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E-Book

Der Napoleon der Wirte

AutorRichard Süßmeier
Verlagmvg Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl292 Seiten
ISBN9783864158797
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Richard Süßmeier, eine der markantesten Persönlichkeiten Münchens, ist als der Napoleon der Wirte bekannt, In seiner Biographie erzählt er mit deftig bayerischem Humor und schlitzohrigem Witz, wie er aufstieg vom 'Wirtsbua' zum gefeierten Wiesnwirt, auf dem Höhepunkt abstürzte und seine Wiesn-Konzession verlor. Dieses Tief hat er längst überwunden und ist heute vielseitig engagiert, beispielsweise als gefragter Festredner. Er berichtet von heiteren wie auch tragischen Ereignissen und lässt die Kleinen und die Großen Bayerns Revue passieren, vom schwerhörigen Schneider bis Franz Josef Strauß. Sein Humor macht dieses Buch zu einem außerordentlichen Buch der Lebensfreude.

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Leseprobe

Erstes Kapitel:

Das Licht der Welt

Beim besten Willen kann ich nicht behaupten, dass ich am 22. August 1930 das Licht der Welt erblickte, denn es war Nacht, als es soweit war. Ich könnte höchstens behaupten, dass ich ein elektrisches Licht erblickte, und dass ich froh war, dass ich da war. Meine erste Umgebung war sehr freundlich, und alles war sehr sauber. Anwesend bei meiner Geburt war meine Mama, außerdem noch geschultes Personal der Klinik an der Maistraße.

Ich bin also, um es zusammenzufassen, im August in der Maiklinik in München auf die Welt gekommen. Ich hätte natürlich auch nichts dagegen einwenden können, wenn ich im Mai in der Augustenstraße auf die Welt gekommen wäre. Es gibt Dinge im Leben, die muss man einfach hinnehmen. Obwohl es auch manchmal Dinge gibt, die man nicht hinnehmen kann.

Nach ein paar Tagen Klinikaufenthalt wollte meine Mama wieder nach Hause. Ich hatte nichts dagegen, war sehr gespannt, mein Zuhause kennenzulernen. Das Taxi brachte uns in das Kapuzinereck, einem kleinen Wirtshaus am Baldeplatz. Diese erste Fahrt in meinem Leben, die in ein Wirtshaus führte, sollte richtungsweisend für meine spätere Berufslaufbahn sein.

Zuerst schaute ich, dass ich auf die Beine kam, was mir im Lauf der Zeit auch gut gelang, obwohl mich später so mancher Großkopferte von den Beinen holen wollte. Für meine alsbald fällige Taufe lag die Maximilianskirche günstig, sie war von der Pfarrei her zuständig. Die Maximilianskirche liegt unmittelbar an der Isar, sodass ich mich Zeit meines Lebens rühmen kann, mit echtem Isarwasser getauft worden zu sein.

Ohne mein Einverständnis einzuholen, war für mich der Vorname Josef vorgesehen, da als Taufpate ein Onkel gleichen Vornamens ins Auge gefasst war. Er schied nach längerer Beratung für das Amt des Taufpaten aus, weil die Familie sich erinnerte, dass er schon einmal, nämlich bei der Taufe meines älteren Bruders Ernst den hierfür festgelegten Termin versäumt hatte. Er war kurz nach seiner Ankunft im Münchner Hauptbahnhof beim nahe gelegenen Großwirtshaus Mathäser gestrandet, wo er nach dem Weg zur Kirche fragen wollte.

So fiel das Los auf seine Frau, also auf meine Tante, die sich für diese Aufgabe bereitwillig und gerne zur Verfügung stellte. Allerdings hieß meine Tante Centa und mit diesem Vornamen hätte ich es wahrscheinlich nicht leicht gehabt in meinem späteren Leben. Selbiges ging auch meiner Tante und meiner Mama auf, und sie beschlossen, mich auf den Namen Richard taufen zu lassen. Wenngleich die beiden Schwestern auch sonst nicht immer einer Meinung waren, in diesem einen Falle waren sie ein Herz und eine Seele: Sie schwärmten beide für den soeben in München gastierenden weltberühmten Tenor Richard Tauber.

Da hatte ich zum ersten Mal richtiges Glück in meinem Leben. Denn gleichzeitig sang für die Münchner der nicht minder berühmte Beniamino Gigli. Obwohl: Beniamino Süßmeier wäre auch nicht von schlechten Eltern gewesen.

Nach der Taufe ging es wieder zurück in das Kapuzinereck, dem kleinen Gasthaus, das meine Eltern als Wirtsleute betrieben. Mein Vater war ein ausgezeichneter Metzger und Wirt, meine Mama eine exzellente Köchin, besser hätte ich es nicht treffen können. Als Bodyguard diente mir eine gutmütige Dogge, die Alma, die nur einen Nachteil hatte, nämlich den, dass sie mir hin und wieder die Wiener Würstl wegfraß, die man mir in die Hand gedrückt hatte.

Ein Jahr nach meiner Geburt bekam ich Gesellschaft in Gestalt meines jüngeren Bruders Walter. Nun wurde das Kapuzinereck für uns alle zu eng, und meine Eltern bewarben sich für den geräumigeren Straubinger Hof in der Blumenstraße.

Auf diese Weise bekam ich im Juli 1932 eine neue Adresse. Ich war knapp zwei Jahre alt. Unsere Wohnung lag im Rückgebäude des Wirtshauses, und ich wuchs in den ersten Jahren mit bayerischem Bier und bayerischen „Schmankerln“ auf. Sie müssen schon lang suchen, bis Sie sich zum Ursprung des Wortes „Schmankerl“ durchgelesen haben. In den g’scheiten Büchern wird der Begriff als „Leckerbissen“ erklärt. Doch das Wort „Leckerbissen“ kommt einem Bayern schwer über die Lippen. Das liegt weniger am „Bissen“, denn so wie wir sagen:

„I hob heit no koan Tropfa trunka“,

sagen wir auch:

„I hob heit no koan Biss’n obibracht“,

weil man am Vortag möglicherweise zu viele „Leckerbissen“ obidruckt, auf Hochdeutsch: „vertilgt“ hat. „Lecker“, so was sagt ein Bayer nicht – nicht ums Sterben.

Er sagt, wenn er schon loben will, vielleicht

„Guat schmeckt’s“,

aber „lecker“, nein, lieber beißt er sich die Zunge ab. „Lecker“ gibt’s für einen Bayern nur in dem einzig möglichen Zusammenhang: „der kann mi am A… lecka.“

Woher der Leckerbissen kommt, das wissen wir. Aus dem Norden und dem Westen Deutschlands. Im Rheinland gibt es sogar – Sie werden es nicht für möglich halten – lecker Jungs.

Als Kind war ich immer davon überzeugt, kein anderer würde seinen Beruf so gut ausüben wie mein Vater oder meine Mutter. Die Würste, die mein Vater gemacht hat, waren die besten überhaupt. Meine Mutter hat am besten gekocht, keine Frage: Die Mutter war die beste Köchin, und der Vater war der beste Metzger. Es gab damals kaum eine Wirtschaft in München, wo der Wirt nicht selber seine eigenen Wurstwaren hergestellt hätte. Der Vater ist von seinen Gästen sehr honorig behandelt worden. Er war lustig, fröhlich, hat die Leut’ immer unterhalten. Er war für sie nur „der Michl“. Viele Geschichten hat er erzählen können, und auch selber einige erfunden, deftige G’schichterl. Die Mama wollte nicht, dass wir ins Lokal hinausgehen und die Sprüche der Gäste oder gar die meines Vaters hören. Die waren mehr für ausgewachsene Mannsbilder gedacht: Herrenwitze würde man wohl sagen.

Meine Mutter war sehr abhängig von meinem Vater. Er war derjenige, der, wenn man es hochtrabend formulieren würde, die Politik bestimmt hat. Was der Vater gesagt hat, das ist dann auch gemacht worden. Es wurde zwar vieles untereinander besprochen – aber die „Richtlinien“ der Politik hat der Vater festgelegt. Er war auch Vorstand beim Verein der Gastwirtsmetzger sowie Obmann der Wirtschaftsgruppe Gaststätten, so hieß das im Dritten Reich. Da habe ich dann mit ihm und meinem älteren Bruder Ernst Informationsblätter und Benachrichtigungen verteilt, im Dritten Reich ist ja alle Augenblicke irgendeine Information rausgegangen. Und so habe ich dann diese ganzen Wirtshäuser in dem Bezirk, in dem mein Vater Obmann war, kennengelernt. Und habe sie heute noch im Kopf. Die Wirtshäuser, die gar nicht mehr existieren.

Der Vater hat es zu etwas gebracht. Er ist aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekommen, war verwundet, hatte zu dieser Zeit noch keinen Beruf. Später hat er sich dann emporgearbeitet. Er wollte mehr, wollte immer weiter aufsteigen. Wir waren überzeugt, dass wir eines Tages eine größere oder eine große Wirtschaft bekommen. Das hat er in mich hineingelegt.

Mein erster Vorsatz in meinem Leben war, die größtmögliche Unabhängigkeit zu erreichen. Ganz unabhängig ist man nie auf der Welt, man ist immer von allem Möglichen abhängig. Ich habe das nach dem Tod meines Vaters spüren müssen, dass man meistens der Dumme ist, wenn man abhängig ist. Derjenige, der möglichst unabhängig aufrecht steht, führt ein ganz anderes Leben – als g’standenes Mannsbild. Die größtmögliche Unabhängigkeit, das war es, was ich erreichen wollte. Unabhängig sein, selbstständig sein.

Ich will Ihnen zwei Beispiele geben: Meine Frau Gitta, unsere zwei Kinder, Michael und Barbara, und ich wohnten Anfang der sechziger Jahre in der Schleißheimer Straße. Eines Tages wollten die Kinder hinaus zum Spielplatz hinter dem Haus. Doch die rückwärtige Türe war zugesperrt, weil die Hausmeisterin der Meinung war, die Kinder würden zu viel Dreck hereintragen. Sie hatte die Tür einfach abgesperrt. Jetzt mussten die Kinder immer vorne die Ausfahrt der Tiefgarage überqueren, und das war sehr gefährlich, weil die Autos mit hoher Geschwindigkeit herauf fuhren. Da habe ich mir gesagt: Nein, ich werde dafür sorgen, dass wir nie mehr von einer Hausmeisterin abhängig sind.

Jetzt ein zweites Beispiel: Unser Wirtshaus, der Straubinger Hof, war zur Hälfte zerbombt, die rückwärtige Seite mit dem Stiegenhaus lag in Trümmern, notdürftig war einiges wieder aufgebaut worden, und wir hatten eine Wohnung im ersten Stock, mit einem Ofen im Bad, den man mit Briketts geschürt hat. Meine Mutter verlangte daher von der Brauerei einen Durchlauferhitzer. Da sagte der von der...

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