Das folgende Kapitel befasst sich unter dem Gliederungspunkt 3.1 mit der geschichtlichen Entwicklung der bAV, insbesondere der UK. Der Gliederungspunkt 3.2 klärt den Begriff der UK und beginnend mit 3.3 findet sich eine ausführliche Darstellung der spezifischen rechtlichen Grundlagen der UK.
Die bAV in Deutschland ist älter als das System der Sozialversicherung.[69] Dementsprechend ist die historische Bedeutung der bAV im Altersvorsorgebereich von jeher gegeben.
Die erste UK war die Gute Hoffnungshütte. In der Literatur wird ihr Gründungsjahr unterschiedlich datiert. Die früheste Datierung für die Gründung ist 1832[70] und die späteste gefundene Datierung ist 1850.[71] Weitere Beispiele für Unterstützungseinrichtungen im 19. Jahrhundert sind: Krupp (1858), Dyckerhoff (1864), BASF (1879) und die Farbwerke Hoechst (1882).[72] Die erste Beteiligung an der Verwaltung der Unterstützungseinrichtung gab es 1872 bei Siemens.[73]
Die bAV waren freiwillige Sozialleistungen, die meist in Form von Unterstützungsfonds auftraten.[74] Mit der heutigen bAV sind die damaligen Versorgungsleistungen nur eingeschränkt vergleichbar. Mit diesen, nicht gesetzlich verankerten,[75] Sozialleistungen waren zunächst nur die besserverdienenden Arbeitnehmer begünstigt. Man wollte höher qualifizierte Arbeitnehmer an das Unternehmen binden, indem ihre Einkommensverluste im Alter ausgeglichen wurden.[76] Alles in allem war die Anzahl der Empfänger solcher Versorgungsleistungen relativ gering. Da es noch keinen Rechtsanspruch auf die Leistung gab, wurden sie nur von Großbetrieben den langjährigen Mitarbeitern gewährt.[77]
Eine weitere Zielsetzung ergab sich durch die einsetzende Industrialisierung. Die Industrie konzentrierte sich nur auf bestimmte Regionen. Arbeiter anderer, meist ländlicher, Regionen zogen zu, um ebenfalls von der aufkommenden Industrie zu profitieren. Dadurch verließen sie die bis dahin üblichen Großfamilien. Diese umfasste in der Regel mehrere Generationen in der die Alten und Kranken in der Familie versorgt wurden. Auf Grund der regionalen Industrialisierung fielen die Strukturen solcher Großfamilien häufig auseinander. Die bAV sollte die Zerstörung dieser Strukturen kompensieren, indem die betriebliche Hilfeleistung zur Versorgung der Alten und Kranken geleistet wurde.[78]
Nach der Einführung der gesetzlichen Invalidenversicherung der Arbeiter wurde der Umfang der bAV weiter ausgeweitet. Durch die gesetzliche Invalidenversicherung war das Bedürfnis nach Alterssicherung ins allgemeine Bewusstsein gerückt. Die Anzahl der Unterstützungseinrichtung stieg seit 1891 stark an. Besonders Angestellte, die erst 1911 in die gRV integriert wurden, profitierten in steigendem Ausmaß von der bAV.[79]
Im Jahr 1901 wurde das Gesetz über die privaten Versicherungsunternehmungen eingeführt. Alle betrieblichen Versorgungseinrichtungen, die einen Rechtsanspruch auf ihre Leistungen gewährten, wurden nun der Versicherungsaufsicht unterstellt. Diese Versorgungseinrichtungen wurden nun als Pensionskassen bezeichnet. Um der Aufsicht zu entgehen, stieg die Zahl der Unterstützungseinrichtungen die keinen Rechtsanspruch auf ihre Leistung gewährten.[80]
Durch die Aufnahme der Angestellten in die staatliche Angestelltenversicherung veränderte sich die Bedeutung der bAV. Die einst als einzige Sozialleistung, freiwillig von den Unternehmen gezahlte Versorgungsleistung, war nun eine Zusatzleistung zu den geringen Renten aus der Sozialversicherung. Die bAV war ein wichtiges personalpolitisches Instrument für die Unternehmen geworden. Die Arbeitnehmer waren nicht mehr wie früher nur Abhängige vom Unternehmen, sondern wurden durch Gewerkschaften vertreten.[81]
Während der nationalsozialistischen Herrschaft wurde die bAV erstmals gesetzlich im Steuerrecht geregelt. Vor 1934 waren alle Aufwendungen für den Arbeitnehmer steuerlich abzugsfähig gewesen. Danach konnten die Aufwendungen nur noch für rechtlich selbständige Kassen geltend gemacht werden. Dies hatte zur Folge, dass die Gründung von UK zunahm. Sie waren formal-rechtlich selbständig und unterlagen der Aufsicht der Finanzämter.[82]
Die Währungsreform im Jahr 1948 brachte wieder eine Veränderung für die bAV mit sich. Die Versorgungsansprüche der Arbeitnehmer wurden abgewertet. Am stärksten von der Abwertung betroffen war die UK.[83]
Nach der Währungsreform begann ein neuer Aufschwung für die bAV, der bis in die 50er Jahre anhielt. Die betriebs- und volkswirtschaftliche Bedeutung erhöhte sich auf Grund von zwei Faktoren. Zum einen hatte der Arbeitnehmer einen großen Bedarf an zusätzlichen Versorgungsleistungen, da die gesetzliche Rente nur ein Existenzminimum sichern konnte.[84] Zum anderen war es dem Arbeitgeber möglich, das Kapital der zugesagten Leistung durch steuerliche Rückstellungsmöglichkeiten für eigene Interessen zu nutzen. Die entsprechende Versorgungsleistung musste erst später erbracht werden. Somit wurde die Zeit ein wichtiges Charaktermerkmal in der bAV.[85]
Die Rentenreform im Jahr 1957 veränderte die gesetzliche Rente. Sie sollte nicht mehr nur eine Existenzsicherung darstellen, sondern auch einen gewissen Lebensstandard absichern. Deshalb hat die bAV eine neue Aufgabe übernommen. Das Ziel der bAV war auch weiterhin die gesetzliche Rente aufzustocken, aber nun auch die soziale und kulturelle Existenz zu sichern. Durch die Versorgungsleistung sollte es jetzt möglich sein, den im Laufe des Lebens erarbeiteten Lebensstandard halten zu können.[86]
Bis in die 70er Jahre wurde die bAV stark ausgebaut. Im Jahr 1974 wurde das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, oder auch bekannt als das Betriebsrentengesetz, verabschiedet.[87]
Das BetrAVG, wurde am 19. Dezember 1974 (BBGI. 1 S. 3610 ff.) verabschiedet. Mit dem BetrAVG hat sich die bAV stark verändert. Der Gesetzgeber wollte aus sozialpolitischen Gründen die bAV stärker fördern.[88] Bis zur Einführung des BetrAVG hatte die bAV ihre Grundlagen im Privatrecht. Es galt der § 305 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der Vertragsfreiheit in Verbindung mit § 242 BGB (Treu und Glaube) und dem § 157 BGB (Auslegung von Verträgen). Demzufolge war ein großzügiger Rahmen zur Gestaltung der bAV gegeben.[89]
Durch das BetrAVG wurde die bAV sowohl als zweite Säule im Drei-Säulen-System, als auch ihre sozialpolitische Funktion endgültig vom Gesetzgeber anerkannt. Erstmals wurde die bAV komplett mit gesetzlichen Normen geregelt. Mit dieser Regelung verfolgte der Gesetzgeber zwei Hauptziele. Einerseits sollte die bAV, die eine notwendige Ergänzung zur Alterssicherung darstellt, für die Begünstigten sicherer und wirkungsvoll gestaltet werden. Andererseits strebte der Gesetzgeber eine weitere Ausbreitung der bAV auf bisher noch nicht einbezogene Arbeitnehmer an.[90]
Die aufgeführten Ziele sollten mit Hilfe von arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen Vorschriften erreicht werden. Das BetrAVG wurde in drei Teile untergliedert. Der erste Teil umfasst mit den §§ 1 bis 18 BetrAVG die arbeitsrechtlichen Vorschriften. Der zweite Teil erstreckt sich von §§ 19 bis 25 BetrAVG und umfasst die steuerrechtlichen Vorschriften. Im dritten Teil, der §§ 26 bis 32 BetrAVG beinhaltet, werden die Übergangs- und Schlussvorschriften aufgeführt.[91]
Die wichtigsten arbeitsrechtlichen Neuerungen durch das BetrAVG werden nachfolgend kurz erläutert:
Unverfallbarkeit (§§ 1 bis 4 BetrAVG)
Hierdurch wurde nun endlich der bisher fehlende Rechtsanspruch auf die Versorgungsleistung bei Ausscheiden aus dem Unternehmen geregelt. Die Unverfallbarkeit der bisher erworbenen Versorgungsansprüche war an folgende Bedingungen geknüpft. Der Arbeitnehmer, der aus dem Unternehmen ausscheidet, muss mindestens das 35. Lebensjahr vollendet haben und entweder muss die Versorgungszusage bereits seit zehn Jahre bestanden haben oder der Beginn seiner Betriebszugehörigkeit darf nicht weniger als 12 Jahre zurück liegen und eine Versorgungszusage muss seit mindestens drei Jahren bestanden haben. Die Höhe der Ansprüche wurde in § 2 BetrAVG geregelt.[92]
Auszehrungsverbot (§ 5 BetrAVG)
Durch das...