MARKGRAF LEOPOLD III. »DER HEILIGE«
(1073–1136)
»Während der langen, kaum von Kriegsereignissen überschatteten Regierungsperiode dieses Fürsten wurde Österreich zu einem ›Land‹«. (Heide Dienst 1985)
Am 6. Januar 1485 wurde Markgraf Leopold III. als einziger Angehöriger des Geschlechts der Babenberger heiliggesprochen. Er war einer der Bedeutendsten seiner Familie und interessanterweise auch einer der Friedfertigsten. Später wurde er mit verschiedenen Beinamen bedacht. Neben »dem Heiligen« wurde er später auch »der Milde« oder »der Fromme« genannt. Leopold folgte seinem Vater Leopold II. 1095 als Markgraf während einer Entspannungsphase des Investitur streits.
Leopold III. wurde höchstwahrscheinlich 1075 in Melk geboren, wo sein Vater zu jener Zeit residierte. Dieser war mit Itha, aus dem Geschlecht der Formbacher Grafen, vermählt. Leider ist – wie meistens bei weiblichen Persönlichkeiten aus jener Zeit – sehr wenig über die Markgräfin und Mutter eines zukünftigen »Heiligen« bekannt. Leopolds Vater Markgraf Leopold II. hatte politisch und militärisch nicht immer glücklich agiert und war durch seine Parteinahme für das Papsttum im Investiturstreit kurzfristig sogar abgesetzt worden. Auch die unglückliche Schlacht bei Mailberg 1082 gegen die Böhmen zählt nicht gerade zu den Glanzlichtern der Babenberger-Geschichte, die mit dieser Niederlage fast beendet worden wäre. Schließlich musste sich Leopold II. dem ebenfalls eher glücklosen König Heinrich IV. unterwerfen, um sein Markgrafenamt zu retten. Sein Sohn sollte in politischen Entscheidungen mehr Instinkt beweisen. Leopolds Mutter Itha war angeblich sehr fromm und gottergeben und kam vermutlich bei einem Kreuzzug im Jahre 1101 ums Leben. Eine Legende berichtete, sie sei von einem Sarazenenfürsten gefangen genommen und zur Ehe mit ihm gezwungen worden.
Die Erziehung des jungen Leopold dürfte für mittelalterliche Verhältnisse nicht allzu schlecht gewesen sein. Sein politisches Geschick und seine persönliche Frömmigkeit dürften dadurch wohl stimuliert worden sein. Nach dem Tod seines Vaters am 12. Oktober 1095 übernahm der damals vermutlich 20 Jahre alte Leopold III. die Markgrafschaft und verlegte seinen Herrschersitz nach Klosterneuburg. Hier errichtete er auch eine neue Burg, von der allerdings heute nur wenige Überreste existieren. Dank der Untersuchung der Reliquien Leopolds III. ist bekannt, dass er ein für seine Zeit groß gewachsener Mann von etwa 180 cm war, einen athletischen Körper mit starken Knochen besaß und dunkles Haar hatte. Man hat sogar versucht, seine Gesichtszüge zu rekonstruieren, was eine durchaus ansehnliche Erscheinung ergab. Der junge Markgraf soll sich zunächst auch mit dem Gedanken getragen haben, selbst am ersten Kreuzzug teilzunehmen, der zu jener Zeit seinen Anfang nahm, entschied sich aber letztlich, sich nicht diesem Risiko auszusetzen. Das war vielleicht die erste seiner klugen und überlegten Entscheidungen, die sein Erfolgsrezept werden sollten. Da zu jener Zeit auch der Investiturstreit zwischen Kaiser und Papst tobte, musste Leopold III. auch hier Stellung beziehen. Er war dabei auch sehr vorsichtig und gab sich als Anhänger von Kaiser Heinrich IV., ohne sich selbst zu exponieren. Schließlich war er offensichtlich sehr religiös und wollte es sich auch nicht mit dem Papsttum völlig verderben.
Leopold III. war von Anfang seiner Regierung an bemüht, seine Stellung in der Markgrafschaft auszubauen und zu stärken. Er hatte auch das Glück, dass im Laufe der Zeit einige österreichische Geschlechter ausstarben und er ihren Besitz übernehmen konnte. Im Fall der Ermordung des Grafen Sieghard von Schala-Peilstein-Burghausen durch niedrige Adelige auf dem Reichstag in Regensburg könnte es vielleicht auch so sein, dass der »heilige« Leopold vielleicht etwas nachgeholfen hat. Immerhin ging das Grafenamt des Ermordeten an ihn über.
Es ist nicht ganz unumstritten, wann sich Leopold zum ersten Mal verheiratete. Er muss jedoch vor 1103 Adelheid von Perg/Machland geheiratet haben, die aus einem oberösterreichischen Geschlecht stammte. Durch diese Heirat konnte der Markgraf seinen Einfluss in den Gebieten nördlich der Donau verstärken. Leider ist über diese erste Gemahlin Leopolds III. sehr wenig bekannt, sie starb jedoch bereits nach kurzer Ehe, nachdem sie dem Markgrafen dessen ersten Sohn Adalbert geboren hatte.
Der Markgraf heiratete 1106 in zweiter Ehe Agnes von Waiblingen, die eine Tochter Kaiser Heinrichs IV. war. Agnes war bereits verwitwet, denn ihr erster Gemahl Friedrich I., der Herzog von Schwaben, war im April 1105 verstorben. Trotz dieses Umstands bedeutete Leopolds Heirat mit einer Kaisertochter eine bedeutende Standeserhöhung für einen Markgrafen. Er war nun mit den Saliern versippt und stand damit in der ersten Reihe der Aristokratie des Reiches. Leopold erhielt auch fast folgerichtig einige zusätzliche königliche Rechte übertragen. Zu diesem Aufstieg des Markgrafen soll angeblich auch sein nicht ganz unumstrittener Seitenwechsel im Jahre 1105 vor der wichtigen Entscheidungsschlacht zwischen Kaiser Heinrich IV. und dessen aufständischem Sohn, dem späteren Heinrich V., beigetragen haben. Leopold III. ging einfach zu Heinrich V. über und bewies damit einen guten Instinkt. Inwieweit diese Entscheidung wirklich die Niederlage des Kaisers gegen seinen Sohn herbeiführte, scheint schwer nachvollziehbar, doch der unglückliche Heinrich IV. musste fliehen und starb ein Jahr später ziemlich erbärmlich. Durch die Parteinahme Leopolds für Heinrich V. kam letztlich eine Entwicklung zustande, welche die Belehnung des Sohnes des Markgrafen mit dem Herzogtum Bayern und letztlich die Herzogswürde für Österreich zur Folge hatten.
Ein weiterer positiver Aspekt, der sich für Leopold durch die Heirat mit der Kaisertochter ergab, war der Umstand, dass seine Gemahlin beträchtliche finanzielle Mittel in die Ehe einbrachte. Nun konnte der Markgraf auch großzügige Schenkungen an kirchliche Institutionen, wie das Kloster Melk, vornehmen und einige neue Klöster gründen. Auch der Ausbau seiner Klosterneuburger Burg, die schließlich den Charakter einer regelrechten Königspfalz hatte, konnte mit den Mitteln von Agnes durchgeführt werden.
Leopold III. tat auch einiges für die wirtschaftliche Entwicklung seines Territoriums. So kümmerte er sich auch um die Münzprägung und ließ in Krems eine Münzprägestätte einrichten. Hier wurde der sogenannte Kremser Pfennig geprägt, der überregional am Geldmarkt nicht ganz unbedeutend werden sollte. Zur Erschließung und Binnenkolonisation trug er am meisten wohl durch die Errichtung der Klöster bei. Zu jener Zeit scheinen in Österreich sehr große Waldgebiete abgeholzt worden zu sein.
Eine von Leopolds III. Großtaten ist sicherlich die Gründung des Stiftes Klosterneuburg. Dazu gibt es die sogenannte »Schleierlegende«. Der Markgraf soll bald nach seiner Vermählung mit Agnes, die meistens als sehr fromm beschrieben wird, an einem hohen, weit vorspringenden Fenster seiner neu errichteten markgräflichen Burg gestanden haben. Dabei habe der Wind den Schleier vom Kopf der Fürstin gerissen und diesen weit hinaus über ein tiefes Tal in den dunklen Wald geweht. Man habe lange gesucht und den sicher recht wertvollen Schleier nicht gefunden. Einige Zeit später war der Markgraf auf der Jagd und wurde aufmerksam, als seine Hunde an einer Stelle plötzlich heftig bellten. Leopold habe sich der Stelle genähert und gesehen, dass sich der schon verloren geglaubte Schleier seiner Gattin auf einem Holunderstrauch befand. Der Markgraf, der schon lange den Gedanken gehabt habe, in der Nähe seiner Burg ein Stift zu gründen, sah darin nun einen göttlichen Hinweis, dass er genau hier sein Kloster errichten solle. Das wäre der Ursprung von Klosterneuburg. In Wirklichkeit war wohl alles viel banaler. Der Bauplatz bot sich wohl wegen seiner Lage an und war auch wirklich gut gewählt, wie man noch heute erkennen kann.
Der Markgraf ließ am 12. Juni 1114 den Grundstein für die Stiftskirche neben seiner Burg in Klosterneuburg legen. Dann wurde zügig mit dem Bau von Kirche und Kloster begönnen. Leopold ernannte seinen Sohn Otto bereits in jungen Jahren zum Propst der weltlichen Kanonie Klosterneuburg. Dieser Otto hatte dann auch großen Einfluss auf die Kirchenpolitik Leopolds. Als sein Sohn später in Frankreich in den Reformorden der Zisterzienser eintrat, änderte Leopold seine Kirchenpolitik. Hatte er vorher in erster Linie dabei nach macht- und landespolitischen Erwägungen gehandelt, so lagen ihm anscheinend nun der eigentliche Dienst an der Kirche und deren Reform am Herzen. Der Markgraf gründete dann auch unter diesem neuen Einfluss das Zisterzienserkloster Heiligenkreuz. Außerdem verzichtete er auf sein Eigenkirchenrecht in Klosterneuburg dadurch, dass er die Augustiner Chorherrn dorthin rief.
Es fällt auch auf, dass Markgraf Leopold III. ziemlich eifersüchtig gegenüber anderen Klostergründern vorging. Er wollte auf diesem Gebiet so weit wie möglich...