Sie sind hier
E-Book

Fidel Castro

AutorFrank Niess
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783644004290
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Fidel Castro hat viele Zeitgenossen mit der Magie seiner Persönlichkeit beeindruckt. Der kubanische Staatschef hat sie auf eine fast hypnotische Weise dazu gebracht, an seine Visionen von einer gerechteren Gesellschaft und einem unabhängigen Inselstaat zu glauben. «Die Geschichte der Revolution und meine Biographie sind ein und dasselbe», hat er verkündet. Aber Castros Weg zeugt auch von Machtwillkür und Menschenopfern, von Unterdrückung und Despotismus. Um den politischen Menschen Castro, den «Máximo Líder», geht es in dieser Biographie.

Frank Niess, 1942-2011. Studium der Germanistik, Geschichte und Politikwissenschaft in Bonn und Heidelberg. Bis Juni 2003 Wissenschaftsredakteur beim Südwestrundfunk. Veröffentlichungen: «Der Koloss im Norden. Geschichte der Lateinamerikapolitik der USA», 2. verb. Auflage 1986. «Das Erbe der Conquista. Geschichte Nicaraguas», 2. Auflage 1989. «Sandino. Der General der Unterdrückten. Eine politische Biographie», 1989. «20mal Kuba», 1991. «Am Anfang war Kolumbus. Geschichte einer Unterentwicklung. Lateinamerika 1492 bis heute», 1991. «Eine Welt oder keine. Vom Nationalismus zur globalen Politik», 1994. «Die europäische Idee. Aus dem Geist des Widerstands», 2001. Bei rowohlts monographien erschienen die Bände über Che Guevara (2003, rm 50650) und Fidel Castro (2008, rm 50679).

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

Kindheit und Jugend


Als Guerillero geboren?


Castros Kindheit und Jugend liegen in «mythischem Halbdunkel», wie der Biograph Hugh Thomas schreibt. Schon das genaue Geburtsdatum gibt Rätsel auf. Er sei am 13. August 1927 geboren worden, heißt es in den großen Lexika, tatsächlich war es wohl ein Jahr früher. Wäre über das offizielle Statement der Kubanischen Botschaft hinaus noch eine Versicherung dessen nötig, dann hat sie Fidel Castro selbst in einem Gespräch mit dem brasilianischen Dominikaner Frei Betto im Frühjahr 1985 gegeben: Ich bin 1926 geboren, im Monat August, am 13. August genau, ich glaube, es war um zwei Uhr morgens. […] Ich bin wohl schon als Guerillero geboren, denn schließlich bin ich mitten in der Nacht auf die Welt gekommen. Gefragt, ob die Zahl 26 eine Symbolik für sein Leben habe, erklärte der Máximo Líder: Nun, ich bin 1926 geboren. Ich war 26 Jahre alt, als ich den bewaffneten Kampf aufnahm. Und ich bin an einem 13. geboren. Das ist die Hälfte von 26. Nicht zu vergessen der 26. Juli 1953, an dem eine Hundertschaft junger Oppositioneller die «Moncada», die zweitgrößte Zitadelle der Batista-Diktatur, hatte stürmen wollen, um sich aus dem Arsenal dieser festungsartigen Kaserne Waffen für ihren Kampf zu beschaffen. Und: In 26 Wagen brachen die Rebellen nach Santiago de Cuba zum «Unternehmen Moncada» auf, um Fulgencio Batista zu stürzen, der am 10. März 1952 durch einen Staatsstreich kubanischer Präsident geworden war.

Castros Vater Ángel Castro y Argiz (1875–1956) stammte aus Galicien im Nordwesten Spaniens, einer der ärmsten Regionen auf der Iberischen Halbinsel. Er war zum Militärdienst eingezogen und bald darauf nach Kuba verfrachtet worden, um dort, wo nicht einmal General Valeriano Weyler y Nicolau, genannt «der Schlächter», mit den aufständischen Kubanern fertig geworden war, die spanischen Truppen zu verstärken. An die 250000 Soldaten ließ die spanische Regierung am Ende gegen die kubanischen Rebellen, die Mambisen, aufmarschieren, darunter also Ángel Castro. Der Sieg in diesem zweiten Unabhängigkeitskrieg (1895–98) war für die Kubaner zum Greifen nah, da mischten sich die USA im Frühjahr 1898 in den Konflikt ein. Für ihre Flotte hochmoderner Schlachtschiffe und ihre weit überlegenen Landstreitkräfte, darunter die «Rough Riders» unter dem Kommando von Oberstleutnant Theodore Roosevelt, dem späteren US-Präsidenten, war es ein Leichtes, die marode Kolonialmacht Spanien niederzuringen.

Als «splendid little war» ist dieser Waffengang in die Geschichte eingegangen – ein glänzender kleiner Krieg, weil Washington in kürzester Zeit bei minimalem Einsatz und geringsten Verlusten den größten Gewinn hatte einstreichen können.

Bald nach ihrem Sieg zwangen die USA die spanische Regierung zur Räumung der Insel. Für Ángel Castro bedeutete dies die Rückkehr ins heimische Galicien, in eine elende Existenz, mit Knochenarbeit auf den kärglichen Feldern und einer erbärmlichen Hütte als Bleibe. Ihm ging es wie vielen anderen Soldaten, die Kuba vielleicht nicht gerade mit der Emphase eines Christoph Kolumbus als «das schönste Land» priesen, «das menschliche Augen jemals gesehen» hatten; denen die «grüne Insel» jedoch als besonders attraktiv im Gedächtnis blieb: Alle träumten von Kuba. Im Kontrast zur rauen Wirklichkeit Galiciens schwelgte man in den Erinnerungen an den quirligen Hafen von Havanna, an schwatzhafte Papageien im Urwald, an wohlschmeckende Früchte und natürlich immer wieder an schöne Frauen.

Nicht wenige der armen Soldaten, die bei ihrer erzwungenen Rückkehr in die Heimat feststellen mussten, dass für sie kein Platz mehr in Spanien war, schon gar kein Arbeitsplatz, machten kehrt. Die sündhaft teure Überfahrt nach Kuba auf dem Dampfschiff «Lerland», unter deutscher Flagge, die sie nun selbst zu bezahlen hatten, mit sanitären Verhältnissen an Bord, die zum Himmel stanken, einer lausigen Verpflegung und einer Unterbringung, die an die Sklaventransporte früherer Zeiten erinnerte, war ein Aufbruch ins Ungewisse und alles andere als die Anfahrt zum Paradies. Nach zwei Wochen auf hoher See in Havanna angekommen, sahen die Galicier, oft noch von der Seekrankheit gezeichnet, harten Zeiten entgegen. Wenn sie überhaupt Arbeit fanden, dann allenfalls solche, die andere verschmähten. Als Sackträger zum Beispiel oder als Kohlenverkäufer, als Putzer oder Besenhändler. Mit ihnen ließ sich so ziemlich alles machen, galten sie nach den gängigen Vorurteilen doch als geistig etwas minderbemittelt.

Ganz anders das Schicksal Ángel Castros. Er wusste, was er wollte, und hielt sich gar nicht lange in Havanna auf. Als hätte die Parole «Go East!» geheißen, machte er sich auf den Weg in die Provinz Oriente. Er hatte das richtige Gespür, als er sich bei Birán, in der Nähe von Mayarí, 20 Meilen landeinwärts, niederließ. «In kaum einer anderen Region Kubas konzentrierten sich auf ähnliche Weise Macht und Einfluß der Nordamerikaner.» Amerikanische Firmen, allen voran die berühmt-berüchtigte United Fruit Company (UFC), «hatten ganze Landstriche aufgekauft, Wälder gerodet und Zuckerraffinerien, Eisenbahnstrecken und Straßen gebaut» Die UFC hatte für ihre Angestellten in der Umgebung des Städtchens Banes ein «Little America» errichten lassen, mit Supermarkt, Swimmingpools, Polo-Clubs, eigener Schule und Krankenhaus, und es wie eine Wagenburg gegen unerwünschte Besucher – sprich Kubaner – abgeschottet. Fidel Castro sollte diese Anlage später heftig kritisieren.

Ángel Castro konnte von dem Boom im «wilden Osten» beträchtlich profitieren: als Angestellter der Nipe Bay Railway Company, die zum Imperium der UFC gehörte, und als fliegender Getränkehändler. Vor allem war Castro sen. am Erwerb von Grund und Boden interessiert. Klein fing er an, mit einem Stück Land von der United Fruit Company. Seine «Hacienda Mañacas wuchs auf über 10000 acres (48 Hektar) an und gehörte bald zu den größten im Umkreis». Ob es bei der stetigen Expansion Castros immer mit rechten Dingen zuging oder nicht – der Erfolg gab ihm recht. 1950 taxierte man sein Vermögen auf eine halbe Million US-Dollar.

Mehr als fünfhundert Bewohner der Region sollen für den Aufsteiger aus Galicien in der Zuckerproduktion tätig gewesen sein. Freimütig gestand Fidel Castro später ein, dass er beschämend wenig über seinen Vater wisse. Nach Bildern von damals zu schließen, war er ein kräftiger, etwas ungehobelter, dickköpfiger und entschlossener Mann, der keine Arbeit scheute und den die harschen Lebensbedingungen in diesem wilden und zerklüfteten Teil der Insel nicht abschreckten. Seine hochfahrende Art, die mit den geschäftlichen Erfolgen noch unerträglicher wurde, mussten die Kinder klaglos hinnehmen. Der Jähzorn, der ihn sporadisch packte, und seine – wohl auch gewalttätigen – Wutanfälle machten der Familie das Leben schwer. Es waren keine sittsam «geordneten» familiären Verhältnisse, in die Fidel Castro hineingeboren wurde. Aus der ersten Ehe seines Vaters mit einer Lehrerin gingen zwei Kinder hervor: Pedro Emilio und Lidia. Noch zu Lebzeiten seiner ersten Frau gebar ihm Lina Ruz Gonzáles, ein junges Mädchen aus Pinar del Río, das in seinem Haus als Köchin angestellt war, fünf weitere Kinder: Ramón, Fidel, Juana, Emma und Raúl.

Vater Ángel regierte sein kleines Imperium mit harter Hand. Allein seine stattliche Gestalt konnte so manchen Konflikt im Keim ersticken. Wann immer es Familienzwist und Zerwürfnisse im Hause Castro gab: Fidel war zumeist daran beteiligt. «Es scheint so, dass Castro schon in ganz jungen Jahren seinen Weg gefunden und jegliche Form von Autorität zurückgewiesen hat und damit freilich auch manche Freundlichkeit und besondere Aufmerksamkeit, die ihm zugedacht war.»

Wenn man Fidel etwas verwehrte, konnte er cholerisch reagieren. Und wenn er sich von einem Lehrer ungerecht behandelt fühlte, verließ er unter Protest die Schule und rannte nach Hause, meistens zur Mutter als Verbündeter. Lina Castro hat zwar oft ihren ältesten Söhnen Ramón und Fidel, wenn sie allzu ungebärdig waren, Prügel mit einem Gürtel angedroht, doch dazu ist es kaum jemals gekommen. In der Regel ging Fidel straflos aus, wenn er seine Mutter nur ernst und schuldbewusst genug bei der Strafpredigt ansah und wenn es von ihm keine Widerworte gab.

Im Rückblick auf seine Kindheit erklärte Castro später, dass er mit elf Jahren sein eigener Herr gewesen sei und gemacht habe, was er wollte. Sport vor allem, in den verschiedensten Sparten: Basketball, Fußball und Jai Alai, ein Ballsport, den baskische Einwanderer in die USA mitgebracht hatten und der sich in Florida bis heute besonderer Beliebtheit erfreut. Mit dreizehn Jahren nutzte Fidel die Sommerferien, um einen Streik der Zuckerarbeiter gegen ihren Boss, Vater Ángel Castro, zu organisieren. Fünf Jahre später machte er dem Vater die Hölle heiß wegen des «Kapitalismus», der auf der Hacienda Mañacas herrschte. Er bezichtigte seinen Vater des «Missbrauchs» der Arbeiter unter «falschen Versprechungen».

Die herbe Kritik hinderte den Sohn aber nicht daran, sich von dem verfemten Kapitalisten bis ins Erwachsenenalter aushalten zu lassen. Der Jurastudent Fidel konnte sich auf das Unterhaltsgeld verlassen,...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Gesellschaft - Männer - Frauen - Adoleszenz

Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt

E-Book Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt
Unsere Angst vor Freiheit, Markt und Eigenverantwortung - Über Gutmenschen und andere Scheinheilige Format: ePUB

Freiheit und Eigenverantwortung statt Ideologie und Bürokratie - Günter Ederer analysiert auf Basis dieser Forderung die existenziellen Probleme unserer Gesellschaft: Bevölkerungsrückgang,…

Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt

E-Book Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt
Unsere Angst vor Freiheit, Markt und Eigenverantwortung - Über Gutmenschen und andere Scheinheilige Format: ePUB

Freiheit und Eigenverantwortung statt Ideologie und Bürokratie - Günter Ederer analysiert auf Basis dieser Forderung die existenziellen Probleme unserer Gesellschaft: Bevölkerungsrückgang,…

Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt

E-Book Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt
Unsere Angst vor Freiheit, Markt und Eigenverantwortung - Über Gutmenschen und andere Scheinheilige Format: ePUB

Freiheit und Eigenverantwortung statt Ideologie und Bürokratie - Günter Ederer analysiert auf Basis dieser Forderung die existenziellen Probleme unserer Gesellschaft: Bevölkerungsrückgang,…

Mitten im Leben

E-Book Mitten im Leben
Format: ePUB/PDF

Die Finanzaffäre der CDU hat nicht nur die Partei und die demokratische Kultur der Bundesrepublik in eine ihrer tiefsten Krisen gestürzt, sondern war auch der Auslöser für Wolfgang Schäubles Verzicht…

Mitten im Leben

E-Book Mitten im Leben
Format: ePUB/PDF

Die Finanzaffäre der CDU hat nicht nur die Partei und die demokratische Kultur der Bundesrepublik in eine ihrer tiefsten Krisen gestürzt, sondern war auch der Auslöser für Wolfgang Schäubles Verzicht…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Weitere Zeitschriften

Arzneimittel Zeitung

Arzneimittel Zeitung

Die Arneimittel Zeitung ist die Zeitung für Entscheider und Mitarbeiter in der Pharmabranche. Sie informiert branchenspezifisch über Gesundheits- und Arzneimittelpolitik, über Unternehmen und ...

FREIE WERKSTATT

FREIE WERKSTATT

Die Fachzeitschrift FREIE WERKSTATT berichtet seit der ersten Ausgaben 1994 über die Entwicklungen des Independent Aftermarkets (IAM). Hauptzielgruppe sind Inhaberinnen und Inhaber, Kfz-Meisterinnen ...

Berufsstart Bewerbung

Berufsstart Bewerbung

»Berufsstart Bewerbung« erscheint jährlich zum Wintersemester im November mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren und ermöglicht Unternehmen sich bei Studenten und Absolventen mit einer ...

Burgen und Schlösser

Burgen und Schlösser

aktuelle Berichte zum Thema Burgen, Schlösser, Wehrbauten, Forschungsergebnisse zur Bau- und Kunstgeschichte, Denkmalpflege und Denkmalschutz Seit ihrer Gründung 1899 gibt die Deutsche ...

Correo

Correo

 La Revista de Bayer CropScience para la Agricultura ModernaPflanzenschutzmagazin für den Landwirt, landwirtschaftlichen Berater, Händler und am Thema Interessierten mit umfassender ...

rfe-Elektrohändler

rfe-Elektrohändler

rfe-Elektrohändler ist die Fachzeitschrift für die CE- und Hausgeräte-Branche. Wichtige Themen sind: Aktuelle Entwicklungen in beiden Branchen, Waren- und Verkaufskunde, Reportagen über ...