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Männliche Homosexualität als Thema des Deutschunterrichts in der Gymnasialen Oberstufe

Am Beispiel Thomas Manns Novelle 'Der Tod in Venedig'

AutorMartin Fröhlich
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl93 Seiten
ISBN9783640584802
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,7, Technische Universität Berlin (Didaktik ), Sprache: Deutsch, Abstract: In der Gesellschaft existiert eine starke Unsicherheit in Bezug auf Homosexualität. Dies zeigt neuerdings unter anderem die polemische Diskussion über die Adoptionsfrage homosexueller Paare seitens der Politik (BÖHRINGER/VERBEET 2005: 50). Diese Unsicherheit der Homosexualität gegenüber, wird in allen Bereichen der Gesellschaft manifest und somit auch in der Institution Schule. Die Schule als staatsunterstellte Institution hat jedoch bestimmte Aufgaben, die ihr durch Lehrpläne auferlegt werden, zu erfüllen. Diese Aufgaben beschränken sich nicht nur auf die Schulung und Ausbildung fachlicher Kompetenzen, sondern auch auf die Vermittlung von sozialen Fähigkeiten. Dazu gehört unter anderem das Aufzeigen und Ausräumen von Vorurteilen gegenüber sozialen Minderheiten. Diese Minderheiten bezeichnen nicht nur den Bereich der Homosexualität oder gar ausschließlich der männlichen Homosexualität. Es stellt sich in dieser Arbeit also die Frage, wie dieser Thematik in der Gesellschaft und besonders im Bereich Schule, als persönlichkeitsausbildende, staatsimmanente Institution entgegengetreten wird.

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Leseprobe

 

2. Männliche Homosexualität und Schule

 

Das Thema der Homosexualität hat in der Institution Schule noch immer keinen festen Platz gefunden. Trotz zunehmender Präsenz der Homosexualität in der Öffentlichkeit und dem Wissen, dass es in der jeder Generation einer Gesellschaft circa 5-10% homosexuelle Jugendliche gibt (FUGE 2006: 9), wird im schulischen Rahmen noch oft eine Gleichgültigkeit diesem Thema gegenüber signalisiert bzw. praktiziert. Nur selten kommt es deshalb zur Behandlung dieser Thematik in Projekten und Arbeitsgemeinschaften,  allenfalls etwas ausführlicher im Biologieunterricht. Die Lehrwerke des Fachbereichs Deutsch thematisieren zwar mal mehr, mal weniger die Problematik der gesellschaftlichen Stereotypisierung der Geschlechterrollen und setzen damit einen Diskurs über „typisch männlich“ und „typisch weiblich“ in Gang, aber selten wird das Thema der männlichen Homosexualität selbst direkt angesprochen. Ein Problem, das später in der Arbeit noch ausführlicher betrachtet werden soll.

 

Eine Trennung von Mädchen und Jungen findet nicht nur im Sportunterricht statt, sondern beginnt schon mit der bewussten oder auch unbewussten unterschiedlichen Behandlung von Jungen und Mädchen durch die Lehrperson, die aus einer verinnerlichten, intrinsisch monopolaren Rezeption der gender role und sex category heraus resultieren. Einige allgemeine Folgen, die aus diesem Verständnis entstehen, wurden bereits dargestellt. Direkt auf die Homosexualität bezogen, kann die Folge aus diesem Verhalten die besagte Gleichgültigkeit bis hin zur Intoleranz der Homosexualität gegenüber sein. Aufgrund der Quantität an Schulen, Schultypen, Schülern und Lehrern kann nur eine Vermutung diesbezüglich konstruiert werden, die sich auf das wenig existierende Forschungsmaterial zum Thema Homosexualität und Schule stützt. So scheint es (von Ausnahmen abgesehen), dass in keiner Schulphase über Homosexualität informiert wird (FUGE 2006: 9). Dies hat zur Folge, dass bei Schülern falsche oder keine Vorstellungen über diese Thematik existieren (WUTTKE 2003: 2), was wiederum zu Stereotypenbildung und Diskriminierung führen kann. Ein Beispiel stellen die Studien von Peter Wuttke dar, in welchen 850 Schüler und Lehrer zweier Berliner Schulen 1993/94 und 2002/03 zum Gegenstand „Homosexualität“ befragt wurden. In dieser Studie wird deutlich, dass Homosexualität von 76,4% der Schüler als normale (andere) Form von Sexualität beschrieben wird, aber auch von 27,5% als Modeerscheinung, von immerhin 23,5% der Probanden als abartige Form der Sexualität, von 10,8% als Krankheit und von 10,9% als triebhafte Verführung von Jugendlichen (ebd.: 9). Vergleicht man die Werte mit der Studie von Bochow, zeigt sich die Annahme bestätigt, dass Normabweichungen immer zuerst einmal irritierend wirken, ganz gleich wie sehr sich die Gesellschaft gegenüber Modellen wie Toleranz und Respekt gegenüber verpflichtet sieht. Weiterhin zeigt auch diese Studie einen Hang zur Stereotypisierung, wenn als Antworten auf die Frage, woran man Homosexualität erkenne, ein hoher Anteil der Probanden „am Gang“, „an der Sprache“, „an ihrer Kleidung“ und „am abgespreizten Finger beim Teetrinken“ angab (ebd.: 23).  Wuttke konstatiert:

 

„Im Vergleich zu der am Andreasgymnasium vor zehn Jahren durchgeführten Erhebung lässt sich bezüglich der Kenntnisse, Einstellungen und Sichtweisen der Schüler zur Thematik Homosexualität keine positive Entwicklung nachweisen. Im Gegenteil – gar keine bzw. klischeehafte Vorstellungen prägen immer noch allzu sehr das Bild der Schüler und Schülerinnen von Homosexualität“ (ebd.: 29).

 

Diese Einstellung gegenüber der Homosexualität erschwert den homosexuellen Jugendlichen oftmals die störungsfreie Entwicklung ihrer Persönlichkeit, die sich im Vergleich zu heterosexuellen Jugendlichen weitaus häufiger als Kampf manifestiert. Männliche Homosexuelle können Schule also als problematischen Ort erfahren, in der sie ihre sexuelle Ausrichtung verbergen müssen, um keine negativen Konsequenzen innerhalb ihrer peer group fürchten zu müssen. Wuttke findet heraus „dass die Aufgeklärtheit der […] befragten Jugendlichen mit Zunahme des Alters […] zunimmt (ebd.: 10). Der prozentuelle Anteil an Jugendlichen, die Homosexualität als unnormale Form der Sexualität ansehen, sinkt von 27,2% bei den 13und 14jährigen Schülern auf 5,4% bei den 17und 18jährigen Schülern (ebd.). Dem stet das Ergebnis gegenüber, dass mit zunehmenden Alter immer noch sehr viele Schüler auf die Frage „Wie viel Prozent aller Menschen zwischen 16 und 65 Jahren sind deiner Meinung nach wirklich homosexuell?“ falsche Schätzungen machen. Es ist sogar zu beobachten, dass sich diese Schätzungen mit zunehmenden Alter immer mehr vom realen Zustand entfernen (ebd.: 12). Auch bei der Betrachtung der Ergebnisse auf die Frage „Wie/ wodurch entsteht Eurer Meinung nach Homosexualität?“ ist ein ähnliches Ergebnis zu konstatieren. Die Mehrheit hat negative Konnotationen verinnerlicht, ein Trend der sich fortsetzt, „schlüsselt man die Ergebnisse nach Altersgruppen […] auf“ (ebd.: 16). Wuttke konkludiert, dass „umso älter die befragte Schülerklientel [war], desto aufgeklärter scheint [sie] bezüglich der Thematik [zu sein] und desto mehr Toleranz/ Akzeptanz entwickelt [sie] auch“ (ebd.: 29). Die Schüler der Oberstufe scheinen also dem Thema der männlichen Homosexualität offener gegenüber zu stehen als die Schüler einer Sekundarstufe I. Es stellt sich nun die Frage, ob dieses Ergebnis nicht die Notwendigkeit aufzeigt, dieses Thema bereits in der Sekundarstufe I oder noch früher, nämlich in der Grundschule zu thematisieren (dem Altersabschnitt, in dem Vorurteile entstehen). Das Ergebnis einer niederländischen Studie zeigt dies bestätigt, wenn kapp ein Drittel der Jugendlichen „sich unwohl fühlen [würde], wenn eine Mitschülerin oder ein Mitschüler sich als homosexuell zu erkennen gäbe“ (KERSTEN/SANDFORT 1996 in TIMMERMANNS 2003: 19). „50 – 70% der Jugendlichen [geben den Ratschlag] an ihre Mitschüler und Mitschülerinnen, sich besser nie in der Klasse zu outen“ (ebd.). Homosexuelle Jugendliche, die in der Entwicklung ihrer Sexualität auf ein problematisches Umfeld treffen, würden versuchen ihre Homosexualität zu unterdrücken und zu verdrängen, was zu Problemen mit der Selbstakzeptanz führen kann (STRAVER 1989: 169). Straver teilt die homosexuelle Entwicklung in vier Phasen ein. In Phase I erkennt der homosexuelle Jugendliche seine Affinität zum gleichen Geschlecht und damit einhergehend das Wissen, dass diese Affinität von der Gesellschaft als Homosexualität verstanden wird und mit diversen negativen Konnotationen belegt ist. Homosexuelle Jugendliche erkennen in dieser Phase eine Diskrepanz zu den Erwartungen der Gesellschaft in Hinsicht auf sex, sex category und gender. In Phase II treten nun Zweifel und innere Konflikte sowie erste Versuche, homosexuelle Kontakte zu erschließen, auf. In Phase III gelangt der homosexuelle Jugendliche zur Akzeptanz seiner homosexuellen Identität und tritt vollends in die homosexuelle Kultur ein. In Phase IV wird der Konflikt zwischen öffentlicher und privater Lebenswelt überwunden (ebd.: 175). Bis zum Erreichen von Phase IV und der Antwortfindung auf die Frage „Wer und Was bin ich?“ ist das Leben des homosexuellen Jugendlichen von Zuständen innerer Unruhe und Unklarheit durchdrungen (ebd.: 176). Gerade Phase I und II stellen schwierige Hürden für die meisten homosexuellen Jugendlichen dar, in denen Zuspruch und Verständnis wichtig sind. Schnell kann es zu einem Gefühl der Einsamkeit, Isolation und zur Entfremdung Altersgenossen und Erwachsenen gegenüber kommen. Der homosexuelle Jugendliche wird nun direkt mit den Stereotypen in Hinsicht auf Homosexuelle konfrontiert und muss diese – da Hilfe und Unterstützung von außen gewöhnlich ausbleibt – mit sich selbst ausmachen. Dies steht im klaren Gegensatz zu der heterosexuellen Entwicklung, da in jener die Sexualität in der peer group ausgemacht werden kann. Münder meint: „Eine heterosexuelle Identität erfordert keine bewusste Konstruktionsleistung und hat somit geringen identitätsstiftenden Wert. Die sexuelle Identität nimmt also vor allem bei nicht heterosexuellen Individuen einen zentralen Stellenwert im Selbstkonzept ein“ (MÜNDER 2004: 35). Laut einer Studie von Lähnemann aus dem Jahr 1999 liegt das Durchschnittsalter des „Sich-anders-fühlens“ bei Jungen bei 13,7 Jahren (LÄHNEMANN 1999: 20), die ersten sexuellen Erfahrungen mit einem Menschen des gleichen Geschlechts machen Jungen im Durchschnitt mit 17,1 Jahren (ebd.; S.18). Dies bedeutet, dass eine Integration der Thematik der männlichen Homosexualität nicht erst in der Oberstufe erfolgen sollte. Die Schule muss sich verantwortlich fühlen, auf die Problematik des „Sich-anders-fühlens“ ausführlich einzugehen und homosexuelle sowie heterosexuelle Jugendliche für die Thematik der Homosexualität schon früh zu sensibilisieren. Dazu bedarf es eines aufgeschlossenen Umfeldes und der Bereitschaft etwas zu verändern, sowie die Bereitschaft das Thema der Homosexualität nicht als Bagatellangelegenheit abzutun. Dass das Thema der Homosexualität an Berliner Schulen  äußerst brisant ist, wird deutlich, sichtet man die Erfahrungsberichte der vielen Mitarbeiter, die im Rahmen von Aufklärungsprogrammen zu gleichgeschlechtlichen Lebensweisen in die Berliner Schulen gehen. Diese Mitarbeiter stehen zum Teil starken Vorurteilen die Homosexualität betreffend gegenüber, die nicht selten in Diskriminierungen und...

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