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E-Book

The Corporation

Aufstieg und Fall der kubanischen Mafia

AutorT. J. English
VerlagHeyne
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl704 Seiten
ISBN9783641206819
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Ab den Sechzigerjahren stieg die kubanisch-amerikanische Mafia zu einer der mächtigsten kriminellen Organisationen der USA auf. Mit rücksichtslosen Methoden und einem eigenen Zweig des illegalen Glücksspiels baute sich die 'Corporation' ein Millionenimperium auf. T. J. English hat zahlreiche Insider der Corporation aufgespürt und über mehrere Jahrzehnte hinweg Material zusammengetragen, um die Geschichte dieser mächtigen, aber weitgehend unbekannten Organisation und ihres legendären Paten José Miguel Battle nachzuzeichnen.



T. J. English ist der Autor zahlreicher New-York-Times-Bestseller und gilt als führender Experte für organisiertes Verbrechen in den USA. Seine journalistischen Texte erschienen u.a. in Vanity Fair, Playboy und Esquire. Sein Drehbuch für eine Episode von David Simons Polizeiserie Homicide wurde mit dem Humanitas-Preis geehrt.

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Leseprobe

1

BRIGADE 2506

JOSÉ MIGUEL BATTLE SASS bei seinen Leuten. Sie waren um den Rumpf eines Schiffs verteilt und schauten hinaus aufs Meer oder hinauf zum Nachthimmel. Der Mond warf sein glitzerndes Licht auf die Meeresoberfläche und zeigte einen Weg, der nach Norden führte.

An Bord befanden sich fast 200 Mann mit Gewehren. Sie sprachen kaum ein Wort. Für das bevorstehende Unternehmen schien es angemessen, still in sich gekehrt über das Wesen des Kosmos nachzudenken. Battle und die anderen Soldaten hatten monatelang für diese Mission trainiert. Jetzt, unter dem Baldachin der Sterne und Planeten, lag ihr Schicksal in den Händen der Götter.

Sie waren auf dem Weg nach Kuba, um La Patria zurückzuerobern, ihr Heimatland, das ihnen ein redegewandter Despot mit Zottelbart und dicker Zigarre genommen hatte.

Das Schiff gehörte zu einer Gruppe von sechs Schiffen mit Hunderten von Leuten, die zusammen die Invasionsarmee Brigade 2506 bildeten. Der Verband hatte am Vortag um zwei Uhr morgens in Puerto Cabezas an der Küste Nicaraguas abgelegt. Die einzelnen Schiffe durchquerten die Karibik auf leicht unterschiedlichen Routen, um möglichst nicht aufzufallen. Die Männer fuhren durch die Nacht, erlebten den Sonnenaufgang, setzten ihren Weg den ganzen Tag über fort und sahen den Sonnenuntergang, ehe alle Boote im Schutz der Dunkelheit 60 Kilometer vor der Küste Kubas wieder zusammenfanden.

Mit seinen 31 Jahren gehörte Battle zu den Älteren dieser bunt zusammengewürfelten Brigade, und trotz seiner stämmigen, fast übergewichtigen Statur war er ein geborener Anführer. Der Ruf eines harten Sittenpolizisten aus Havanna eilte ihm voraus, und bei der Vorbereitung hatte man ihn aufgrund seiner Leistungen zum Leutnant und Führer eines Zugs ernannt. Seine Einheit sollte als eine der ersten an Land gehen, sobald die Flotte Kuba erreicht hatte.

Es war der 16. April 1961. Die Brigade sollte an der Südküste in der Bahía de Cochinos, der Schweinebucht, anlegen. Die Landestelle war in letzter Minute geändert worden. Tatsächlich war die Invasion der kampfeswilligen Männer in einen politischen Strudel der Kompromisse und Zauderei geraten.

Die Planung für den Einmarsch hatte schon vor Jahren unter der Regierung Eisenhower begonnen. Es handelte sich um eine verdeckte Operation der CIA. Bei seinem Amtsantritt 1961 erbte John F. Kennedy das Vorhaben. Es war umstritten – vorsichtig ausgedrückt. Die US-Regierung durfte keinesfalls den Eindruck erwecken, die Invasion in irgendeiner Form zu billigen oder gar zu unterstützen. Ohne Kriegserklärung hätte sie damit gegen internationales Recht verstoßen.

Im Oval Office äußerte Kennedy Zweifel an dem Plan, doch er steckte in einem Zwiespalt. Während des Präsidentschaftswahlkampfs 1960 hatte er seinem Gegner, Vizepräsident Richard Nixon, vorgeworfen, die Regierung Eisenhower sei zu nachsichtig gegen den Kommunismus und habe Castros Staatsstreich tatenlos hingenommen. Jetzt hätte Kennedy als Heuchler und Feigling dagestanden, wenn er die Invasion abgeblasen hätte. Stattdessen verlegte er sich darauf, systematisch einzelne Aspekte des Plans zu beschneiden, damit nicht der geringste Anschein einer militärischen Beteiligung der USA an der Operation entstehen konnte.

So fiel unter anderem die Entscheidung, die Bombardierung von Castros Luftwaffe abzubrechen. Ursprünglich sollte diese noch vor der Landung der Brigade ausgeschaltet werden. Doch nach einem Bombenangriff, der nur einen Teil der Flugzeuge lahmlegte, brach Kennedy das Ganze ab.

Die Mitglieder der Brigade 2506 hatten keine Ahnung, dass der US-Präsident mit sich rang, weil er am Sinn und den Erfolgsaussichten der Invasion zweifelte. Für sie zählte nur ihre starke Moral. Sie hatten sich dieser Mission verschrieben, und viele von ihnen hatten dafür Frauen, Kinder und ein gutes Auskommen zurückgelassen. Sie wollten es Castro heimzahlen und Kuba zurückerobern. Mit allen Mitteln.

An Bord des Führungsschiffs Blagar vertrieben sich einige Leute die Zeit mit Kartenspielen. Auch Battle, der Glücksspiele und vor allem Poker liebte, nahm an einer Runde teil. Niemand von ihnen wusste, dass der Plan zur Ausschaltung der kubanischen Luftwaffe aufgegeben worden war. Es sollte ein Überraschungsangriff sein, und die Männer rechneten nicht mit nennenswertem Widerstand. Sie konnten nicht ahnen, dass die Invasion schon vor ihrer Landung zum Scheitern verurteilt war.

IM HISTORISCHEN RÜCKBLICK HAT sich gezeigt, dass die Männer der Brigade 2506 nicht, wie häufig angenommen, aus der kubanischen Oberschicht oder aus Kreisen stammten, die mit der Diktatur Batistas zusammengearbeitet hatten. Die Vorstellung, dass die Invasion von Gegnern der Revolution veranstaltet wurde, ist nicht ganz zutreffend. Viele Brigadistas hatten die eine oder andere im Kuba der Fünfzigerjahre entstandene Dissidentengruppe mit Wohlwollen betrachtet oder unterstützt. Einige hatten sogar in der Sierra Maestra in Castros Bewegung des 26. Juli gekämpft und für die Revolution ihr Leben aufs Spiel gesetzt.

Die Organisatoren der Invasion – sowohl die CIA als auch die Führungsriege der kubanischen Castro-Gegner in den USA – hatten strikt darauf geachtet, keine Batista-Sympathisanten in die Brigade aufzunehmen. Sie wollten nicht, dass die Invasion als Gegenputsch Batistas gedeutet wurde. Neben der Rekrutierung und Ausbildung einer Invasionsarmee stellten die Organisatoren auch ein Schattenkabinett zusammen, das nach dem Sturz Castros die Macht übernehmen sollte. Keiner der Politiker hatte Verbindungen zum Batista-Regime.

Manche Mitglieder der Brigade wie José Miguel Battle hatten einen persönlichen Grund zum Groll. Sie hatten Arbeit und Existenz verloren oder waren auf besonders demütigende Weise von der Insel gejagt worden, nachdem der Staat ihr Eigentum beschlagnahmt hatte. Viele waren schockiert, als sie von den politischen Hinrichtungen durch den Revolutionsrat unter Führung Che Guevaras hörten. Andere waren desillusioniert, als sich in zunehmendem Maß die kommunistische Orientierung von Castros Regime zeigte, und fühlten sich verraten. Sie hatten an einen positiven gesellschaftlichen Wandel durch die Revolution geglaubt und mussten nun erkennen, dass nur die eine Diktatur von einer anderen abgelöst worden war. Persönlicher Schaden und politische Empörung waren starke Impulse. Die Männer der Brigade wollten mit Castro abrechnen.

Bald nach der Zusammenstellung der konterrevolutionären Truppe begann die Ausbildung in einem Geheimcamp in den Bergen von Guatemala. Eine Armee von ungefähr 1500 Männern wurde heimlich auf den Stützpunkt Trax verlegt, wo sie sechs Monate lang lebten und trainierten. Im drückend heißen Tropendschungel wurden sie von Schlangen, Spinnen und Insekten geplagt. Einige Männer brachen bei Übungen in der Hitze vor Erschöpfung zusammen. Sie waren von der Außenwelt abgeschnitten und hatten keinen Zugang zu Zeitungen, Fernsehen oder Radio.

Das Camp stand unter der Aufsicht von CIA-Agenten und Offizieren der U.S. Army und Air Force. Die Freiwilligen absolvierten täglich ein physisch und psychisch rigoroses Programm. Nicht alle schafften am Ende die körperliche Prüfung.

Wer bestand, bekam eine Nummer. Einer von ihnen starb während der Ausbildung; ihm zu Ehren erhielt die ganze Truppe seine Nummer und damit die Bezeichnung Brigade 2506.

Zu den Mitgliedern der Brigade gehörten die Brüder Fidel und Ramón Fuentes. Wie viele im Zug von José Miguel Battle kannten sie den ehemaligen Polizisten aus ihrer Zeit in Havanna. Fidel Fuentes hatte Battle bei einem Freimaurertreffen kennengelernt. Beide waren Mitglieder in dem Geheimbund, der in Kuba seit der Ankunft britischer und irischer Siedler im Jahr 1763 existierte. In späterer Zeit genoss die Organisation in manchen Kreisen hohes Ansehen. Der verehrte Patriot und Dichter José Martí war Freimaurer und angeblich auch Fidel Castro, der bei gewaltsamen Studentenunruhen Ende der Vierzigerjahre sogar in einer Loge Zuflucht gesucht haben soll.

In den Fünfzigerjahren standen Fidel Fuentes und José Miguel Battle im Kreis und schlossen die Arme zum traditionellen Ritual der Freimaurer. Diese Verbindung sollte später von Bedeutung sein, als sich Fuentes zusammen mit seinem Bruder an Bord der Blagar wiederfand und Richtung Kuba fuhr. Viele Jahre danach erinnerte sich Fidel an den Kommandanten seines Zugs: »Er war eine starke Führungspersönlichkeit. Kein anderer Chef oder Vorgesetzter war so simpático wie Battle.«

Erst vier Monate zuvor hatten die Brüder Fuentes ihrem Leben in Kuba den Rücken gekehrt und sich dem Kampf gegen Castro angeschlossen. Ihr Vater, ein kubanischer Exmilitär, hatte veranlasst, dass weit draußen auf dem Meer eine neun Meter lange Segeljacht ankerte. In der Nacht des 27. Dezember 1960 legten der 23-jährige Fidel, der 21-jährige Ramón, ihr 48-jähriger Vater und 16 andere in Ruderbooten ab. Diese waren jeweils mit vier oder fünf Leuten besetzt, weil sie in kleineren Gruppen nicht so leicht entdeckt werden konnten. Nachdem sie bei der Jacht angekommen waren, versenkten sie die Ruderboote.

Von den 19 Leuten, die an Bord gingen, gehörten acht der Familie Fuentes an. Die motorbetriebene Jacht steuerte sie sicher durch die raue See in der Floridastraße und landete an einem geheimen Ort in der Nähe von Key West. Schon wenige Tage nach ihrem Eintreffen auf US-amerikanischem Boden machten sich Fidel, Ramón und ihr Vater auf den Weg nach Guatemala.

Die Brigade 2506 setzte sich aus vier Bataillonen von jeweils rund 250 Mann zusammen. Diese wiederum waren in vier Züge...

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