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Auf eigenen Beinen

Eine vierfache Mutter startet in die Selbständigkei

AutorPetra van Laak
VerlagVerlagsgruppe Droemer Knaur
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783426418598
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
»Das schafft die nie«, hieß es erst. Petra van Laak steht alleine da mit den schlechtesten Voraussetzungen: vier Kinder, Jahre aus dem Job raus, kein Kapital, kein Superhirn wie Steve Jobs. Kein Arbeitgeber wollte die Alleinerziehende anstellen, und so gab es nur eine Lösung: sich selbständig machen. Aber wie und mit was? Petra van Laak schildert hautnah, wie sie ein Unternehmen gründete, von dem sie heute ihre Familie ernähren kann. Mut machend, ehrlich und authentisch.

Petra van Laak, geboren 1966, verbrachte ihre Kindheit in Nigeria, wo ihre Eltern als Entwicklungshelfer tätig waren. Sie studierte Kunstgeschichte in Münster und Berlin und lebt heute als alleinerziehende Mutter von vier Kindern und erfolgreiche Unternehmerin in Potsdam. 2010 und 2013 gewann sie den Swiss Text Award, 2014 den 1. Preis beim Literarischen Wettbewerb des Waldorf Astoria Berlin. Darüber hinaus wurde Petra van Laak zur Unternehmerin des Landes Brandenburg 2014 gekürt. Mehr über die Autorin erfahren Sie unter: www.petravanlaak.de

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Leseprobe

Da müssen Sie sich erst mal arbeitslos melden.


Oder warum es manchmal besser ist, einfach loszulegen.

Ist die Entscheidung endlich gefallen, kann es nicht schnell genug gehen.

Zwei Stufen auf einmal nahm ich hinauf in die vierte Etage des Business Centers. Überall Glas und Stahl, dazwischen Sichtbeton, in die zugigen Flure waren Barcelona Chairs und entsprechende Sofas gestellt, als ob der unternehmerische Erfolg sämtlicher Mieter des Businessgebäudes von pseudo-avantgardistischer Architektur und der Möblierung durch Design-Klassiker abhinge.

Zimmer 405, Existenzgründer-Service, einmal laut geklopft, und hinein preschte ich, atemlos und voller Vorfreude auf mein großartiges Projekt, das mich seit vielen Wochen ununterbrochen beschäftigte: die Gründung einer kleinen Agentur für gute Texte.

Im Raum bremste ich sofort ab, denn unmittelbar hinter der Tür quetschten sich drei Personen an überdimensionierte Schreibtische, auf denen sich Aktenordner und Papierstapel türmten. Auf einem Tisch sah man vor lauter gelben Klebezetteln die Schreibtischunterlage nicht mehr, auf dem nächsten lag eine Computertastatur, auf deren Buchstabentasten sich überall ein bräunlich-schwärzlicher Film um eine helle, fettig glänzende Mitte gebildet hatte. Über allem waberte der Geruch von Filterkaffee, der seit Stunden auf der lauwarmen Heizplatte einer orangefarbenen Kaffeemaschine tapfer vor sich hin reduziert wurde.

Von den drei Mitarbeitern, zwei Frauen, ein Mann, schaute nur der Mann auf. Er saß rechts von mir und war ungefähr in meinem Alter, schwarzer Lockenkopf, etwas zu ernste Augen. Er trug ein ausgewaschenes, dunkelblaues T-Shirt und eine Hose aus feingeripptem Kord, die Füße steckten in schwarzen Lederschuhen, die vorne zehenschonend gerundet waren.

Ich stellte mich kurz vor, schaute dabei alle drei abwechselnd an, denn noch wusste ich nicht, bei welcher der drei Personen ich den Termin hatte, der mir per Telefon vier Wochen zuvor zugewiesen worden war. Die Frau links von mir hob kurz den Kopf, um sich dann wieder in ihre Unterlagen zu vertiefen. Der Lockenkopf seufzte.

»Da ist Frau Yildiz für zuständig. Aber die ist krank.«

Es folgte keine weitere Erläuterung. Ich wartete noch ein bisschen in das träge Schweigen der drei Menschen hinein. Die Pause schien ungewohnt lange, denn nun hoben beide Frauen gleichzeitig den Kopf, mit neugierigem Gesichtsausdruck.

»Ähm, ja, Frau Yildiz ist seit drei Tagen krank. Wann sie wiederkommt, wissen wir leider auch nicht«, ließ der Lockenkopf verlauten.

Meinen Namen hatte ich genannt und mein Anliegen vorgetragen, nämlich den Termin zur Erstberatung für Existenzgründer wahrnehmen zu wollen. Weder hatten die drei Mitarbeiter sich vorgestellt, noch gaben sie mir anständig Auskunft. Mein Elan fiel von Sekunde zu Sekunde mehr in sich zusammen. War das hier eine Beratungseinheit für Existenzgründer oder der Club der stillen Trinker schlechten Kaffees?

»Frau Yildiz geht also nicht. Wer von Ihnen könnte mich denn beraten?«, versuchte ich es.

Der Lockenkopf wand sich, während die beiden Frauen sehr schnell ihre Köpfe senkten und wieder mit ihren Papieren raschelten.

»Nee, das geht nicht, darauf sind wir jetzt nicht vorbereitet. Da müssen Sie nochmals wiederkommen, wenn Frau Yildiz wieder gesund ist.«

Die hellen Blätter der Grünlilien auf dem Fensterbrett zitterten leicht, als draußen ein Lkw vorbeidröhnte. Die eine Frau schloss das Fenster und quetschte sich dann an mir vorbei nach draußen auf den Flur, wo das Klack-Klack ihrer Absätze noch eine ganze Weile zu hören war. Die andere starrte gebannt auf ein Papier und machte sich Notizen am Rand, so dass die Message eindeutig war: nicht ansprechen.

»Das stört mich nicht, wenn Sie nicht vorbereitet sind. Ich habe nur ein paar Fragen«, wandte ich mich wieder dem Mann zu. »Ich störe auch nicht lange.«

Der Lockenkopf atmete tief ein und aus.

»Na gut, lassen Sie mal hören.«

Seine Kollegin am Schreibtisch gegenüber schaute kurz hoch – sie schien seine Reaktion erwartet zu haben. Sie verkniff sich ein Lächeln und senkte wieder den Kopf.

Herr Einenkel (seinen Namen erfuhr ich erst zum Schluss, als ich um seine Visitenkarte bat) hörte sich meine Fragen mit verschränkten Armen an. Mir ging es nur darum herauszubekommen, wie ich an finanzielle Mittel kommen konnte, ohne ein Darlehen aufnehmen zu müssen. Meine Gründungsidee verlangte keine großen Investitionen, jedoch wollte ich möglichst einen Mikrokredit, wie ihn zum Beispiel die Förderbank KfW anbietet, umgehen. Das Wort »Schulden« hatte in den letzten Jahren eine unschöne Präsenz in meinem Leben gehabt – nein, ich konnte das Gefühl, etwas zu schulden, nicht länger ertragen. Und ich hatte zu wenig Zeit. Ich wollte starten, und es musste auf Anhieb klappen. Die Person eines Gründers stellen wir uns ja gerne als jungdynamischen Kämpfer ohne andere Verpflichtungen vor – ich aber war 41 Jahre alt und hatte vier Kinder zu ernähren.

Ich hatte von einem Modell gehört, Gründerzuschuss oder so ähnlich, und ich dachte mir, dass dies passen könnte.

»Da müssen Sie sich erst mal arbeitslos melden.«

»Wie, arbeitslos?«

»Sie profitieren vom Gründungszuschuss nur, wenn der Ihnen aus der Arbeitslosigkeit in die Selbständigkeit hilft.«

»Aber ich bin doch gar nicht arbeitslos, ich meine, ich komme doch gerade so klar und will jetzt einfach loslegen und noch besser klarkommen.«

»Geht nur, wenn Sie arbeitslos sind.«

In meinem Kopf ratterten die Gedanken rauf und runter. Herr Einenkel schaute auf die Fingernägel seiner linken Hand und strich sich über den Handrücken. Er hatte offensichtlich alles gesagt und wartete auf meinen Abgang.

»Also wenn ich jetzt hin und wieder Übersetzungen mache und andere Jobs, dann reicht das nicht, um fünf Leute durchzubringen«, fing ich wieder an. Herr Einenkel schaute sich inzwischen seine rechte Hand an.

»Das Ganze soll endlich auf eine richtige Basis gestellt werden. Ich möchte eine Textagentur aufmachen. Das ist doch was Gutes, das ist doch förderungswürdig, oder?«

»Melden Sie sich arbeitslos, dann kommen Sie wieder. Dann ist auch Frau Yildiz wieder da und kann sich um Ihren Fall kümmern. Ich hab jetzt Mittagspause.«

Hilfesuchend blickte ich zum anderen Schreibtisch. Einenkels Kollegin hielt kurz mit dem Lesen inne.

»Ja, richtig, arbeitslos melden.«

Und sie las weiter. Ich sagte beiden Auf Wiedersehen und ärgerte mich, dass meine Verabschiedung dafür, dass man mich dermaßen hatte auflaufen lassen, viel zu freundlich geklungen hatte.

Ich stapfte den zugigen Flur entlang. Die hatten doch tatsächlich meinen Gründungsenthusiasmus abgewürgt. Aber nur für einige Stunden.

Von einer systematischen Gründung in einzelnen, durchdachten Schritten war ich ziemlich weit entfernt. Das Konzept erarbeitete ich mir nebenbei im Laufschritt. Rückblickend waren es meine Entschlossenheit und meine unbändige Energie, die das Projekt trotz der anfänglich fehlenden Struktur vorangebracht haben.

Allein schon meiner jüngsten Vergangenheit wegen kam der Weg über die Arbeitslosigkeit für mich nicht in die Tüte. Dabei wäre es natürlich das Einfachste gewesen, wenn ich mich formal arbeitslos gemeldet hätte und dann auf der Schiene Gründungszuschuss gefahren wäre. In den Jahren davor hatte ich jedoch Ämter satt gesehen – wenn ich auch nur das erste Formular hätte ausfüllen müssen, hätte mich das in eine regelrechte Depression gestürzt. Amt für Wohnraumsicherung, Sozialamt, Wohngeldstelle, Jugendamt – ich kannte sie alle. Und wollte nichts mehr damit zu tun haben. Sosehr mir staatliche Hilfe auf die Beine geholfen hatte, sosehr hatte mich das alles in eine Abhängigkeit gebracht, aus der heraus ich auf keinen grünen Zweig mehr zu kommen schien. Jetzt hatte ich endlich ein vernünftiges Ziel vor Augen, den Aufbau eines Redaktionsbüros, und das wollte ich partout autonom verfolgen.

Bevor ich mich zur Gründung einer eigenen Unternehmung entschloss, hatte ich mir auch Gedanken über Franchisekonzepte gemacht. Beim Besuch der deGUT (Deutsche Gründer- und Unternehmertage) informierte ich mich an dem Stand des Deutschen Franchiseverbands. Hier wurden mir in einer kurzen, kompetenten Beratung mögliche Franchisegeber genannt. Es waren die meist hohen Investitionskosten, die mich davon abhielten, diese Linie weiterzuverfolgen. Als Franchisenehmer ist man zudem weisungsgebunden gegenüber dem Franchisegeber. Eigenhändig Marketing-Entscheidungen treffen? Ein No-Go. Ein eigenes Kundenbindungskonzept entwickeln? Nein, das muss nach den Vorgaben des Franchisegebers laufen. Wo wenig Kapital nötig war, um in ein Franchisesystem einzusteigen, gab es oft einen anderen Haken. Zu mir hätte durchaus auch ein Nachhilfeinstitut gepasst, bis auf die Arbeitszeiten. Genau dann, wenn ich verstärkt für meine Kinder da sein wollte, nämlich nachmittags ab 17 Uhr, wäre ich im Institut gefordert gewesen. Außerdem hatte ich weiß Gott in meinem Leben schon genug mit Kindern und Schule zu tun, und jetzt noch auf der Arbeit? Nein, ich wollte raus, etwas Bunteres, anderes, Neues, raus in die Unternehmerwelt.

Spannend fand ich auch das Angebot eines Münchner Relocation-Unternehmens, als Franchisenehmer eine Filiale in Berlin aufzubauen. Ein klassischer Relocation-Dienstleister kümmert sich für Zugezogene aus dem Ausland um den Umzug und um die Verankerung am neuen Wohnort. Ein richtig guter Service stattet die Zuziehenden zum Beispiel bereits bei der Ankunft auf dem Flughafen mit Sim-Karten für das deutsche Mobilfunknetz aus, stellt den Kontakt zu...

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