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Die deutsche Sprache

Ursprünge, Entwicklung und Wandel

AutorHerbert Genzmer
Verlagmarixverlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783843805636
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Wir erleben heute durch neue Wanderungen von Menschen eine rasante Veränderung von Sprache, die sich vor unseren Augen und Ohren vollzieht. Was die Sprache an sich, was die deutsche Sprache im Speziellen und was sie zu leisten in der Lage ist, dokumentiert der renommierte Sprachwissenschaftler Herbert Genzmer. Der Schriftsteller und Germanist zeigt die enorme Virtuosität sowie Anpassungsfähigkeit von Sprache auf und stellt die Verwandtschaftsbeziehungen der deutschen Sprache zu anderen Sprachen her. Genzmer beleuchtet die historische Entwicklung vom Indoeuropäischen, über das Alt-, Mittel-, Frühneuhoch- und Neuhochdeutsche, bis hin zu den aktuellen Veränderungen durch neue Kommunikationsmedien. Eine kompakte Einführung in unsere Sprache. Übersichtlich wie ein Lexikon, spannend und unterhaltsam wie ein Roman.

Herbert Genzmer (geb. 1952) ist Schriftsteller und Germanist. Er studierte in Berlin, Düsseldorf und Köln Anglistik, Linguistik und Kunstgeschichte. 1987 folgte die Promotion an der University of California, Berkeley. Herbert Genzmer ist Autor zahlreicher Publikationen bei nationalen und internationalen Verlagen. Er lebt heute als Dozent und freier Autor in Berlin und Tarragona, Spanien.

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Leseprobe

Sanskrit

»Die Sprache des Sanskrit, wie alt sie auch sein mag, ist von wundervoller Struktur. Sie ist perfekter als das Griechische, ergiebiger als das Lateinische und verfeinerter und kultivierter als beide, obwohl sie mit beiden starke Verwandtschaftsbande sowohl in den Stämmen der Verben als auch in der Form der Grammatik unterhält. Das kann kein Zufall sein. Die Bande sind tatsächlich so stark, dass kein Philologe sie je untersuchen könnte, ohne zu dem Schluss zu gelangen, sie alle müssten von einer gemeinsamen Quelle stammen, die, mag sein, auch nicht mehr existiert.« (Jones 1786)

Aus der Kenntnis dieser und weiterer Sprachen schloss man auf eine ihnen zugrunde liegende Grundsprache, die aus den bekannten Sprachen rekonstruiert wurde. Indoeuropäisch ist also eine von Sprachwissenschaftlern des 19. Jh.s ausschließlich durch Rekonstruktion bekannte prähistorische Sprache. Dokumente in dieser Sprache gibt es nicht.

Völker wandern


Bestimmte Zweige der historischen Sprachwissenschaften betrachten Sprache als einen von Sprechern unabhängigen Mechanismus oder gar als eigenständigen Organismus. Dabei sind alle Veränderungen, die Sprachen erleben, unabdingbar verbunden mit den Menschen, die diese Sprachen benutzen. Wie sonst sollte man sich den Zerfall einer Sprache und das Entstehen verschiedener neuer Sprachen aus den Resten der anderen vorstellen? Natürlich dauert ein solcher Veränderungsprozess, denn um einen solchen handelt es sich ja und keineswegs um ein Produkt, wie man oft glauben lassen möchte, lange Zeit. So verhält es sich auch mit dem Indoeuropäischen, der Ursprache zahlloser europäischer und asiatischer Sprachen. Dabei war schon diese vermeintliche Ursprache keine isolierte Sprache, sondern stand bspw. in Kontakt mit dem Babylonischen, von dem sie höchstwahrscheinlich die Ahnen der deutschen Wörter Stern und Beil und überdies die Grundlagen für ihr duodezimales Zählsystem entlehnte.

Seit ca. 2000 v. Chr. drangen indoeuropäische Völker in die Mittelmeerwelt vor und behaupteten sich in Form neuer indoeuropäischer Reiche neben den schwächer werdenden alten. Auch semitische Völker nutzten den Niedergang der herrschenden Mächte und drangen in deren Gebiete vor – eine Zeit großer Auseinandersetzungen im mittelmeerisch-orientalischen Raum begann. Es war eine wesentliche Begleiterscheinung dieser Entwicklung, dass für mehr Menschen weniger Raum zur Verfügung stand und die politisch-kulturellen Verflechtungen von Völkern und Staaten weitaus enger geworden waren als zuvor. Nach dem Jahr 2000 v. Chr. drangen indoeuropäische Stämme wie Ionier und Achäer in Griechenland ein und gründeten Fürstentümer wie Mykene, Tiryns oder Athen. Diese mykenischen Kulturen hatten etwa von 1600–1200 v. Chr. Bestand. Von dort aus begann ein reger Handel mit den umliegenden Inseln. 1425 v. Chr. eroberten die Achäer zudem Kreta. In der Folge wurden stark befestigte Burgen wie Mykene angelegt, mit gewaltigen Kyklopenmauern und Fresken nach kretisch-minoischem Vorbild. Die Toten begrub man nun in Kuppelgräbern. Kreta und der Peloponnes erlebten mit der kretisch-mykenischen Kultur eine Blütezeit.

Kleinasien wurde seit etwa 1200 v. Chr. von Stämmen erobert, die Kleinstaaten gründeten und sich später zum hethitischen Reich zusammenschlossen. Teile der ostindoeuropäischen Arier drangen bis nach Indien vor und unterwarfen dortige Kulturen. Ein anderer Zweig dieser Gruppe, Meder und Perser, siedelten sich in Mesopotamien an, gewannen aber erst circa tausend Jahre später an Bedeutung. Mit der Zweiten Indoeuropäischen Völkerbewegung setzte die Dorische Wanderung ein, die für die Bildung der antiken griechischen Staatenwelt entscheidend werden sollte. Die Dorer unterwarfen die Achäer, während die Ionier sich in Attika behaupteten. Gleichzeitig wurde das hethitische Reich von thrakisch-phrygischen Stämmen vernichtet und das phrygische Reich gegründet, welches wiederum um 700 v. Chr. von den Lydern abgelöst wurde. Nach Abschluss der Zweiten Indoeuropäischen Wanderung waren Griechenland, Kleinasien und Italien besiedelt, und die Grundlage für die griechische und die römische Geschichte war geschaffen.

Zeittafel der Völkerwanderungen

seit 2000 v. Chr.

Erste Indoeuropäische Völkerwanderung

1800–1200 v. Chr.

Hethiter in Kleinasien

seit 1600 v. Chr.

Wanderung der Arier nach Indien

1425 v. Chr.

Die Achäer erobern Kreta

seit 1200 v. Chr.

Zweite Indoeuropäische Völkerwanderung

um 375 n. Chr.

Einfall der Hunnen ins Siedlungsgebiet der Goten am Schwarzen Meer und Beginn der germanischen Völkerwanderung

476 n. Chr.

Zerfall des weströmischen Reichs

5. Jh. n. Chr.

Beginn der Besiedlung Britanniens durch die Angelsachsen; Terwingen/Westgoten besiedeln Gallien, werden aber von den Franken nach Hispanien verdrängt

488–493 n. Chr.

Einfall der Ostgoten in Italien und Reichsbildung unter Theoderich dem Großen

um 500 n. Chr.

Expansion der Franken in Gallien unter Chlodwig I.

568 n. Chr.

Die Langobarden besiedeln Oberitalien – die germanische Völkerwanderung endet

In Bezug auf die Sprachentwicklung ist all dies ein äußerst vielschichtiger und komplizierter Prozess, der nur wenig mit den klaren und sauberen Stammbäumen der Philologen zu tun hat. Verschiedene in Kontakt stehende Sprachen beeinflussten sich gegenseitig durch Entlehnungen, veränderte Aussprache und immer neue Sachzusammenhänge in der Welt.

In den folgenden Jahrhunderten gelangten andere Gruppen von Stämmen wie Chauken, Angrivarier, Hermunduren, Semnonen oder Cherusker nach Nordwesteuropa, in die westliche Gegend der Ostsee, nach Südschweden, Dänemark und Schleswig-Holstein. Hier entwickelte sich im Laufe der Zeit aus dem Dialekt und der Dialektmischung dieser Stämme eine neue Sprache: das Germanische. Zugleich ereignet sich eine ähnliche Entwicklung wie im Süden und Südosten: Es müssen bereits Stämme ansässig gewesen sein, die die Sprache der Eroberer lernten und durch ihren eigenen Sprachgebrauch gleichzeitig veränderten. Zunächst für sich, dann, im Außenkontakt, immer umgreifender.

Völkerwanderungen und die Mischung von Stämmen gab es bis ins Mittelalter hinein, man bezeichnet das 5. Jh. als Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter, eine historische Konstante – vom Einfall der Hunnen ins Gotenreich 375 n. Chr. über die Besiedlung Britanniens durch ein Völkergemisch aus Angeln, Sachsen und Jüten, bis zum Zug des germanischen Stamms der Langobarden nach Italien im Jahr 568 n. Chr. Die Ursachen, die zu dieser lang andauernden, gewaltigen und umwälzenden Bewegung der Völker führten (und heute in neuer Dimension immer noch führen), die Kulturen und Sprachen mischten, gründeten und zerstörten, sind vielseitig: beschleunigtes Bevölkerungswachstum, kriegerische Konflikte mit anderen Völkern oder die Anziehungskraft, die durch die Wirtschafts- und Kulturräume der Griechen und Römer ausgeübt wurde, sind nur einige davon. In der ausgehenden Spätantike ist dieser Prozess zudem gekoppelt an den Zerfall der römischen Verwaltungs- und Militärstrukturen bzw. an das dadurch entstehende Machtvakuum in vielen Teilen Europas.

Germanische Stämme (eine Auswahl)

CHATTEN, lat. Chatti, siedelten im Bereich der Täler von Eder, Fulda und Lahn, also in dem, was heute Nordhessen ist. Möglicherweise – denn die Schreibung ›Ch‹ wurde /x/ gesprochen –, leitet sich der Name »Hessen« von diesem Stamm her.

CHAUKEN, lat. Chauci, siedelten beidseits der Weser. Laut Tacitus gehörten sie zur Gruppe der Ingaevonen.

ANGRIVARIER (oder Engern), lat. Angarii, siedelten an der mittleren Weser und an der Aller, also nördlich der Chauken, in dem, was heute als Lüneburger Heide bekannt ist.

BRUKTERER, lat. Bructeri, lebten im 1. Jh. ursprünglich zwischen Ems und Lippe. Sie waren ein kriegerischer Stamm, der aber zum Teil im fränkischen Stammesverband aufging.

HERMUNDUREN siedelten am Oberlauf der Elbe. Sie zählen zur Gruppe der Elbgermanen oder Hermionen, die den...

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