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E-Book

Hört auf zu arbeiten!

Eine Anstiftung, das zu tun, was wirklich zählt

AutorAnja Förster, Peter Kreuz
VerlagPantheon
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783641087425
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Ich arbeite, also bin ich? - Ein Plädoyer für einen neuen Umgang mit unserer Arbeit.
Hegel sah die berufliche Tätigkeit des Menschen als wesentlichen Aspekt seiner Identität und Freiheit, während Adam Smith den Beruf als einen modernen Tauschhandel sah: Der Mensch verkauft seine Arbeitskraft an das beste Angebot. Dieser Arbeitsbegriff prägt unser Verhältnis zur Arbeit bis heute, und deswegen glauben wir im tiefsten Inneren noch immer an das Versprechen der Fabrik: Wenn ich funktioniere, effizienter und erfolgreicher werde, dann werde ich durch Sicherheit belohnt. Aber kein Arbeitsplatz ist heute mehr sicher. Und was uns darüber zudem verloren ging, ist die Überzeugung, das Richtige zu tun - die Liebe zu unserer Arbeit.

»Hört auf zu arbeiten!« fordern Anja Förster und Peter Kreuz und meinen damit nicht, dass wir uns alle ab sofort in die Hängematte legen sollen, sondern dass wir uns unsere Arbeit zurückerobern als Teil unserer Identität. Erst wenn wir wieder lieben, was wir tun, und aus Überzeugung arbeiten, erst wenn wir nicht mehr auf Kosten anderer Erfolg haben, werden wir das tun, was wirklich zählt.

Anja Förster und Peter Kreuz gehören zu einer neuen Generation von Vordenkern für Wirtschaft und Management. Zu ihren Kunden zählen die Führungsetagen von SAP, BMW, Siemens und vielen anderen. Sie sind gefragte Berater, Referenten und erfolgreiche Buchautoren. »Alles, außer gewöhnlich« wurde 2007 Wirtschaftsbuch des Jahres, zuletzt erschienen bei Pantheon »Hört auf zu arbeiten!« (2013), »Nur Tote bleiben liegen« (2014) und »Macht, was ihr liebt!« (2015).

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Leseprobe

Kapitel 1

Das leere Versprechen der Fabrik

Als Kevin Skinner mit der Gitarre in der Hand auf die Bühne schlurft, um in der Castingshow »America’s Got Talent« vorzusingen, geht ein Kichern durchs Publikum. Grob gewebter Kapuzenpulli in dumpfen Blau-Grau-Tönen. Verwaschene Jeans. Beigefarbene Baseball-Kappe mit dem Schild nach hinten. Unter dem Verschlussriemen an seiner Stirn schauen gerade noch ein paar mausbraune Haarspitzen heraus. Sein Gang erinnert an einen Jugendlichen, der an einer Tankstelle herumhängt und gerade darüber nachdenkt, den Truckfahrer um eine Zigarette anzuschnorren.

Piers Morgan, einer der Juroren, schüttelt den Kopf. Die beiden anderen, Sharon Osbourne und David Hasselhoff, wechseln einen vielsagenden Blick: Was für eine Null ... Was bekommen wir jetzt gleich wohl zu hören ... Schließlich rafft sich Hasselhoff doch zu ein bisschen Smalltalk auf.

»Singst du professionell, oder was machst du so beruflich?«

»Ich war ein paar Jahre lang Hühnerfänger«, antwortet Kevin im breitesten Südstaaten-Slang.

Das Publikum wiehert. Osbourne macht sich lauthals über seinen Akzent lustig.

Kevin reibt sich verlegen das Kinn, aber er bleibt auf der Bühne stehen. So wie er aussieht, müssten sich seine Knie im Moment wie Pudding anfühlen.

In der Fernsehsendung wird im unteren Bilddrittel eingeblendet: »Kevin Skinner, arbeitsloser Bauer«.

»Und wie viele Hühner hast du so pro Tag gefangen?«, fragt Hasselhoff.

»Na ja, ich bin nicht so gut in Mathe.« – Gelächter im Publikum. – »Aber wir haben mal zu sechst in einer Nacht sechzigtausend Hühner eingefangen.« – Lautes Gelächter. – »Einer hat immer acht auf einmal gefangen.« – Grölendes Gelächter.

Morgan beschließt mit einem sichtbaren Ruck, die Farce möglichst schnell hinter sich zu bringen: »Gut, dann zeig uns mal, was du uns heute mitgebracht hast.«

Kevin Skinner schlägt die ersten Töne auf seiner Gitarre an. Im Publikum wird weiter getuschelt und gelacht. Er fängt an zu singen.

»The thought crosses my mind ...«

Wow.

Gar nicht schlecht. Im Saal wird es schlagartig still.

»If I never wake up in the morning ...«

Das Grinsen verschwindet von den Gesichtern der Jurymitglieder.

»Would she ever doubt the way I feel about her in my heart ...«

Fasziniert starren die Menschen im Publikum den Sänger an. Manchen bleibt der Mund offen stehen. Kevins Stimme ist warm und weich, wunderbar klangvoll. Sie umspült die Zuhörer wie eine Thermalquelle. Das hätte keiner erwartet. Aber das allein ist es nicht. Kevin singt die gefühlvollen Zeilen, die der Songwriter Kent Blazy ursprünglich dem Country-Superstar Garth Brooks auf den Leib geschrieben hatte, aus seinem tiefsten Inneren heraus.

»Wenn ich morgen nicht mehr aufwache, wird sie dann wissen, wie sehr ich sie geliebt habe?«

Im Publikum wird weiter
getuschelt und gelacht.
Er fängt an zu singen.

Der Text könnte kitschig klingen. Aber Kevin singt ihn so, dass klar ist: Er meint jedes Wort. Er fühlt das, was er singt. Er verwandelt den Song in pure, echte, durchlebte Emotion.

»Wow«, sagt Hasselhoff leise.

Das Publikum hängt an Kevins Lippen. Einige haben Tränen in den Augen. Kevin scheint das zu spüren. Je länger er singt, desto mehr leuchtet er auf. Jeder im Saal hat das Gefühl, dass Kevin ihn persönlich meint, als er die letzten Zeilen singt:

»So tell that someone that you love ... just what you’re thinking of ... if tomorrow never comes.«

Der letzte Akkord geht im Jubel unter. Die Menschen im Saal springen auf, tosender Applaus ergießt sich auf den Hühnerfänger mit der goldenen Stimme, der gar nicht weiß, wie ihm geschieht. Schüchtern nickt er dem Publikum zu und versucht, sein schiefes Grinsen zu kontrollieren.

Auch die Jury ist völlig aus dem Häuschen. Piers Morgan applaudiert wie paralysiert. Sharon Osbourne strahlt wie ein Honigkuchenpferd.

David Hasselhoff springt auf, wirft beinahe seinen Stuhl um und klatscht über dem Kopf.

Kevin lacht befreit. Er ist überwältigt von der Reaktion, die er ausgelöst hat. Seine Augen funkeln. Die Augen des Publikums funkeln. Die Augen der Jury-Mitglieder funkeln, als sie seinen Auftritt kommentieren.

»Als du hereingekommen bist mit diesen Klamotten, dachte ich, das wird ein totaler Flop«, gibt Morgan zu. »Und dann fängst du an zu singen, und innerhalb von zwanzig Sekunden hast du mich gehabt. Mann, das war eine der emotionalsten und stärksten Darbietungen, die ich seit Langem erlebt habe.«

Jubel im Publikum.

»Danke. Danke. Das bedeutet mir viel«, antwortet Kevin mit belegter Stimme.

»Du kannst diesen Wettbewerb gewinnen«, versichert ihm Morgan. »Für mich bist du in der nächsten Runde. Ich stimme mit Ja.«

»Ja«, sagt Sharon Osbourne.

»Dreimal Ja! Gratuliere!«, sagt David Hasselhoff.

Als Kevin Skinner hinter der Bühne zu verarbeiten versucht, was gerade passiert ist, springen ihm die Tränen nur so aus dem Gesicht. »Ich denke an all die Jahre des Übens, weißt du ...«

Seine Stimme versagt. Er strahlt. Seine Augen leuchten wie die Venus am Abendhimmel.

Einmalig. Wunderschön.

Ausnahmeerscheinungsweise

Dieses Funkeln in den Augen. Das hat es uns angetan. Dieses Funkeln haben Menschen immer dann, wenn sie etwas tun, was sie selbst und die Menschen in ihrer Umgebung in Schwingungszustände versetzt, wenn sie ganz in ihrem Element sind, wenn sie ihr größtes Talent zur Wirkung bringen, wenn die Hemmungen und Blockaden von ihnen abfallen, wenn sie zu hundert Prozent im Hier und Jetzt sind, voll fokussiert auf die eine Sache, die sie lieben. Das sind magische Momente.

Warum sind solche Momente so selten, fragen wir uns. Sind das Zufallstreffer? Einer in einer Million Momenten? Nur etwas für Auserwählte? Nein, es gibt Menschen, die haben dieses Funkeln ständig. Der Architekt Frank Gehry ist so einer. In »Sketches of Frank Gehry«, der fantastischen Dokumentation von Sydney Pollack, kann man es beobachten. Bei jeder Skizze, beim Basteln an jedem Modell, immer wenn er auf den Baustellen seiner Gebäude den Fortschritt begutachtet, ist er mittendrin in seinem Leben, zu hundert Prozent bei der Sache, hoch konzentriert – irgendwie völlig von seiner Arbeit absorbiert. Wir finden das enorm inspirierend. Es wäre fantastisch, wenn das auch für jeden von uns möglich wäre, aber, na ja, das geht eben nicht. Man muss schon eine berühmte Ausnahmeerscheinung sein, um dieses Gefühl bei der täglichen Arbeit zu haben: der richtige Mensch zur richtigen Zeit am richtigen Platz zu sein, der genau das Richtige tut. – Oder?

Bei echt mieser Arbeit, bei hartem körperlichem Geschufte, bei stumpfsinniger Fließbandmaloche, bei Aktenbergengewühle und Kistengeschiebe, bei Mülltonnengewuchte, Tastaturgetippe oder Toilettengescheuere gibt es das natürlich nicht. Aber auch bei den Leuten, die einen interessanteren Job haben, gehört das Funkeln in den Augen nicht zum Arbeitsalltag. Es gehört überhaupt nicht zur Arbeitswelt. Arbeit ist eben Arbeit. Finden wir uns damit ab. – Einverstanden?

Dieses Funkeln in den Augen.
Das hat es uns angetan.

Es kann ja auch nicht funktionieren. Wenn jeder sich selbst verwirklichen würde ... du lieber Himmel! Nein, wir brauchen ja die Leute, die den Müll abholen, das Standard-Betriebssystem auf sämtlichen Firmenrechnern installieren und Kisten auf Lkws verladen. Es kann sich doch nicht einfach jeder raussuchen, was er tut und lässt! Unsere Welt ist halt nicht so organisiert, dass wir immer mit einem Funkeln in den Augen arbeiten könnten. – Hm. Wirklich?

Dabei ist jeder von uns fähig dazu, solche besonderen Momente zu erleben. Manchmal, viel zu oft, ist es aber so, dass die Augen der Menschen zu leuchten beginnen, sobald es fünf Uhr abends ist. Feierabend. Jetzt beginnt das wahre Leben! Jetzt haben sie was vor. Am Wochenende und nach Feierabend blühen die Menschen auf! Für die meisten gilt: Die Freude, die Energie, das Interesse an anderen Menschen, an Gebäuden, Landschaften oder Städten, das sie im Urlaub haben, haben sie zu keiner Minute an ihrem Arbeitsplatz.

Das erschreckt uns. Es mag vielleicht normal sein, aber es erschüttert uns. Was ist eigentlich los in unserer Welt, dass die meisten Menschen zur meisten Zeit ihres Lebens im Wachzustand ganz offensichtlich nicht das machen, was ihnen das Gefühl gibt, voll in ihrem Element zu sein?

Ist es vermessen, darüber nachzudenken, wie unsere Wirtschaft, unsere Arbeitswelt, ja, die ganze Gesellschaft gestrickt sein müssten, damit viel mehr Menschen viel öfter im Leben – auch tagsüber am Wochentag – ein Funkeln in den Augen haben?

Ganz ehrlich und unter uns: Wir beide glauben nicht, dass die tägliche, schnöde Realität an den Arbeitsplätzen das Richtige für die Menschen ist. Es gibt Ausnahmen. Aber für die meisten Menschen gilt: Diese Art von Arbeit ist nicht gemacht für die Menschen und die Menschen sind nicht gemacht für diese Art von Arbeit. Und wir glauben auch nicht, dass diese Realität das Richtige für die Unternehmen ist. Und es ist auch nicht das Richtige für unser Land und für die Gesellschaften in Europa und der westlichen Welt. Nur weil wir es so gewöhnt sind, heißt das noch lange nicht, dass es richtig ist.

Wir...

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