ist er Fabriksdirektor, so verwaltet und befiehlt er die ganze Zeit; ist er einfacher Arbeiter, so hat er sein ganzes Leben lang zu gehorchen und fremde Befehle auszuführen. In der kommunistischen Gesellschaft gibt es das nicht. Da genießen alle Menschen eine vielseitige Bildung und alle finden sich in allen Produktionszweigen zurecht; heute verwalte ich, indem ich berechne, wie viele Filzschuhe oder Semmeln für den nächsten Monat zu erzeugen sind; morgen arbeite ich in einer Seifensiederei, nächste Woche vielleicht in einem Gemeinde-Treibhaus, und noch drei Tage später – in einer elektrischen Zentrale. – Das wird nur möglich sein, wenn alle Mitglieder der Gesellschaft die entsprechende Bildung genießen werden.
Die kommunistische Produktionsweise setzt auch nicht eine Produktion für den Markt voraus, sondern für den eigenen Bedarf. Nur erzeugt hier nicht jeder Einzelne für sich selbst, sondern die ganze riesengroße Genossenschaft für Alle. Folglich gibt es hier keine Waren, sondern bloß Produkte. Diese erzeugten Produkte werden nicht gegeneinander eingetauscht; sie werden weder gekauft, noch verkauft. Sie kommen einfach in die gemeinschaftlichen Magazine, und werden denjenigen gegeben, die sie benötigen. Das Geld wird also hier unnötig sein. Wieso denn? – wird jeder fragen. So wird ja der Eine eine Unmenge nehmen und der Andere ganz wenig. Welchen Vorteil wird man denn von dieser Verteilung der Produkte haben? Da muß nun Folgendes gesagt werden: In der ersten Zeit, vielleicht die ersten 20 bis 30 Jahre, wird man natürlich verschiedene Regeln einführen müssen, und es werden z.B. bestimmte Produkte nur denjenigen zugewiesen, die einen entsprechenden Vermerk im Arbeitsbuch oder ihre Arbeitskarten vorgezeigt haben. Später, wenn sich die kommunistische Gesellschaft befestigt und entwickelt hat, wird das alles überflüssig sein. Jedes Produkt wird reichlich vorhanden, alle Wunden werden längst geheilt sein und jeder wird dann soviel nehmen können, als er braucht. Werden aber die Menschen nicht ein Interesse haben, mehr zu nehmen, als sie es brauchen? Gewiß nicht. Gegenwärtig fällt es ja auch Niemandem ein, z.B. in der Tramway 3 Fahrscheine zu kaufen und damit nur einen Platz zu besetzen und zwei unbesetzt zu lassen. Ebenso wird es dann mit allen Produkten sein. Der Betreffende hat aus dem gemeinschaftlichen Magazin so und soviel genommen als er braucht und Schluß. Den...