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E-Book

Ich. Die Autobiographie

Unter Mitarbeit von Holde Heuer

AutorHelmut Berger, Holde Heuer
Verlaghey! publishing
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl228 Seiten
ISBN9783942822404
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,99 EUR
Ein Leben im Rausch der wilden Siebziger Seine Schauspielerkarriere imponiert durch Exzesse und Genialität. Keiner beherrschte die Kunst der Selbsinszenierung so gut wie er, keiner hat so skurrile Geschichten erlebt. Er kannte und kennt sie alle: Romy Schneider, Liz Taylor, Mick Jagger, Cathérine Denevue und natürlich den großen italienischen Regisseur Luchino Visconti. Helmut Berger nimmt kein Blatt vor den Mund wenn es darum geht, Stärken, Schwächen, Ticks und Marotten der High-Society darzustellen. 'Eine grandiose Erzählung zwischen Exzentrik und Jet-Set-Tratsch' - TAZ

Helmut Berger, der 1969 mit 'Die Verdammten' seinen internationalen Durchbruch als Schauspieler feierte, nimmt in seiner Autobiographie kein Blatt vor den Mund. Seine langjährige Freundin, die Journalisten Holde Heuer, hat die Anekdoten und Geständnisse aus seinem beeindruckenden Leben in kurzweiligem Plauderton festgehalten. Foto: (c) getty images

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Leseprobe

Richard Burton sah beschissen aus, Billy Wilder floh vor Coca-Cola


 

An Richard Burton nahm ich im wahrsten Sinne des Wortes süße Rache. Als ich mich in Cortina d'Ampezzo während meiner Dreharbeiten für den Film »Aschermittwoch« in LizTaylors Tochter Liza verliebte, polterte der Patriarch der Familie Burton-Taylor, dass eine Schauspielerin und ein Alkoholiker in einer Familie reichten.

Er machte mich bei Liza schlecht, ärgerte seine Frau mit langen Kommentaren über meine vielen Schwächen. Ich ließ mir nichts anmerken, war reizend wie immer. Aber ich vergaß nichts. Seine Gemeinheiten kränkten mich. Liz hörte ihm gar nicht zu. Was er sagte, war ihr sowieso wurscht. Sie tat immer, was sie für richtig hielt. Kein Mann konnte ihr je das Wasser reichen. Und sie war zu jedem Spaß aufgelegt.

Als Richard eines Tages Liz mal wieder betrunken anpöbelte, verstreute ich blitzschnell eine ganze Packung Schokoladentrüffel über ein Kanapee, auf das er sich gerade legen wollte. Er hatte keine Ahnung, warum wir unentwegt kicherten. Als er wenig später mit braunverschmierter Hose zu einer Drehbesprechung wegfuhr, konnten Liz und ich uns nicht halten vor Lachen. Aber in seinem irischen Blut hatte Richard nicht nur viel Whisky, sondern auch viel Humor. Er lachte später über meinen derben Spaß genauso wie wir.

Ich bin unberechenbar! Man erwartet zuviel von mir, ich erwarte zuviel von anderen. Meine Freunde kennen nicht nur meine amüsanten Geschichten. Sie wissen, dass der Schauspieler Helmut Berger nicht nur eine Schokoladenseite hat, wie alle Menschen übrigens.

Zwei Seelen hausen, ach, in meiner Brust. Der Beste zu sein, wenn ich gut bin. Und der Schlimmste, wenn … Das ist vielleicht der Einfluss der überschäumenden Liebe meiner Mutter und der schlagkräftigen Strenge meines Vaters. Heiß und kalt wie mein ganzes Leben. Ich habe in den letzten Jahrzehnten nicht nur die guten Eigenschaften der Römer übernommen, die alles ausführlichst bereden müssen, langsam aufstehen, langsam essen. Auch die negativen Seiten habe ich verinnerlicht: stündliche Stimmungsschwankungen, Unzuverlässigkeit, Phlegma. Ausgenommen bei meiner Arbeit. Sonst aber mal so, mal so, wie ich mich gerade fühle.

Und ich bin wirklich ein lieber Mensch. Junge Filmemacher wie Christoph Schrewe und Johannes Brunner sind mir für mein Interesse an ihren Produktionen ewig dankbar. Trotz minimaler Gage war ich bereit, 1992 in Schrewes Film »Boomtown« neben Claudia Wilde, Leon Boden und Gerd Wameling einen neureichen Immobilienhai darzustellen, der mit undurchsichtigen Ost-Geschäften in Berlin zu Geld und Grunewald-Villa gekommen ist. Korruption spielt ebenso eine Rolle wie eine hörige Geliebte, dargestellt von Isolde Barth. In der Rolle des Fieslings konnte ich mich richtig austoben. Ein Fahrradkurier, der meine miesen Geschäfte beobachtet, bringt mich am Ende zum Schweigen.

Bei Brunner, schon hochdekoriert, aber wie viele Jungfilmer zu knapp bei Kasse, sollte ich meinen dritten König Ludwig II. spielen und die letzte Szene seines nassen Todes im Starnberger See als abstrakte und sehr schöne Kunstinszenierung erleben. Sie hätte zu den Szenen gehört, die einem als Schauspieler haften bleiben.

Ich sollte als Ludwig II. die Spiegelgalerie von Schloss Herrenchiemsee durchschreiten, die mit etwa 2000 Kerzen beleuchtet ist. Ludwigs letzter Weg, der direkt in den See führt. In dem Durchschreiten, wie ein Durchgang vom Leben zum Tod, zeigen sich noch einmal die Widersprüchlichkeit seines Wesens und die Tragik seines Lebens. Als »König ohne Macht«, als schwärmerischer und introvertierter Mensch! Der Höhepunkt der Szene wäre erreicht, wenn Ludwig ruhig und gefasst in den dunklen Raum am Ende der Spiegelgalerie blickt – im nächsten Augenblick hört man das gesamte Glas des Spiegelsaals mit einem Schlag zerspringen.

Der bayerische Märchenkönig ist gleichsam meine Schicksalsfigur. Bei meinem dritten Ludwig wäre ich so schlecht bezahlt wie nie gewesen.

Die Argumente Brunners über die Verpflichtungen der Kunst gegenüber dem Kommerz hatten mich überzeugt. Johannes Brunner ist der sogenannte Bildhauer der Kunstfilme und Raimund Ritz deren Komponist. Doch ihr Film »vom nassen Tod« kam aus Geldmangel nicht zustande. Die sehr kreativen Jungfilmer haben mit Musikstücken, Klangskulpturen und Kurzfilmen schon Ehrungen aber zu wenig Honorar verdient.

Dadurch blieb mir ein drohendes Problem bei den Dreharbeiten erspart: Ich wollte beim besten Willen nicht, wie vorgesehen, im Februar für meinen Ertrinkungstod ins Wasser des Starnberger Sees gehen. Um die Zeit ist es dort wohl nicht nur mir zu kalt.

Die Eiseskälte in diesem Karnevalsmonat war schon bei der Produktion von Viscontis »Ludwig II.« ein Grund gewesen, die Sterbeszene zu verschieben. Obwohl ein Lakai mit einem vorgewärmten Bademantel am Ufer auf mich wartete und Luchino mir warmen Grog servieren ließ – zum Schluss eine ganze Flasche –, bibberte ich vor Kälte und Zorn. Ich bat Luchino, einen Lakaien für die Probeszenen in die Fluten zu schicken. Er weigerte sich. Mit jeder Einstellung wurde ich kälter und böser, forderte mit Grabesstimme Gnade. Endlich, endlich hatte Luchino ein Einsehen. Er verschob die Dreharbeiten für den Ertrinkungstod des Königs auf den Mai. Nach 22 Einstellungen!

Neue Einflüsse im Filmgeschäft, junge Impulse von Leuten wie Schrewe und Brunner sind notwendig. Dafür verzichte ich schon mal auf meine Gagenvorstellungen. Außerdem belebt Konkurrenz den Markt. Zu viele große Macher sind doch angepasst. Wenn sich ein Genie wie Billy Wilder den von Konzernen wie Coca-Cola beherrschten Filmmärkten verweigert, muss man doch endlich mal anfangen nachzudenken. Ich kann nur zu gut verstehen, dass ein Billy Wilder die Lust verliert, wenn Weltkonzerne als Sponsoren bestimmen, wie das Productplacement zu sein habe und was der Film im Interesse des Firmenimages zu zeigen oder der Regisseur zu schneiden habe.

Die jungen New Yorker Regisseure mag ich auch. Meine Unterstützung ist ihnen sicher. Aber in den USA leben? Ich finde Hollywood schrecklich, die Plastikwelt, das ganze System, das ich bei meinen vielen Reisen erlebte. Besonders hautnah während meiner Arbeit für den »Denver-Clan«. Die Amerikaner sind puritanisch mit einer doppelbödigen Moral. Sie lächeln sogar noch, wenn sie von einem Trauerfall erfahren.

Schrecklich, diese ewigen T-Shirts mit »Fuck you« drauf, »Shit«, »Fuck« und »Fuck up yours«! Sie haben die besten Jeans, Hamburger und Fried Chicken, sie sind »business minded«, aber sie haben einfach keine Kultur. Mir imponieren in den USA nur wenige, Liz Taylor zum Beispiel, Barbra Streisand, Faye Dunaway, Jack Nicholson oder Al Pacino, mit dem ich »Der Pate III« drehte.

Außerdem sind die Chancen deutscher Schauspieler in Hollywood gering. Die Filmmafia steckt sie in Klischees wie Nazioffiziere oder blonde Dummchen. Wenn ich an das jüngere italienische Kino denke, wird mir auch nicht viel wohler. Drehbücher bekomme ich dauernd, aber nicht nur meine Agentin Paula Bonelli weiß, dass bis zur Unterschrift viel Wasser den Tiber hinunterfließt. Bis der richtige Regisseur gefunden ist, der Verleih, das Geld – bis dahin tauscht man stundenlang Höflichkeitsfloskeln aus.

Wenn i lieb bin, verteile ich überschwenglich meine Herzlichkeit. An die Garderobieren meine schönsten Kaschmirpullover. An alte Damen meinen Schmuck, weil sie mich in ihrer Liebenswürdigkeit an meine Mutti erinnern. Talentierte Zufallsbekanntschaften, die mir auf meinen vielen Reisen positiv auffallen, kriegen meinen Einfluss zu spüren. Empfehlungsschreiben gehen an die Agnellis, Necchis und Gancias. Gut sein bedeutet für mich sich selbst verschenken. Ich bin wirklich ein lieber Mensch, sympathisch, verrückt, boshaft. Wenn es sein muss. Und ich bin ein treuer Freund.

Mich reizt die Intrige, solange sie intelligent ist, denn bei Dummheit sehe ich rot. Mein Spott ist dann nicht zu übertreffen. Ehrlich bin ich auch, was bei anderen leicht Widerspruch herausfordert. Wer weiß schon, wie man sich eine Stunde später fühlt. Ich nicht.

Meine Worte können aus Stahl sein, sind keine leicht verdauliche Kost. Aber warum lauwarm daherreden, ich mag kein laues Leben. Ich will, dass man mich versteht, dafür mache ich aus meinen Worten schon mal Kanonenkugeln, die mitten ins Herz treffen. Ich weiß, das ist gschert. Aber wer etwas zu sagen hat, darf nicht lahm daherreden. Ich möchte auch geliebt werden. Da ist schon der erste Widerspruch. Wie kann man geliebt werden, wenn man auch so chaotische Seiten hat wie ich und sich manchmal selbst nicht versteht. Aber so widersprüchlich ist das Leben. Man vergisst gerne meine schauspielerischen Leistungen, ausgezeichnet mit vielen Preisen, wenn mal wieder etwas nicht im sogenannten normalen Rahmen bleibt. Was heißt eigentlich Normalität in diesem Milieu? Selbst bei meinen schlimmsten Skandalen wusste ich immer, pervers sind nur die, die um etwas herumreden. Kompromisse verabscheue ich genauso.

Ich bin ein genialer Selbstdarsteller. Die beste Therapie ist immer meine Arbeit. Die Drehzeiten retten mich oft vor meinen eigenen Abgründen, meiner Verletzbarkeit, den Depressionen.

Filmen ist meine Bestimmung. Ein Schauspieler sucht in seinem Spiel auch immer sich selbst. Manchmal habe ich mich in meinen Rollen gefunden. In Viscontis Geschichten immer. Meine privaten...

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