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E-Book

Auf dem Weg zur biomächtigen Gesellschaft?

Chancen und Risiken der Gentechnik

VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl522 Seiten
ISBN9783531914183
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis64,99 EUR


Prof. Dr. phil. habil. Achim Bühl lehrt Techniksoziologie mit den Schwerpunkten Technikfolgenabschätzung und Zukunftsforschung an der Hochschule für Technik Berlin.

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Leseprobe
Reproduktives Klonen in „real life" und in der Science Fiction (S. 273-274)

Achim Bühl

Wir wollen uns in diesem Beitrag mit dem reproduktiven Klonen sowohl bei Tieren als auch bei Menschen beschäftigen. Im Vordergrund steht dabei die ethische Debatte, d. h. die Analyse der jeweiligen Argumente, die für oder gegen das reproduktive Klonen sprechen. Wir werden dabei sehen, dass sowohl die Protagonisten als auch die Antagonisten des reproduktiven Klonens argumentativ dem Paradigma des genetischen Determinismus folgen, insofern sie den Menschen auf die Summe seiner Gene reduzieren. In den letzten Jahren sind Klone1 zu einem der beliebtesten Motive in Science- Fiction-Filmen und SF-Romanen geworden. Unsere Vorstellung vom Klonen ist nicht zuletzt durch die filmische Unterhaltungskultur geprägt, welche tiefenpsychologische Ängste des Menschen dystopisch in Szene setzt. Eine Analyse von Science-Fiction-Filmen kann daher helfen potentielle Gefahren des Klonens zu eruieren sowie zu einem tieferen Verständnis unserer medial geprägten „Technikbilder" beitragen.

1 Begriffsklärung des reproduktiven Klonens

Der Begriff Klonen bezeichnet in der Reproduktionsmedizin und der Biotechnologie „die künstliche Erzeugung eines vollständigen Organismus oder wesentlicher Teile davon, ausgehend von genetischer Information, die einem bereits bestehenden Organismus entnommen wurde."2 Die genetisch betrachtet identische Kopie des Organismus wird als Klon bezeichnet, der gewissermaßen das künstliche Pendant eines eineiigen Zwillings darstellt.

Die natürlichen Vorgänge der Befruchtung bzw. der geschlechtlichen Fortpflanzung entfallen beim Klonieren. Im Unterschied zum therapeutischen Klonen3 wird beim reproduktiven Klonen „der Embryo in eine Leihmutter eingepflanzt und die natürliche Entwicklung zum vollständigen Organismus abgewartet." Reproduktives Klonen liegt somit dann vor, „wenn die Klontechnologie mit dem Ziel eingesetzt wird, ein Kind zu zeugen.

Von therapeutischem Klonen wird gesprochen, wenn aus dem geklonten Embryo eine embryonale Stammzelllinie gezüchtet werden soll." Die semantische Aufteilung zwischen dem reproduktiven und dem therapeutischen Klonen ist insofern zu problematisieren, „als sich lediglich Handlungsabsicht und spätere Verwendung des geklonten Embryos unterscheiden." Der Terminus therapeutisches Klonen wird von Kritikern als irreführend bezeichnet, da es sich aktuell noch um Grundlagenforschung handelt und Therapien - wenn überhaupt - erst perspektivisch in Sicht sind.

2 Die technologische Seite des reproduktiven Klonens

Unterschieden wird zwischen zwei verschiedenen Klontechniken, dem Klonen durch Embryosplitting sowie dem Klonen durch Zell- bzw. Zellkerntransfer. Als einfachste Form des Klonierens wird in der Literatur auch die Herstellung von Kopien einzelner Gene oder Genabschnitte genannt, d. h. die Produktion von DNA-Kopien auf molekularbiologischer Basis. Wir wollen den Vorgang des Klonierens jedoch nicht als bloßes genetisches Duplizieren verstanden wissen - „ein in den molekularbiologischen Laboratorien dieser Welt alltäglich hunderttausendfach exerziertes Verfahren"8 - sondern bewusst auf die Reproduktion vollständiger Organismen beschränken.

2.1 Embryosplitting

Beim Klonen durch Embryosplitting werden totipotente Zellen im frühen Embryonalstadium oder zu einem späteren Zeitpunkt durch ein mikrochirurgisches Teilungsverfahren abgetrennt. Die Vorteile dieses Verfahrens bestehen in der relativ leichten Handhabung sowie der hohen Erfolgsrate. Die Nachteile liegen darin, dass die genetischen Anlagen des Embryos vorher nicht bekannt sind, „sie sind eine Mischung der elterlichen Anlagen. Außerdem ist die natürliche Altersgrenze der geeigneten Embryozellen schnell erreicht."9 Es ist davon auszugehen, „dass sich beim Menschen bis zum 8-Zell-Stadium jede entnommene Zelle selbständig zu einem Embryo entwickeln kann."
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis6
Vorwort15
Einleitung17
Von der Eugenik zur Gattaca-Gesellschaft?28
1 Grundlagen der Eugenik28
2 Historie der Eugenik30
2.1 Eugenik in den USA31
2.2 Eugenik in der Schweiz35
2.3 Eugenik in Skandinavien37
2.4 Eugenik in Deutschland39
2.5 Moderne Formen der Eugenik56
3 Die Gattaca-Gesellschaft74
4 Genetischer Rassismus versus „Genoismus“77
5 Die biomächtige Gesellschaft83
6 Resümee95
Die Janusköpfigkeit der Pränataldiagnostik96
1 Zwiespältigkeit der diagnostischen Möglichkeiten96
2 Arten von Pränataldiagnostik98
3 Beweggründe für die Inanspruchnahme der PND112
4 Chancen und Risiken der Pränataldiagnostik113
5 Resümee134
Aspekte der Präimplantationsdiagnostik136
1 Die Debatte um die PID136
2 Die Entwicklung der Präimplantationsdiagnostik141
2.1 Medizinische Grundlagen141
2.2 Klinische Entwicklungen147
3 Die Regulierung der Präimplantationsdiagnostik154
3.1 Internationale Herangehensweisen154
3.2 Die deutsche Situation162
4 Argumentationslinien der deutschen Debatte um die PID166
5 Kontextsensitive Ethik186
5.1 Das transdisziplinäre Modell187
5.2 Anwendung kontextsensitiver Ethik im Bereich der Reprogenetik191
6 Ansichten zur PID193
6.1 Ergebnisse der qualitativen Phase193
6.2 Ergebnisse der standardisierten Befragungen201
7 Sollte die PID in Deutschland zugelassen werden?225
7.1 Handlungsbedingungen225
7.2 Bewertung der Handlungen232
7.3 Folgenabschätzung233
7.4 Debattenanalyse235
8 Fazit237
Probleme der Stammzellforschung240
1 Die Zelle, die Stammzelle242
2 Definitionen243
2.1 Entwicklung244
2.2 Adulte und embryonale Stammzellen245
2.3 Reproduktives und therapeutisches Klonieren246
2.4 Totipotenz, Pluripotenz, Multipotenz247
2.5 Stammzellmarker249
3 Epigenetik251
4 Ziele der Stammzellforschung253
4.1 Grundlagenforschung253
4.2 Medizinische Anwendungen254
5 Rechtliche Rahmenbedingungen255
5.1 Grundgesetz, Embryonenschutzgesetz, Stammzellgesetz256
5.2 Kritik258
5.3 Rechtliche Probleme für den Forschungsalltag261
6 Ethische Probleme265
7 Alternativen zu hES-Zellen?268
8 Schlussfolgerungen269
Reproduktives Klonen in „real life“ und in der Science Fiction272
1 Begriffsklärung des reproduktiven Klonens272
2 Die technologische Seite des reproduktiven Klonens273
2.1 Embryosplitting274
2.2 Zell- bzw. Zellkerntransfer274
2.3 Mitochondriale DNA276
2.4 Effizienz des reproduktiven Klonens276
2.5 Epigenetik und Klonen279
2.6 Schäden durch das Klonen282
2.7 Zusammenfassung der technischen Seite283
3 Die Historie des reproduktiven Klonens284
4 Anwendungen des reproduktiven Klonens bei Tieren288
5 Anwendungen des reproduktiven Klonens beim Menschen297
5.1 Anwendungsfeld Reproduktionsmedizin297
5.2 Anwendungsfeld Medizin304
5.3 Science-Fiction-Szenarien305
6 Rechtliche Seite des reproduktiven Klonens bei Tieren313
7 Rechtliche Seite des reproduktiven Klonens beim Menschen315
8 Die ethische Diskussion des reproduktiven Klonens bei Tieren317
9 Die ethische Diskussion des reproduktiven Klonens beim Menschen318
9.1 Individuelle Schäden für das geklonte Individuum320
9.2 Gesellschaftliche Schäden durch das Klonen von Menschen327
10 Resümee330
Probleme der Gendiagnostik331
1 Genetische Grundlagen der Entwicklung332
2 Die genetische Grundlage monogener und komplexer Krankheiten338
3 Wissenschaftliche Grundlagen von Gentests340
4 Gentests und genetische Beratung344
5 Pränatale Diagnostik346
6 Soziale Auswirkungen pränataler Diagnostik353
7 Gendiagnostikgesetz359
8 Ausblick367
Risikoanalyse Grüne Gentechnik369
1 Die technologische Seite des Risikos369
1.1 Das deterministische Paradigma372
1.2 Epigenetik als systembiologisches Paradigma375
1.3 Epigenetisches Paradigma und Risikobewertung377
1.4 Pflanzenphysiologische Aspekte378
1.5 Größe und Entschlüsselung des Pflanzengenoms379
1.6 Konkretion der technologischen Seite des Risikos380
2 Die gesundheitliche Seite des Risikos387
2.1 Horizontaler Gentransfer388
2.2 Allergien389
2.3 Symptome im Tierexperiment393
2.4 Zusammenfassung der gesundheitlichen Seite des Risikos394
3 Die ökologische Seite des Risikos396
3.1 Die Biodiversität396
3.2 Das Hybridisierungspotential399
3.3 Die Resistenzgefahr400
3.4 Die Bienenproblematik401
3.5 Zusammenfassung der ökologischen Seite des Risikos404
4 Die soziale Seite des Risikos405
4.1 Dritte Welt Länder405
4.2 Verstärkung von Monokulturen412
4.3 Die Problematik der Koexistenz414
4.4 Zusammenfassung der sozialen Seite des Risikos418
5 Ist Grüne Gentechnik Züchtung?420
6 Ausgewählte Unfälle der Grünen Gentechnik421
6.1 Der Reis-Skandal421
6.2 Der Raps-Skandal423
6.3 Der Mais-Skandal423
6.4 Die Gen-Erbse425
6.5 Verunreinigungen durch Grüne Gentechnik426
6.6 Zusammenfassung bezüglich der Unfälle427
7 Alternativen zur Gentechnik428
7.1 Nachhaltige Landwirtschaft428
7.2 Analyse der Pflanzenkommunikation430
7.3 Stärkung des pflanzlichen Immunsystems430
7.4 Aktivierung natürlicher Biofeinde431
7.5 Entwicklung einer Push-Pull-Methode431
7.6 Arten- und Sortenmischung431
7.7 Biotechnologische Züchtung per Gendiagnose432
7.8 Zusammenfassung bzgl. der Alternativen zur Grünen Gentechnik435
8 Resümee: Gesamteinschätzung des Risikos436
Das genetische Personenkennzeichen auf dem Vormarsch442
1 Die „Entschlüsselung“ des menschlichen Genoms442
2 Sprechende und nicht-sprechende Teile der Erbsubstanz443
3 Der „genetische Fingerabdruck“444
4 DNA-Identifizierung nach deutschem Strafprozessrecht446
5 Risiken in der Praxis448
6 Allmachtsphantasien von einer „kriminalitätsfreien Gesellschaft“450
7 Die internationale Dimension452
8 Heimliche Vaterschaftstests454
9 DNA-T als Mittel der Zuwanderungskontrolle456
10 Fazit458
Gentechnik und die neue Qualität der Biowaffen460
1 Gentechnische Veränderung klassischer Biowaffen-Erreger461
1.1 Bakterien mit unüblichen Krankheitssymptomen462
1.2 Unsichtbares Anthrax („Tarnkappen-Mikroben“)462
1.3 Behandlungsresistente Pestbakterien463
1.4 Schritte bei der Entwicklung eines Biowaffen-Potentials463
1.5 Genetische Sonnenschutzfaktoren464
2 Neuartige infektiöse Agenzien465
2.1 Experimente mit dem Mauspockenvirus465
2.2 Experimente mit dem Denguefieber466
2.3 Erforschung von Pathogenitäts- und Virulenzfaktoren466
2.4 Analyse des Eindringens in menschliche Zellen467
3 Synthese gefährlicher Erreger467
3.1 Das Poliovirus aus der Retorte468
3.2 Wege zum künstlichen Pockenvirus468
3.3 Spanische Grippe gentechnisch wiederbelebt470
4 Vollkommen neue Waffenarten474
4.1 Nahrungsmittel als Waffen („Food Weapons“)474
4.2 Sterilisation als Waffe477
4.3 Terminator-Technologie477
4.4 Insektenbomber478
4.5 Aktuelle Projekte in den USA478
5 Ethnisch spezifische biologische Waffen480
5.1 Genetische Sequenzen und biologische Effekte481
5.2 Ethnisch spezifische genetische Marker482
6 Empfehlungen490
6.1 Einstellung von Projekten491
6.2 Grenzziehung und Transparenz491
6.3 Einschränkung ganzer Forschungsrichtungen492
7 Zusammenfassung492
Resümee494
Literaturverzeichnis504
Sach- und Personenregister517

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