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E-Book

Die große Verschleierung

Für Integration, gegen Islamismus

AutorAlice Schwarzer
VerlagVerlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783462303483
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,49 EUR
Moscheen-Streit. Kopftuch-Debatte. Scharia. Islamkonferenz ... Ein Buch, das aufklärt. Die große Verschleierung: ein Buch über die Hindernisse erfolgreicher Integrationspolitik, über die politisch-symbolische Dimension der Verschleierung muslimischer Frauen, aber auch über die Verschleierung der islamistischen Gefahr durch Kulturrelativisten in deutschen Medien. Die Debatten über den wachsenden Einfluss islamischer Kreise nicht nur in Deutschland werden immer heftiger. Alice Schwarzer, die im Jahr 2002 mit ihrem Buch »Die Gotteskrieger« (KiWi 683) Zeichen gesetzt hat, hat sich auch in den folgenden Jahren immer wieder zur islamistischen Gefahr zu Wort gemeldet. »Die große Verschleierung« versammelt nun zahlreiche dieser politischen Interventionen und gibt ein genaues Bild vom heutigen Stand der kritischen Auseinandersetzungen über den Islamismus in Deutschland, in Frankreich und in islamischen Ländern (wie z.B. Algerien). Die Themen reichen vom Schweizer Minarettverbot und der deutschen Kopftuchdebatte bis zu den französischen Diskussionen über die Rolle der Burka in der Öffentlichkeit. Außerdem: die Unruhen in den Pariser Vorstädten, die Strategien islamistischer Agitation z.B. im Internet, die Rolle der Konvertitinnen. Die Grenzlinie zwischen dem Islam als Religion und dem politischen Islamismus bleibt dabei immer im Blick, wenn diese auch zusehends schwerer zu ziehen ist. Alice Schwarzers Texte werden durch Untersuchungen und Berichte zahlreicher Co-Autorinnen von Djemila Benhabib bis Elisabeth Badinter und Necla Kelek ergänzt. Mit Beiträgen u.a. von: Elisabeth Badinter, Djemila Benhabib, Rita Breuer, Cornelia Filter, Carola Hoffmeister, Necla Kelek, Chantal Louis, Khalida Messaouidi-Toumi, Katha Pollitt, Annette Ramelsberger, Gabriele Venzky, Martina Zimmermann.

Alice Schwarzer, geboren 1942 in Wuppertal, lebt in Köln und Paris. Sie begann nach einem Volontariat bei den Düsseldorfer Nachrichten ihre publizistische Arbeit 1969 als Reporterin bei Pardon. 1969-74 politische Korrespondentin in Paris. 1975: »Der kleine Unterschied und seine großen Folgen«, 1977: Gründung der Zeitschrift Emma. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, u.a. »Eine tödliche Liebe - Petra Kelly und Gert Bastian« (1994), »Marion Dönhoff - ein widerständiges Leben« (1996), »Romy Schneider - Mythos und Leben« (1998), »Lebenslauf« (2011), »Der Schock - die Silvesternacht von Köln« (2016), »Meine algerische Familie« (2018), »Lebenswerk« (2020) und mit Chantal Louis »Transsexualität« (2022).

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Leseprobe

Alice Schwarzer / Was hinter dem Schweizer Minarett-Verbot steckt


Im Laufe des Jahres 2009 war ich mehrfach in der Schweiz und in Österreich unterwegs. Und immer wieder war da der Islam Hauptthema, hinter verschlossenen Türen wie bei öffentlichen Diskussionen; genauer: der Islamismus, diese politische Instrumentalisierung des Glaubens. Wenn Intellektuelle, JournalistInnen oder PolitikerInnen mit mir darüber sprachen, schlossen sie meistens die Türe und senkten die Stimme. Wie ich denn die Entwicklung so einschätze – und was man in ihrem Land wohl tun könne … Ihnen selbst seien leider die Hände gebunden, denn jede Kritik am Islamismus sei ja so leicht misszuverstehen als Islamophobie, ja Rassismus.

Ich entgegnete jedes Mal freiheraus, sie sollten nur keine Scheu haben. Die Kritik an einem demokratie- und emanzipationsfeindlichen Islamverständnis sei doch selbstverständlich, auch für aufgeklärte MuslimInnen. Und nur die Minderheit der Islamisten wolle das missverstehen. Die Mehrheit der MuslimInnen wäre hoch erleichtert, wenn diese auch sie bedrängenden Fanatiker und Gotteskrieger endlich in die Schranken gewiesen würden. Sie, die MuslimInnen, seien schließlich die ersten Opfer der Islamisten.

Vor allem aber erwiderte ich den Zaghaften: Mit einer offenen und aufgeklärten Kritik an dieser Entwicklung sprecht ihr auch der Mehrheit der Bevölkerung aus dem Herzen. Denn die Menschen in der Schweiz oder in Österreich, in Deutschland oder in Frankreich, haben zu Recht ein steigendes Unbehagen. Und sie sind es langsam leid, dies im Namen einer falschen Toleranz und bigotten Liberalität unterdrücken zu müssen.

2009 also hat es in der Schweiz gesprochen, das Volk – und ein Aufschrei ging durch das Europa der Medien und Politik. Am 29. November haben bei einer Volksabstimmung 57 Prozent aller SchweizerInnen für ein Verbot des Baus von Minaretten gestimmt, darunter, heißt es, auffallend viele Junge und Frauen.

Der Volksabstimmung war eine polemische, hoch populistische Kampagne vorausgegangen, die Minarette als Gewehrläufe darstellte und Parallelen zur Burka zog. Nicht zuletzt darum waren sich im Vorlauf zur Abstimmung alle guten Schweizer ganz sicher: Das Verbot kommt nicht durch. Auch kannten sie selbst niemanden, der dafür gewesen wäre.

Und nun? Schock. Was sollen nur die anderen von uns denken? Werden die Muslime der Welt jetzt etwa beleidigt sein? (Und keine Geschäfte mehr mit uns machen?) Sind die Schweizer ein besonders dummes, islamophobes, rassistisches Volk? Und was wird Europa dazu sagen?

Als Erste distanzierten sich in der Tat europäische Spitzenpolitiker. Er sei »ein wenig beleidigt darüber«, dass die Schweiz so »intolerant« sei, ließ der multikulturelle französische Außenminister Bernard Kouchner wissen. Und die fortschrittliche schwedische Justizministerin Beatrice Ask erklärte: »Ich glaube an die Freiheit. Und ich denke nicht, dass wir ein neues Europa ohne das Recht auf Meinungsäußerung bauen können.«

Nun, dass jetzt auch schon die Franzosen bei Kritik am Islam »beleidigt« sind und die Schweden beim Minarett-Verbot die »Meinungsfreiheit« gefährdet sehen, überrascht. Denn selbstverständlich dürfen auch in der Schweiz in Zukunft Moscheen (ohne Minarette) gebaut werden und wird kein Muslim daran gehindert zu beten.

Noch verwunderlicher aber sind die Reaktionen einiger deutscher Blätter. So ist das Schweizer Volksvotum für die Hamburger Zeit »ein schwarzer Tag für Europa, für den Westen und für die Freiheit«. Und der Berliner Tagesspiegel ortete gar einen »Rückfall hinter die Errungenschaften der Aufklärung« und einen »krachenden Tritt gegen Vernunft und Wissen«.

Nur die Bild-Zeitung, als erfolgreiches Boulevardblatt verpflichtet, die Hand am Puls des Volkes zu haben, vermeldete am 2. Dezember triumphal: Von 169.600 abgegebenen Stimmen seien 82 Prozent der Bild-LeserInnen ebenfalls für ein Verbot von Minaretten gewesen – um zwei Tage darauf zurückzurudern mit der Schlagzeile: »Deutsche sind gegen ein Minarett-Verbot«. Was war geschehen? Bild am Sonntag hatte eine repräsentative Emnid-Umfrage in Auftrag gegeben. Und danach plädierten nur noch 38 Prozent der Deutschen für ein Minarett-Verbot (und 48 dagegen). Bild-Leser sind also stärker gegen Minarette als andere.

Große Aufregung. Allein, die meiner Meinung nach wichtigste Frage wurde bisher kaum gestellt: Warum haben 57 Prozent der SchweizerInnen sich für das Minarett-Verbot entschieden? Was steckt hinter dieser rigorosen Ablehnung von Türmen aus Stein, von denen aus der Muezzin zum Gebet ruft? Denn das ist doch klar: So ein Minarett tut eigentlich niemandem weh – zumindest solange es sich nicht demonstrativ machtvoll (wie in Köln) oder via Lautsprecher lärmend (wie in Rheinfelden an der Schweizer Grenze) in den Himmel reckt.

Nein, hinter dieser Minarett-Abstimmung steckt natürlich viel mehr: nämlich das ganze Unbehagen! Das Unbehagen an den Gottesstaaten und ihren Steinigungen und Selbstmordattentaten. Das Unbehagen an der (Zwangs-)Verschleierung von Frauen selbst mitten in Europa. Das Unbehagen an der Zwangsverheiratung von hierzulande aufgewachsenen Töchtern und Söhnen. Das Unbehagen an der statistisch nachweisbaren höheren Gewalt in traditionellen muslimischen Familien. Das Unbehagen an der Relativierung von Emanzipation und Rechtsstaat, ja der ganzen Demokratie – und das im Namen »anderer Sitten« und eines »wahren Glaubens«. Kurzum: die Sorge um die in den letzten 200 Jahren so mühsam und blutig erkämpften Menschenrechte im Westen.

Über dieses Unbehagen muss endlich öffentlich geredet werden! Von Journalisten wie Politikern, hinter deren angeblicher »Toleranz« gar zu oft ganz einfach Angst steckt: Angst vor Kontroversen, Angst vor gewalttätigen Islamisten und, last but not least, Angst vor wirtschaftlichen Einbußen, denn die Geschäfte mit den islamischen Ländern florieren.

Doch die Debatte lässt sich nicht länger gewaltsam unterdrücken. Umfragen belegen: Die Mehrheit der Europäer (55 Prozent) sieht im Islam heute eine »Religion der Intoleranz«. Und 78 Prozent stimmen dem Satz zu: »Die muslimischen Ansichten über Frauen widersprechen unseren Werten.« (Die restlichen 22 Prozent sind der bekannte harte Kern der Frauenverachter auch in unserer Kultur.)

Nicht anders sieht das zum Beispiel die Alevitische Gemeinde Deutschland e.V., sie sind die Liberalen unter den organisierten Muslimen. Sie warnt »nachdrücklich davor, das Abstimmungsergebnis als bloße Islamophobie oder gar Ausländerhass zu interpretieren«. Die Schweizer Volksabstimmung sei »vielmehr Ausdruck eines zunehmenden Gefühls der Verunsicherung weiter Teile der Bevölkerung, nicht nur in der Schweiz. Diese Verunsicherung durch einen politisch instrumentalisierten Islam verspüren insbesondere auch alevitische Menschen in Europa. Dieser Umstand muss von der Politik endlich ernst genommen werden. Denn die Gründe hierfür sind alles andere als irrational.«

Ali Ertan Toprak, der 2. Bundesvorsitzende der Alevitischen Gemeinde, fährt fort: »Eine Tabuisierung dieser Ängste sowie die politische Verunglimpfung von berechtigter Kritik am Islam als Religion und Islamverbänden als deren Repräsentanten in Europa schadet in allererster Linie den in Europa lebenden Muslimen selbst.«

So ist es. Und das wird von vielen seit 30 Jahren – seit Beginn des Siegeszuges des Islamismus nach dem Sieg Khomeinis im Iran – ignoriert: dass das Gewährenlassen oder gar der falsche Dialog mit den Islamisten alle anderen Menschen aus dem muslimischen Kulturkreis diesen Fanatikern nur noch stärker ausliefert. Mit ihnen, mit der Mehrheit der – noch – friedliebenden, demokratisch gesinnten MuslimInnen auf der Welt, müssen wir solidarisch sein!

Es war in der Minarett-Debatte keine große Überraschung, dass der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan die schärfsten Worte fand. Er erklärte: Islamophobie sei wie Antisemitismus ein »Verbrechen gegen die Menschlichkeit«. Die Schweizer Volksabstimmung sei ein Zeichen der »zunehmenden rassistischen und faschistischen Haltung in Europa«. Und er riet, klar, seinen Landsleuten zu einem Wirtschaftsboykott und zur Auflösung von Schweizer Konten.

Dabei hat niemand so beunruhigend wie Erdogan die Funktion von Minaretten benannt. So zitierte er 1998 zustimmend den türkischen Dichter Ziya Gökalp mit den Worten: »Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.« Das war vor elf Jahren, da war Erdogan noch Bürgermeister von Istanbul. Für diese Worte schickten ihn die laizistischen türkischen Richter zehn Monate ins Gefängnis – wo der Islamist angeblich eine wundersame Wandlung erfuhr oder vielleicht auch nur seinen Sprachgebrauch änderte.

Seit er in die EU will, hat der offen islamistische Präsident der Türkei den Ton (meist) geändert, auch wenn seine Frau weiterhin islamistisch verschleiert ist (haarverdeckendes Kopftuch und knöchellanger Mantel) und seine Töchter im Ausland studieren, weil sie in der laizistischen Türkei an der Uni kein Kopftuch tragen dürfen. Was sich ändern würde, wenn die Türkei in die EU einträte. Dann herrscht auch dort »Religionsfreiheit« – das heißt freie Fahrt für die Islamisten.

Also: viele sehr gute Gründe für alle Menschen in Europa, endlich offen über ihr Unbehagen an einem demokratiefeindlichen Islamverständnis reden zu können – und nicht länger hinter verschlossener...

Blick ins Buch

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