1 Einleitung – Alter und psychische Erkrankung
„For the first time in history most people in societies such as our own can plan on growing old ... Even those who are currently „old“ can expect to life for many years ....“: Eine fast enthusiastische Einleitung des amerikanischen Lehrbuches „Geriatric Psychiatry“ (2. Auflage) von Spar und La Rue (1997). Hintergrund dieser Anmerkung ist der drastische Wandel in der Altersstruktur, dem die Weltbevölkerung in einem bisher nicht gekannten Ausmaße unterliegt. So erwartet das Statistische Bundesamt (1998) in seinem Gesundheitsbericht für Deutschland eine mehr als 10 %ige Steigerung des Anteils der über 60-jährigen Menschen im Jahre 2010 auf 24,9 %. Damit erhält der Altersaufbau der Bevölkerung ein deutlich verändertes Gesicht und es entwickelt sich aus einer „Alterspyramide“ ein eher „pilzförmiges“ Verteilungsgebilde mit einem hohen Anteil älterer und alter Menschen. Nicht nur aus allgemeiner gesundheitspolitischer Sicht, sondern auch aus psychiatrisch-psychotherapeutischer kommt den höheren Altersgruppen damit steigende Bedeutung zu.
Soweit heute vom höheren Lebensalter die Rede ist, wird weitgehend von den über 65-Jährigen ausgegangen (Häfner 1991), obwohl diese Altersgrenze einigermaßen willkürlich gewählt ist und ihre Begründung darin findet, dass mit Ende des 65. Lebensjahres meist das Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben vorgegeben ist, damit soziologisch die Altersphase des menschlichen Lebenszyklus eingeleitet wird. Dabei wird zunehmend deutlich, dass auch dieser Lebensabschnitt sich in unterschiedliche Phasen teilen lässt, denkt man z. B. an die über 80-Jährigen als sog. Hochbetagte. Das biologische Altern und auch das psychologische Altern befinden sich bei vielen Menschen zwischen dem 60. und 65. Lebensjahr dagegen in einem kontinuierlichen Prozess, woraus sich die Unschärfe der Zugehörigkeit mancher Erkrankungen zum mittleren und höheren Lebensalter ergibt. Weiterhin ist zu bedenken, dass alle Aussagen nur für die gegenwärtige Altenbevölkerung, nicht für die Vergangenheit oder die Zukunft gelten können, zumal die Zusammensetzung in den letzten 50 Jahren in den Industrienationen relativ und auch hinsichtlich der absoluten Zahlen steil zugenommen hat (Tabelle 1 und 2).
Diesen altersdemographischen Veränderungen stehen strukturelle gegenüber, die hier nur punktuell angeführt werden können, so die niedrigen Geburtenziffern, die in jüngeren Generationen veränderten Familienstrukturen, die Zunahme nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften, von Single-Haushalten und die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen. Dies würde sich z. B. auf die Forderung von häuslicher Pflege auswirken, die dann nur noch schwer erfüllbar wird und die Verfügbarkeit privater und eine verstärkte Notwendigkeit professioneller Hilfen bedingen würde. So fehlen wahrscheinlich auf längere Sicht Personen, die eine immer größer werdende Anzahl unterstützungs-, hilfs- und pflegebedürftiger älterer Menschen versorgen können.
Nach Angaben der „Gesundheitsberichtserstattung des Bundes“ (Kruse et al. 2002) sind derzeit 2,4 % von rund 82 Millionen
Tabelle 1: Altersstrukturelle Verschiebungen in der Bevölkerungsentwicklung Deutschlands
Bevölkerung insgesamt in Tausend | 69346 | 81817 | | 83433 |
Quelle: StBA, Bevölkerungsstatistik, 8. koordinierte Vorausberechnung. Aus: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Gesundheitsbericht für Deutschland. Metzler-Poschel, Stuttgart 1998, S. 18, mod.
Tabelle 2: Bevölkerungsentwicklung in Deutschland
- Bevölkerung 2001 (in 1000) (Stand 30.09.2001)
| | m | 40 255 | | | | |
Alter von ... bis unter ... Jahren | | | (Angaben in %) | | | |
1991 | m | 7,1 | 10,1 | 3,2 | 4,1 | 38,9 | 26,2 | 10,4 |
| w | 6,3 | 9,0 | 2,8 | 3,6 | 34,4 | 24,7 | 19,1 |