Die Bestände sind Teil des Vorratsvermögens und zählen somit zum Umlaufvermögen. Dem Unternehmen entstehen Kosten durch:
Die Bevorratungskosten sind oft extrem hoch. Sie betragen je nach Branche zwischen 16 und 26 % des Bestandswertes. Branchenübergreifend sind die Vorratsbestände für bis zu 50–60 % der Kapitalbindung verantwortlich. Die Verringerung der Bestände muss daher einen zentralen Platz in der Gewinnung der intern gebundenen Liquidität einnehmen.
Am Anfang muss der Wille zu einer Veränderung stehen, weil in der Regel etwas „gefühlt“ nicht in Ordnung ist. Die Bestände sind „gefühlt“ zu hoch. Wir haben „gefühlt“ zu viele Fehlteile. Wir müssen daher etwas definieren, an dem wir unsere Ziele messen können.
1.2.Ärgerliche Fehlteile
Nahezu jeder Betrieb und jede Produktion hat schon mal Fehlteile. Die Gründe dafür können unterschiedlich sein:
•Der Lieferant liefert zu spät.
•Das Material im Lager hat einen Qualitätsmangel und kann nicht verwendet werden. Es muss neu beschafft werden.
•Im Vertrieb wurde der Kundentermin vorgezogen mit der Folge, dass auch die Produktion vorgezogen werden muss. Es können aber nicht alle Lieferanten ihre Lieferungen anpassen, sodass hier zwangsläufig Fehlteile entstehen.
•Das von der Produktion erstellte Material hat einen Fehler und muss neu produziert werden. Es gibt aber nicht genug Komponenten auf Lager.
•Die Einkaufsabteilung hat zu spät bestellt.
•Das Lager stellt die Komponenten für Produktionsaufträge zu spät bereit.
Bei einer genauen Analyse lassen sich pro Unternehmen bis zu 20 verschiedene Ursachen zusammenstellen. In der Regel ist nicht nur eine Abteilung „schuld“ an den Fehlteilen, sondern es gibt Optimierungsmöglichkeiten entlang der gesamten Lieferkette.
Machen Sie bitte diesen Praxistest:
Schalten Sie nun bitte Ihr SAP System an und prüfen Sie, wie viele Fehlteile Sie haben. Am besten machen Sie diese Auswertung kurz vor Mittag, so dass schon einige Wareneingänge gebucht wurden. Jetzt listen Sie alle Produktionsaufträge auf, bei denen Komponenten fehlen, und stellen Sie ihnen die Wareneingänge von heute Morgen gegenüber. Nun prüfen Sie, ob die Wareneingänge von heute Morgen der Produktion bereits zur Verfügung gestellt wurden. Wenn Sie dies gemacht haben, dann analysieren Sie die Handelswaren, die direkt den Vertriebsaufträgen zugeordnet werden können, und checken dann, ob diese Materialien schon einer Lieferung zugeordnet worden sind.
Abb. 1: Zielbereich für Fehlteile
Sie haben länger als 10 Minuten für diese Kontrolle benötigt? Dann wäre dies ein Hinweis darauf, dass in Ihrem Unternehmen Optimierungspotential besteht. Wissen Sie auf Anhieb, wie viele Materialien letzte Woche an die Produktion ausgegeben wurden und wie viele davon nicht geliefert werden konnten, also Fehlteile sind? Wie hoch ist der Anteil in %?
Nun wollen wir uns den Materialstatus ansehen: Welche Materialstammdaten sind nicht oder unzureichend gepflegt? In jedem Unternehmen erstellt die Entwicklungsabteilung neue Zeichnungen, Stücklisten und Materialien, d.h. es gibt immer Materialien, die noch gepflegt werden müssen. Wie viele sind das bei Ihnen? Es gibt auch Materialien, die gegen neue ersetzt werden. Haben Sie diesen Prozess standardisiert? Wenn ein Material von einem Produktionsmaterial in ein Ersatzteilmaterial wechselt, ändern Sie dann die Einstellungen im System? Gibt es einen Report, der Ihnen zeigt, dass Materialien nicht korrekt gepflegt sind, weil sich die Rahmenbedingungen geändert haben?
Beispiel: Ein Material kann günstiger beschafft werden, der ABC-Indikator wechselt von A nach B. Welche Parameter müssen Sie dann im Materialstamm anpassen?
Wann haben Sie oder Ihre Mitarbeiter das letzte Mal die Transaktion MD07 aufgerufen und Einstellungen im System vorgenommen, die zur Beseitigung von Fehlteilen, Neuplanungen, Verschiebungen oder sogar zu Stornierungen geführt haben? Arbeiten Sie mit der MD07? Nein? Dann werden Sie vermutlich Fehlteile und gleichzeitig zu hohe Bestände haben.
Wie berechnen Sie Ihren Zielbestand? Nach Bauchgefühl oder haben Sie eine Rechnung aufgestellt, dass der Bestand nur so hoch sein darf? Bei 5 Millionen Umsatz im Monat darf der Bestand nur 8 Millionen hoch sein? Was ist die Grundlage für diese Berechnung? Vorgabe der Geschäftsleitung? Das Ergebnis von Einkauf plus Produktion minus Kundenlieferungen?
Wenn wir die Logistik-Optimierung mit SAP Software durchführen wollen, dann brauchen wir konkrete Vorgaben, was wir täglich tun und kontrollieren müssen. Dazu nachfolgend eine Zusammenfassung der Themen in den nächsten Teilen unseres Praxis-Leitfadens:
Alle Tools und Anwendungen sind praxiserprobt und laufen erfolgreich in Unternehmen in Deutschland, dem UK und den USA. Grundsätzlich bevorzugen wir Lösungen im SAP Standard, damit die gesamte Bandbreite der Möglichkeiten in einem SAP System ausgenutzt werden kann. Erst wenn dies nicht ausreicht, erstellen wir eigene Z-Programme, z.B. für das Fehlteile-Management.
Grundsätzlich ist dieser Praxis-Leitfaden für ein Produktionsunternehmen beschrieben. Jede Branche hat ihre eigenen Anforderungen und die Logistik-Optimierung muss darauf ausgerichtet werden.
1.3.Voraussetzungen schaffen
Logistiksteuerung heute ist eine komplexe Materie geworden. Dies wird – im ersten Schritt – auch durch die Einführung und Nutzung des SAP Systems als Ihr umfassendes Managementsystem nicht einfacher. Wie im Beispiel oben beschrieben, droht zunächst Frust … und man braucht Zeit. Um diese Hürde zu nehmen, steht Ihnen dieser Leitfaden zur Seite.
Aus der Vielzahl der Optimierungsansätze müssen Sie Ihre primären Ziele bestimmen: Wo tut es in Ihrer Logistik aktuell am „meisten weh“? Diskutieren und definieren Sie die auszuwählenden Ziele. Halten Sie Ihre Ziele dann schriftlich fest und schreiben Sie einen Termin für die angestrebte Zielerreichung daneben. Eine vernünftige und nachvollziehbare...