Um herauszufinden, wie relevant das Thema Enhanced E-Books aktuell für Kinderbuchverlage ist, wurde auf der Leipziger Buchmesse 2014 eine Beobachtung durchgeführt, die sich auf Angebot und Präsentation von Enhanced E-Books konzentrierte. Deren Ergebnisse sollen in Kapitel 4.1 vorgestellt werden. Zusätzlich wurde die Vertriebsplattform www.Buchhandel.de nach der Auffindbarkeit angereicherter E-Books untersucht. Schließlich sollen an dieser Stelle auch die Interviewergebnisse zu Fragen der Markteinschätzung vorgestellt werden. Anschließend wird in Kapitel 4.2. knapp auf Marktdaten bezüglich des E-Book-Marktes und deren Aussagen für Enhanced E-Books hingewiesen.
Beobachtung Buchmesse
Im Zuge der Beobachtung[46] musste festgestellt werden, dass sich der zugrunde gelegte Beobachtungsbogen als wenig tauglich erwies. Nahezu keiner der anwesenden Kinderbuchverlage legte Wert auf eine Präsentation digitaler Erzeugnisse. Weder E-Books, noch angereicherte Varianten derselben fanden einen Platz in den Regalen der großen Kinderbuchverlage wie Oetinger, Thieneman und Arena. Auf diesen Umstand angesprochen waren die Reaktionen unterschiedlich: Die Mitarbeiter von Tessloff und Arena verwiesen auf die Frankfurter Buchmesse, speziell bei Arena hatte man mit dem Gedanken einer Präsentation auf der Leipziger Messe zwar gespielt, dies aber aus „Platzmangel“ verworfen. Bei Tessloff wurden auf Nachfrage das Verlagsprogramm zum Nachlesen des E-Book-Angebots und ein Flyer über interaktive E-Books ausgehändigt. Bei Loewe verwies man auf die Homepage, auf der E-Books präsentiert würden. So entstand der Eindruck, die Verlage hielten die Leipziger Buchmesse[47] für nicht geeignet, digitale Formate zu präsentieren. Lediglich wenige kleinere Verlage warben aktiv für die E-Books in ihrem Programm, darunter der Machtwortverlag, der den elektronischen Büchern ein ganzes Regal widmete und diese auffallend in Szene setzte. So waren an den Regalen Kärtchen mit der Aufschrift: „E-Book! Hochspannend. Vorsicht! Lesensgefahr“ angebracht (siehe Abbildung 2). Der Verlag hatte jedoch auf Nachfrage keine Enhanced E-Books im Programm. Neben einigen Lehr- und Schulbuchverlagen zeigten auch zwei Kinder- und Jugendbuchverlage, dass eine Präsentation digitaler Bücher auf der Leipziger Buchmesse möglich ist. Zum einen war das der Pawel-Moewig Verlag, der die Science-Fiktion Reihe „Perry Rhodan“ vorstellte. Am Stand war ein fest angebrachtes Tablet platziert, mit dem in einigen E-Books geblättert werden konnte. Zum anderen präsentierte der Mildenberg Verlag als einziger gefundener Verlag Enhanced E-Books (siehe Abbildungen 3 und 4). Hier wurden mit Hilfe zweier Tablet-Aufsteller interaktive, auf „Pixi“- Büchern basierende Erstleser-Apps vorgestellt. Allerdings hatte der Verlag lediglich drei derartige Bücher im Programm. Erwähnenswert war darüber hinaus der Umstand, dass der angesprochene Verlagsvertreter, auf die ausgestellten „Enhanced E-Books“ angesprochen, diese Bezeichnung zu „Apps“ korrigierte.
Abbildung 2: E-Book-Ausstellfläche des Machtwortverlages.
(Quelle: Eigene Fotografie)
Abbildung 3: Aufsteller des Mildenbergverlags mit zwei montierten Tablets
. (Quelle: Eigene Fotografie)
Abbildung 4: I-Pad mit geöffneter App zum Ausprobieren.
(Quelle: Eigene Fotografie)
Die zusätzlich durchgeführte Analyse des Fachprogramms der Leipziger Buchmesse verdeutlicht, dass angereicherte buchnahe Inhalte hinsichtlich ihrer beabsichtigten Außenwirkung keine allzu große Rolle spielten. Zwar war die Digitalisierung im Allgemeinen ein präsentes Thema, die Workshops und Vorträge behandelten aber hauptsächlich Selfpublishing, Rechtsfragen und Veränderungen im Buchhandel. Einige Themen behandelten auch E-Books, beispielsweise Vorträge zum Thema „E-Book Marketing“ oder auch ein Vortrag mit dem Titel: „Print, digital, Hybrid? – Strategien für ein erfolgreiches Buchgeschäft“, wobei bei letzterem nicht die Verlage, sondern vor allem Autoren angesprochen wurden. Dem Enhanced E-Book an sich wurde im Fachprogramm lediglich ein halbstündiger Vortrag gewidmet. Der Titel lautete „Illustrationen im Enhanced E-Book“ und wurde von der „Illustratoren Organisation e.V.“ abgehalten. Allerdings muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass die Akademie des deutschen Buchhandels im Rahmen der Buchmesse eine Konferenz abhielt, in der es auch um Enhanced E-Books ging.[48] Besonders der zweite Konferenzpunkt: „Mobil, vernetzt, interaktiv – Digitale Produkt- und Vermarktungsstrategien“ befasste sich ausführlicher mit dem Thema.
Um die Ergebnisse der Beobachtung und Programmanalyse zusammenzufassen, entsteht ein zwiespältiger Eindruck der Buchbranche hinsichtlich angereicherter Inhalte. Einerseits war im Kinder- und Jugendbereich, aber auch in den anderen Messehallen eine große Zurückhaltung und Unsicherheit hinsichtlich einer aktiven Präsentation digitaler Inhalte zu beobachten. Auch im Fachprogramm wurde das Thema nur am Rande kommuniziert. Andererseits zeigt die Buchmessekonferenz, dass das Thema in der Branche durchaus diskutiert wird und in den Zukunftsstrategien der Verlage Berücksichtigung findet.[49] Der Schwerpunkt der Messe lag aber zumindest aus Kundensicht eindeutig auf den Printprodukten.
Angebotsrecherche
Die Auffindbarkeit des Angebots neuartiger Produkte ist ein wesentlicher Faktor bei der Marktdurchdringung. Kann das Angebot dem Konsumenten nicht ausreichend kommuniziert werden, entstehen Unsicherheiten, die eine Marktakzeptanz und somit auch Umsatzchancen hemmen können. Deshalb wurde anhand der Vertriebsplattform www.buchhandel.de, die eine eigens auf das E-Book ausgelegte Suchfunktion via Libreka anbietet, gezielt nach Enhanced E-Books für Kinder und Jugendliche gesucht. Der Suchbegriff „Enhanced E-Book“ ergab jedoch lediglich zwölf Treffer, von denen zwei englischsprachige Titel waren, was bei Weitem nicht das aktuelle Verlagsangebot an angereicherten E-Books abbilden kann. Begriffe wie „Enriched E-Book“ oder „angereichertes E-Book“ ergaben sogar noch weniger Suchergebnisse. Weiterhin gab es in der Navigationsleiste keine eigene Kategorie für Enhanced E-Books. Eine Nachfrage beim Support von Libreka lieferte eine Erklärung für die Probleme bei der Detailsuche: So wies man darauf hin, dass derzeit noch keine Angaben zu Enhanced E-Books gemacht werden könnten, da diese Daten noch nicht von den Verlagen erhoben worden seien. Derartige Angaben könnten frühestens Anfang 2015 von den Verlagen gemeldet werden. Diese Korrespondenz zeigt exemplarisch die Schwierigkeiten auf, denen Kunden gegenwärtig gegenüberstehen, wenn sie sich über das Angebot an angereicherten Inhalten informieren möchten. Viele Verlage im Kinder- und Jugendbuchbereich sind hier bereits einen Schritt weiter und bieten bei ihren Internetauftritten seit längerem gut auffindbare Suchmöglichkeiten speziell für Enhanced E-Book-Titel an.[50] Jedoch wird der interessierte Kunde in der Regel zunächst die großen Vertriebsplattformen aufsuchen, um ein möglichst breites Angebot zu erhalten. Hier hat der Zwischenbuchhandel großen Nachholbedarf.
Eigens auf das Enhanced E-Book fokussierte Marktstudien sind bisher nicht vorhanden. Noch schwieriger stellt sich eine solche Bestandsaufnahme bei Kinderbuchverlagen dar. Um dennoch einen Marktüberblick geben zu können, sollen kurz einige E-Book-Studien auf diesen Bereich hin untersucht werden.
Laut dem aktuellen „Global eBook Report“ nimmt der Buchmarkt in Deutschland als solcher im internationalen Vergleich eine Sonderrolle ein. So ist er nicht nur mit 8% des Gesamtmarktes weltweit der drittgrößte Markt für Bücher[51], er besitzt hinter Norwegen mit knapp 120 € sogar den zweitstärksten Marktwert pro Kopf.[52] Dennoch sank der Branchenumsatz in den letzten Jahren fast kontinuierlich, und auch 2014 begann mit einem Rückgang.[53] Auf dem digitalen Markt, der im Land des Buchdruckes und der staatlich geförderten Buchkultur schon seit Jahren den Entwicklungen auf dem US-Markt eher schleppend folgt, befindet sich der sogenannte „digitale Wandel“ immer noch in einer Anfangsphase.[54] Laut einer Studie von Pricewaterhouse Cooper (PWC) entfielen im Jahr 2012 nur rund 3% der Umsätze im Belletristik-Bereich, dem der Kinder- und Jugendbuchmarkt eingegliedert wurde, auf digitale Buchverkäufe.[55] Aktuellere Daten bezogen auf das E-Book sind laut dem Global eBook Report noch nicht vorhanden, wenngleich die Umsatzverluste im Taschenbuchbereich von 9,2 % für 2014 signifikante Zuwächse im E-Book-Bereich erwarten lassen.[56] Allerdings wird eine Annäherung an die Umsatzanteile des amerikanischen und auch britischen Marktes, die momentan bei ca. 20% stehen,[57] in den nächsten Jahren nicht erfolgen. Eine aktuelle PWC-Studie geht davon aus, dass die Umsatzanteile des E-Books im Belletristik- sowie Kinder- und...