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Die Finanzkrise oder das Ende des Casino-Kapitalismus?

Gedanken zu einer Großen Krise, 3. erw. Auflage

AutorPeter Sandmaier
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl247 Seiten
ISBN9783640631612
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Fachbuch aus dem Jahr 2010 im Fachbereich BWL - Bank, Börse, Versicherung, , Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Abhandlung entstand parallel zu der Entwicklung der Großen Finanzkrise, die schon im Juni 2007 begann. Wahrgenommen wurde sie in der Öffentlichkeit erst im September 2008, als am 'Schwarzen Montag' die wirklich dramatische Entwicklung begann. Schon kurz danach hatte ich das Bedürfnis, mich mit dieser Krise näher zu beschäftigen. Erstens, weil sie wie eine lang erwartete Krise wirkte, zweitens, weil sie sehr schnell dramatische Züge annahm und drittens, weil die ersten Erläuterungen in einem Fachvokabular erschienen, das vielen fremd war. In einem ersten Arbeitsschritt soll hier die genaue Bedeutung der Fachtermini vorgestellt und dann die neuen Phänomene der Krise hinterfragt werden Dabei soll die Sicht des beunruhigten, aber informierten Bürgers im Vordergrund stehen, d.h. die Abhandlung soll auch wissenschaftlichen Kriterien entsprechen. Die Sichtweise wird also anders sein als die vieler Wissenschaftler, die durch die Krise ihre bisherigen Ergebnisse eigentlich hinterfragen müssten, anders als die der parteipolisch Engagierten, denen viele Bürger skeptisch gegenüber stehen. Mit großer Vorsicht sind die Äußerungen der politischen Parteien zu bewerten, denn sie können jetzt viel verlieren. In solch einer Situation ist es ein langer Weg zu einem dezidierten eigenen Standpunkt, der in Ansätzen hier vorgestellt wird. In drei Arbeitsphasen entstanden die jetzt vorliegenden Kapitel. Von Oktober bis November 2008 habe ich das Fachvokabular erarbeitet. Von April bis Juni 2009 habe ich eine ganze Reihe von Aspekte analysiert, die die Menschen in der Krise intensiv beschäftigte. In einer dritten Phase, von Dezember 2009 bis März 2010, standen die Erklärungsmuster für die Krisenentwicklung in der Öffentlichkeit, in der Politik und in der Wissenschaft im Vordergrund Das Gesamtprojekt ist also eine Reflexion auf die Entwicklung der Krise und die aktuelle Diskussion darüber und damit nicht beendet, sondern soll in weiteren Arbeitsphasen die Finanzkrise begleiten. Die Krise wird uns mit Sicherheit noch lange beschäftigen, also wird die vorliegende Abhandlung fortgeführt. Viele Autoren haben sich mit der Krise mittlerweile beschäftigt. Dabei entstand auch eine Aufsatzsammlung mit einem ähnlichen Titel, die ich im Juli 2009 wahrnahm(1). Die Nähe zu dem hier vorliegenden Titel ist zufällig oder vielleicht auch ein Ausdruck für die entscheidende Frage, die sich viele Bürger heute stellen?

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Leseprobe

1. Reflexionen – Oktober – November 2008

 

Vorwort Als Ende September bzw. Anfang Oktober 2008 die internationale Finanzkrise unübersehbar wurde und dramatische Zusammenbrüche von Global Playern im Bankenbereich, im zweiten Sektor und staatliche Insolvenzen drohten, habe ich mich bemüht, mir einen Überblick zu verschaffen. Dabei stellt sich schnell heraus, dass die in der Öffentlichkeit verwendeten Begriffe mir nur partiell geläufig waren. An Hand von einigen Leitfragen werden hier die zentralen Begriffe möglichst anschaulich erläutert, außerdem soll in einer ersten Einschätzung die Krise auch beurteilt werden,

 

1.1)Was sind die Ursachen der internationalen Finanzkrise?

 

Der Schweizer Bankier Christophe Bernard schreibt in einem Artikel in der FAZ, über die Ursachen der aktuellen Finanzkrise gebe es heute weitgehend Einigkeit. Dabei bezieht er sich mit Sicherheit auf die etablierten Banken, die sich in ihrer Rolle immer noch in großer Sicherheit wähnen, denn sie haben einerseits die Krise verursacht, andererseits aber gesehen, dass die Regierungen der G 8 – Staaten ihre Empfehlungen in den Notprogrammen weitgehend übernommen haben(FAZ vom 31.10.2008). Bernard nennt als entscheidende Faktoren die freizügigen Kredite der Banken, die risikobereiten Investoren und den scheinbar ewig andauernden Boom auf dem Immobilienmarkt. Dabei unterschlägt er natürlich, dass die strukturelle Bedingungen auf dem Bankensektor, die solche Verzerrungen möglich machten, etwa das Ausweichen der internationalen Banken und der Hedgefonds auf die Off-shore-Plätze, wo sie weitgehend ohne Kontrolle ihre riskanten Geschäfte abwickeln konnten und das schon seit 30 Jahren, was 1982 bei der internationalen Schuldenkrise schon eine Rolle gespielt haben. Außerdem haben die Regierungen der G 8 – Staaten auf eine zeit- und entwicklungsgemäße Regulierung verzichtet. Auf die Probleme wurde schon in den 90er-Jahren aber hingewiesen(vgl. dazu Martin/Schumann, 1997). 

 

Diese arrogante Haltung zeigt nur, dass die vom Neoliberalimus geprägten Banker und Wissenschaftler über 30 Jahre ihre Vorstellungen verbreitet und zum Teil realisiert haben. Alternativen wurden nur sehr spärlich publiziert, etwa von der Memorandum-Gruppe, der IG Metall in Deutschland, aber auch von Paul Krugman in den USA und marxistischen Wissenschaftlern von Elmar Altvater, Joachim Bischoff u.a. Natürlich auch von den politischen  Linken, die pauschal die Verstaatlichung der Banken fordern, vgl. dazu die Internetseiten Marx21 oder Linksnet. Übergangen wurden auch die Wünsche nach mehr Regulierung der EU-Staaten auf dem G 8 – Gipfel in Heiligendamm 2007 oder das Buch von Max Otte, „Der Crash kommt“ von 2006.

 

Der Schweizer Bankier Konrad Hummler verweist aber auch noch auf die jahrelange Niedrigzinspolitik von Alan Greenspan hin, der die katastrophale Hypothekenvergabe in den USA begünstigte, wo z.B. insolvente Bürger Häuserfinanzierungen erhielten, die sie nie erfüllen konnten. Bei steigenden Immobilienpreisen war für die Bank nur ein geringes Risiko vorhanden, für die Hypothekenbezieher konnte dies aber schnell zu einer Zwangsversteigerung führen, wenn sie z.B. die vereinbarten Zahlungen nicht mehr leisten konnten, außerdem war dann ihre Schuld sogar noch höher. Dies war aber völlig unabhängig von Tilgung oder Zinsen, die Hauskäufer waren also von ziemlich willkürlichen Bedingungen abhängig. Ähnliche Entwicklungen der Immobilienmärkte gab es auch in Großbritannien, in Spanien u.a., wobei sie aber mit anderen Hypothekenvereinbarungen verbunden waren. Immanuel Wallerstein verweist auf die langfristigen Tendenzen und nennt dabei die Kondratjew-Zyklen, die 50 bis 60 Jahre umfassen und die Hegemonialzyklen, die viel länger wirken. Letztere beschreiben das Auf und Ab der politischen Hegemonie derWeltgroßmächte. Im Kondratjew-Zyklus sieht er eine lange Abschwungsphase seit 1967 – 73, besonders bezogen auf die sinkenden Profitraten im produktiven Bereich. Das Kapital suchte also neue Profitmöglichkeiten durch Abwanderung in die Tigerstaaten, Brasilien, Indien, aber besonders auch in die Finanzarena (Vgl. Wallerstein, 2008, S. 5f). Der Bedarf an spekulativen

 

Geschäften wuchs in dieser Abschwungsphase ins Unermessliche. Das betraf auch die Petrodollars, die sich in den Händen der Machteliten der OPEC-Länder befand. Das internationale Bankensystem stellt sich also nach 1973 darauf ein. In der ersten Bankenkrise, ausgelöst durch die Verschuldungskrise der Schwellenländer nach 1982, zeigte schon eine neue internationale Bankenstruktur. Auch hier waren die amerikanischen Banken primär bedroht und konnten durch das Eingreifen des IWF gerettet werden. Wallerstein weist auf mehrere Interventionen in den Jahren 1987, 1989, 1997, 1998 und 2001 – 2002 hin. Die Finanzkrise von 2008 hat also eine lange Vorgeschichte.

 

1.2)Welche Formen der Krise traten bisher auf?

 

Der dramatische Beinah-Zusammenbruch internationaler Großbanken, die drohenden Bankrotte einzelner Staaten, wie Island, Ungarn u.a. sind in den Medien ausführlich abgehandelt worden. In gleichem Umfang, aber weniger detailliert, die Rettungsaktionen der Nationalstaaten. Waren in den Entscheidungen der Hinterzimmer die betroffenen Manager der Großbanken aktiv beteiligt, so äußerten sie sich, besonders in Deutschland, recht abfällig über mögliche Rettungskandidaten. Solche Geheimniskrämereien gab es in den USA, in Großbritannien und in der Schweiz nicht, da dort die Beteiligungen des Staates z.T. erzwungen wurden und deren Höhe allen mitgeteilt wurde, was jetzt, als die deutschen Banken zugriffen,. ebenfalls erfolgte. Signifikant ist aber die Krise des Bankensystems der USA, wo die größten Hypotheken- und Investmentbanken unter Staatsaufsicht gestellt wurden. Das in Europa übliche Bankensystem mit großer Geschäftsbreite wirkt im Moment noch stabiler. Wir werden aber abwarten müssen. Man fragt sich, ist die Finanzkrise im Kern nicht eine Krise des amerikanischen Bankensystems?

 

Lange Zeit galt eine hohe Beschäftigung im Dienstleistungsbereich als ein Indikator für moderne Wirtschaftsentwicklung. So ist der Anteil dieses Bereiches am BIP in den USA bei 79,4 %, d.h. er wird überproportional an der Krisenentwicklung der nächsten Jahre beteiligt

 

sein (Vgl. dazu: Fischer Weltalmanach 2007, S. 502, in der Bundesrepublik liegt er bei 70 %, S. 118). Interessant wäre natürlich zu wissen, wie hoch der Anteil der Banken am DL-Bereich ist. Der daraus resultierende Rückgang der Konsumnachfrage wird auch den zweiten Sektor der Wirtschaft, insbesondere in Europa, treffen.

 

Die Finanzkrise hat sich als eine Besonderheit in mehreren Märkten entwickelt. Im engen Sinn sind es die Finanzmärkte, damit eng verbunden die Geschäfte mit Hypotheken, die wiederum von dem Platzen der Immobilienblase tangiert sind. Da aber auch in den letzten Jahren z.B. die Termingeschäfte für landwirtschaftliche Güter und für Rohstoffe sich weiter entwickelt haben, sind diese Bereiche auch betroffen. Die Finanzkrise ist also auch eine Krise der Immobilien, der Rohstoffe und der weltweiten Primärgüter. Bei den Termingeschäften kaufen z.B. Spekulanten vor der Ernte Weizen oder Reis zu einem vereinbarten Preis. Nach der Ernte werden diese Güter verkauft, liegt der Verkaufspreis über dem vereinbarten Preis, so haben die Spekulanten einen Gewinn gemacht, liegt er darunter, einen Verlust. In den Jahren nach 2005, einer Phase des weltweiten Aufschwungs, war dies ein gutes Geschäft und wurde zunehmend auch durch die Spekulanten geprägt.

 

1.3)Welche Rolle spielten bei der Entwicklung die Hedge-Fonds?

 

Hedgefonds sind in den letzten Jahren sehr viel diskutiert worden, wobei nur wenige recht genau wissen, was diese eigentlich für Geschäfte machen. Vom Namen her beschäftigen sie sich mit der Absicherung. Sie sind eine besondere Form der Investmentfonds und erst seit 2004 in Deutschland öffentlich zugelassen. Sie haben außerdem den Ruf, nur Investoren zuzulassen, die über große Vermögen verfügen, was heute aber nicht mehr zutrifft. Ihr risikoreiches Geschäft mit Derivaten führt in Deutschland dazu, dass sie wie bei Zigaretten mit einer Warnung versehen werden. Andererseits ermöglichen sie auch  sehr hohe Renditen. Bekannt sind sie durch die in der Krise verbotenen Leerkäufe, also das Geschäft mit fallenden

 

Aktienkursen. Die Struktur solcher Geschäfte vergleicht man gern mit Wetten, was aber in der Branche abgelehnt wird. Sie sind fast ausschließlich in den Offshore-Plätzen, wie den Caiman-Inseln, den Bermudas oder auch Gibraltar, rechtlich angesiedelt. Gehandelt wird mit diesen Fonds allerdings überwiegend in New York und zunehmend in London. Mit diesen Geschäften unterliegen sie natürlich den staatlichen Aufsichten. Auf den Sitzungen der G 7 – bzw. der G -8 – Staaten wollten die Europäer zumindestens eine klare Selbstverpflichtung der Hedge-Fond-Manager durchsetzen, was an Großbritannien und den USA scheiterte. Im Gespräch waren aber auch eine genauere Kontrolle, ein freiwilliger Verhaltenskodex und ein Gütesiegel. Damit wollte man  Rückwirkungen auf den internationalen Finanzmarkt verhindern. Die heutigen Erfahrungen zeigen die Notwendigkeit solcher Regulierungen, eben genau auf internationaler Ebene. Die weltweit agierenden Hedge-Fond-Manager, wie z.B. George Soros, haben in der Branche einen legendären Ruf und sie sehen die gesamte Problematik. Sie praktizieren aber einen anderen Weg, indem die...

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