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E-Book

Anatomie des Comics

Psychosemiotische Medienanalyse

AutorStephan Packard
VerlagWallstein Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl352 Seiten
ISBN9783835320086
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis28,99 EUR
Was sind Comics? Wie funktionieren sie und wie lassen sich die Unterschiede zwischen verschiedenen Typen von Comics beschreiben? Wieso akzeptieren wir das menschliche Agieren von Enten und Mäusen im Comic, ohne den Text für eine Fabel zu halten? Lassen sich Comics eindeutig gegen Höhlenmalereien und illuminierte Handschriften, gegen Photoromane und Trickfilme abgrenzen? Wie werden die einzelnen Bilder miteinander verbunden - und wie die Bilder mit der Schrift? Wie funktionieren Metaphern und andere rhetorische Figuren in Comics? Welche Besonderheit zeichnet den dritten Zeichenraum aus, der in cartoonisierten Körperdarstellungen entsteht, und wie wird er in Comics eingesetzt? Packards psychosemiotische Medienanalyse verbindet Ansätze der formalen Zeichentheorie mit psychoanalytischen Interpretationsstrategien. Er entwirft ein Modell des Verweischarakters von Cartoons, das zugleich deren affektive Bedeutung erklärt: Ein Moment in der Selbsterfahrung des Lesers im Moment der Lektüre wird zugleich der dargestellten Figur zugeschrieben.

Stephan Packard, geb. 1978, ist wissenschaftlicher Assistent am Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

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Leseprobe
6. Deduktion II: Dyadische Comiczeichen und die Rhetorik von Comics (S. 235-236)

Wir sind vom Blick des Cartoons ausgegangen und haben so die Hierarchien irreduzibler Elemente im Comicpanel ebenso beschrieben wie ihre Zusammenfügung zu Makropropositionen, wie sie durch induktive Ersetzung, sowie zu den Makropanels, wie sie durch induktive Tilgung entstehen. Nach diesen einfachen Prinzipien lassen sich Comicseiten und Sequenzen eindeutig gliedern und ihre Gliederung läßt sich in Baumgraphen wiedergeben, die je eine abgeschlossene Form als Grenze zeichnen, deren Überschreitung einen Unterschied macht. Im Falle des Makropanels sahen wir die Möglichkeit, zwischen den zugleich sichtbaren Ebenen des einzelnen Panels und des Ganzen eines Panelkomplexes einen Re-entry von übergeordneten Formen in die Ordnungen ihrer Panel stattfinden zu lassen, wie er im Rahmen der klassischen Hermeneutik für rein sprachliche Texte nicht zu verwirklichen wäre.

Diese Strukturen entsprechen einer Syntax des Panels und des Comicganzen, die eine ähnliche Grundlage für die Analyse von Comictexten bietet wie die Syntagmen der linguistischen Analysen sprachlicher Texte. Obwohl mehrdimensional, korrespondieren sie daher nur den Relationen der Kontiguität im Modell der gesprochenen und geschriebenen Sprache. Momente der Ersetzung durch Ähnlichkeit sind bislang nur in den Funktionen der Induktion betrachtet worden, in denen ähnliche Elemente sukzessiver Panels gleichen Domänen zugeordnet und daher der Tilgung oder Ersetzung unterworfen wurden.

Wie steht es aber mit reinen Ersetzungsfiguren im einzelnen Panel? Gibt es auch einen Begriff des uneigentlichen Zeichens im Comic, kann es Metaphern oder Metonymien im Rahmen dieses Modells geben? Bereits bei der Untersuchung des Cartoons hatten wir Funktionen eines dritten Zeichenraums von den notwendigen Semiosen des Comics getrennt. Am Beispiel der anthropomorphisierten Tiergestalten sahen wir, daß sich durch jene zusätzlichen Zeichenverhältnisse in der Kette der Übertragung von Figur auf Cartoon und Cartoon auf Rezipienten additive Möglichkeiten ergeben, die etwa zu einer konventionalisierten Zuschreibung von Signifikaten zu Signifikanten geeignet sind.

Indem wir diese Beobachtung weiter verfolgen, entdecken wir im dritten Zeichenraum die Möglichkeit einer Isolierung von Zeichen allein durch konventionell garantierte Regularität, die die Grenzen des Comics als visuelle Kunstform durch Zuschreibung unsichtbarer Signifikate erfolgreich unterläuft. Damit rückt zunächst ein Phänomen der Vagheit und der Ambiguität in den Blick, das allein im Rahmen arbiträr zugeschriebener dyadischer Zeichen verständlich wird.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Umschlag1
Titel4
Impressum5
Inhalt8
Einleitung: Unbequeme Zeichenverhältnisse12
1. Psychosemiotik18
1.1 Zeichenbegriff21
1.2 Fiktionalität25
1.3 Peirce und Lacan28
1.3.1 Zeichenkette33
1.3.2 Triade36
1.3.2.1 Lacans Mangel gegen Peirce ’ Trichotomien36
Exkurs: Sartres und Lacans Blick39
1.3.2.2 Sartres Blick als Struktur der réalité humaine39
1.3.2.3 Lacans Blick44
1.3.2.4 Verschränkte Triaden50
1.3.3 Genuinität der Triade51
1.3.4 Vorgängigkeit53
1.3.5 Dyade56
1.4 Graph61
2. Comics?68
2.1 Was sind Comics?69
2.2 Sequenz und Anatomie72
2.2.1 Sequentielle Kunst72
2.2.2 Panels wie Buchstaben74
2.2.3 Panelpropositionen75
2.2.4 Gliederung der Sequenz78
2.2.4.1 Simultaneität?78
2.2.4.2 Anatomie80
2.3 Doppelte Hybridisierung85
2.3.1 Bild und Schrift85
2.3.2 Hermeneutischer Zirkel88
2.4 Was sind Comics noch?94
2.4.1 Comickompetenz94
2.4.2 Körper, Objekte, Raum, Zeit: Abbilder96
2.4.3 Dyadische Reduktionen97
2.4.4 Narration? Fiktion?98
2.4.5 Mediale Abgrenzungen98
3. Vom Bild zur Triade100
3.1 Ikonischer Mangel101
3.2 Deduktion und Konventionalität104
3.3 Induktion und Makrostruktur115
3.4 Abduktion und Individualität118
4. Abduktion II: Der Cartoon122
4.1 Der Blick des Cartoons124
4.2 Indexikalische Kopien von Gestik und Mimik134
4.3 Tierhäute: Ein dritter Zeichenraum138
4.4 Offenheit des Cartoons142
4.5 Tiefen des Cartoons147
4.6 Cartoongruppen155
5. Induktion II: Elemente des Comics160
5.1 Blickfu?hrung162
5.2 Domänen des Panels169
5.2.1 Objekte172
5.2.2 Raum177
Exkurs: Bachtins Chronotope181
5.2.2.1 Schwierigkeiten mit dem Chronotop181
5.2.2.2 Eine Theorie vom Chronotop184
5.2.2.3 Der Begriff des Chronotops185
5.2.2.4 Erstes Abbildungsverhältnis: Form und Inhalt189
5.2.2.5 Große Chronotope, kleine Chronotope, Ereignisse193
5.2.2.6 Zweites Abbildungsverhältnis: Chronotop und Realität196
5.2.2.7 Tradition und Genre: Das Werk im realen Chronotop198
5.2.2.8 Sinnsphäre und Dialogizität201
5.2.2.9 Reihen204
5.2.3 Folien und Foliengraphen210
5.2.4 Verzicht aufs Depot215
5.3 Setzung216
5.4 Makropropositionen217
5.4.1 Eine Sequenz217
5.4.2 Dezentrierte Cartoons221
5.4.3 Poetische Funktion223
5.5 Makropanels226
6. Deduktion II: Dyadische Comiczeichen und die Rhetorik von Comics236
6.1 Vagheit237
6.2 Uneigentlichkeit250
6.2.1 Diagrammatische Deckung250
6.2.2 Tilgung255
6.2.3 Continuata258
7. Schrift260
7.1 Pantomimik der Comics261
7.2 Bild-Schrift-Verankerungen265
7.2.1 Diagrammatische Deckung266
7.2.2 Indexikalischer Verweis268
7.2.3 Symbolisches Urteil270
8. Mediale Verwandtschaften und Abgrenzungen278
8.1 Der minimale Comic279
8.2 Sequentielle Kunstformen280
8.2.1 Primäre Hybridisierung in anderen Kunstformen281
8.2.2 Sekundäre Hybridisierung in anderen Kunstformen287
8.3 Cartoon289
8.4 Ästhetik der Indexikalität291
8.5 Tendenzen des Comics: Narrativität und Fiktionalität298
9. Drei Comics302
9.1 Sandmans Wake beginnt303
9.2 Alices Cartoon315
9.3 Captain America, ein durchkreuzter Comic319
Literaturverzeichnis326
1. Siglenverzeichnis326
2. Comics328
3. Über Comics330
4. Weitere334
Glossar344
Namenregister352

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