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Filmsemiotik

Eine Einführung in die Analyse audiovisueller Formate.

AutorDennis Gräf, Hans Krah, Marietheres Wagner, Peter Klimczak, Stephanie Großmann
VerlagSchüren Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl416 Seiten
ISBN9783894727956
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Umfassende Einführung zum Filmverstehen unter zeichentheoretischer Perspektive. Es werden Medien als solche, ihre technischen Grundlagen und ihre Wirkungsästhetik behandelt. Aus zeichentheoretischer Perspektive sind Medien materielle, technische und sozial institutionalisierte Kommunikationsmittel, die der Herstellung, Verbreitung und Verarbeitung von Zeichen dienen. Mediale Zeichen übernehmen - zu Zeichensystemen geordnet - in der Kultur die Funktion kultureller Selbstreproduktion und ermöglichen auf diese Weise die Verständigung über kulturelle Werte und Normen. Über mediale Zeichen konstituiert sich die historisch variable, ästhetische Konstruktion kultureller Wirklichkeit in den Medien und durch die Medien, wodurch der Wandel von Medien und der Wandel von Haltungen, Einstellungen und Mentalitäten aufeinander bezogen werden können. Die Mediensemiotik steht damit an einer Schnittstelle zwischen traditionellen Wissenschaften und Disziplinen einerseits (Literatur-, Bild-, Medien- und Musikwissenschaft, Buchwissenschaft, Ethnologie, Kommunikationswissenschaft und Soziologie) und andererseits einzelnen Philologien und nationalen Kulturwissenschaften (Germanistik, Romanistik, Anglistik, Amerikanistik) sowie den historiographischen Wissenschaften (Geschichtswissenschaften, Kunstgeschichte).

Dennis Gräf (Autor, Hg.) Studium und Promotion an der Universität Passau, dort seit 2007 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft. Mitbegründer des Arbeitskreises Mediensemiotik. Forschungsschwerpunkte im Bereich der Narratologie, der Mediensemiotik sowie der Rekonstruktion von Strategien literarischer und medialer Normen- und Wertevermittlung. Peter Klimczak Jahrgang 1982, Magister- und Promotionsstudium an der Universität Passau; 2013 Promotion zum Dr. phil. an der Brandenburgischen Technischen Universität (ausgezeichnet mit dem VBKI-Wissenschaftspreis); bis 2012 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Philosophischen Fakultät der Universität Passau, seit 2012 Akademischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Angewandte Medienwissenschaften der Brandenburgischen Technischen Universität; Gastdozenturen an den Universitäten ?ód? (Polen) und Pécs (Ungarn). Forschung auf dem Gebiet der Analytischen Medienwissenschaft, der kinematografischen Semantik und der Mediensemiotik; zusammen mit Christer Petersen Begründer und mit Jörn Ahrens, Heinrich Kirschbaum, Lars Koch, Christer Petersen, Schamma Schahadat, Florentine Strzelczyk und Dirk Uffelmann Oberherausgeber der Buchreihe 'Klassiker des osteuropäischen Films'.

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Leseprobe

1.1 Filmsemiotik und Medienkontext


Medien können auf verschiedenste Weise verstanden werden und die unterschiedlichsten Fragestellungen konturieren. Da methodische Zugänge und theoretische Ansätze stets im Spektrum anderer Ansätze verortet sind und alternative Zugänge möglich und denkbar sind, gilt es, einleitend die Situierung und Abgrenzung einer filmsemiotisch orientierten Medienanalyse zu skizzieren.

1.1.1 Drei Dimensionen von Medien


Generell lassen sich drei Aspekte unterscheiden, unter denen sich die einzelnen Medien charakterisieren und untersuchen lassen: die technisch-apparative Dimension, die institutionell-soziale Dimension, die semiotisch-textuelle Dimension.

Technische Dimension. Wird auf den physikalisch-technologischen Aspekt der genutzten Übertragungskanäle fokussiert – auf die Apparate –, wird Medium als technisches Verbreitungsmittel definiert, als Informationsträger mit einer die raumzeitlichen und sozialen Distanzen überwindenden Verbreitungs- und Vervielfältigungskapazität. Als Stichworte können hier Buchdruck, Film-, Kamera-, Projektionstechnik, die verschiedenen Techniken des Speicherns auf Celluloid, Magnetband oder Chips genannt werden.

Institutionelle Dimension. Wird auf den kommunikationssoziologisch-handlungspragmatischen Aspekt der institutionellen Verfasstheit von Medien fokussiert, bezieht sich der Begriff auf die Herstellung von Öffentlichkeit, die Vermittlung gesellschaftlicher Erfahrung, auf die sozialen Institutionen öffentlicher Kommunikation. Zu nennen wären Buchverlage, Bibliotheken, Filmindustrie, Fernsehanstalten, Kinos. Ein Medium bildet soziale Institutionen aus – Filmverleih, Sendeanstalt, Verlag, Buchhandel, Redaktion. Diese Institutionen kooperieren mit den Verbreitungsmitteln – Kino, Fernsehen, Video, DVD, Buch, Zeitschrift, Zeitung. Durch diese Kooperation werden der Gesellschaft die jeweiligen medialen Kommunikationsmittel – Filme (Werbefilm, Spielfilm etc.), Texte (Roman, Essay etc.) – zugängig gemacht.

Jedes Medium verfügt dabei über je eigene Regeln, Vorgaben, Normen der Produktion, der Verbreitung (Distribution), der Rezeption und der Verarbeitung (Vermittlung). Mit diesen vier Begriffen sind die vier Bereiche benannt, mit denen sich ein ‹Sozialsystem› Medium – wie also ein Medium in der Gesellschaft verankert und wie es organisiert ist – beschreiben lässt.

Zum einen lässt sich das System in sich selbst in diese obigen vier Bereiche strukturieren:

Die Bereiche Produktion und Distribution sehen Film unter dem wirtschaftlichen Aspekt des Films als Ware und fokussieren die Filmgenese und Film als Objekt von Vermittlung.

Im Bereich Produktion sind die verschiedensten Facetten dessen zu betrachten, wie Film gemacht wird, welche Faktoren dabei relevant sind, welche Handlungsrollen es gibt: Drehbuchautor, Regisseur, Produzent, das Casting Team, der technische Stab, Kamera, Licht, Schnitt, die Schauspieler, Agenten usw. Dieser Bereich ist grundlegend bestimmt durch das Prinzip industrieller Fertigung: von arbeitsteilig handelnden Produktionsfirmen, abhängig von den allgemeinen ökonomischen Rahmenbedingungen und profitorientiert.

Zum Bereich der Distribution gehört alles das, was damit zusammenhängt, wie der (fertige) Film zu den Rezipienten, zum Publikum kommt: Werbung, Verkauf, Filmverleih, Kino und Fernsehen als Rezeptions- und Distributionsräume. Kino und Fernsehen sind als ökonomisch-soziale Größen der außerfilmischen Realität technische Verbreitungsmittel der Massenkommunikation, deren Aufgabe es in erster Linie ist, Filme einseitig gerichtet und indirekt an ein Publikum zu verbreiten (distribuieren). Sie sind auch die Instanzen, welche die Produktion, Inhalte und Stile der filmischen Produkte zum größten Teil bestimmen.

Die Rezeption beschäftigt sich mit der Aufnahme und der Wirkung beim Publikum. Hier geht es um die Filmwahrnehmung, den Kinobesuch etwa als institutionalisiertes Freizeitverhalten, die Filmrezeption als Bedürfnisbefriedigung und Kompensation (für Frustrationen im realen Leben); hierzu gehört der Umgang mit Filminhalten in der pragmatischen Situation, wie sie sich aus Produktion und Distribution ergibt, etwa Starkult.

Der Bereich Verarbeitung und Vermittlung bezieht sich darauf, was mit dem Film als bedeutungstragendem Kommunikat, als Medienprodukt gemacht wird, wie sich dieser als Überlieferungsträger von Semantiken und Diskursen in der Gesellschaft positioniert. Der Film selbst ist Gegenstand eines Erkenntnisinteresses, Gegenstand von Kommunikation (Alltagskommunikation, Filmkritik, Wissenschaft, Didaktik).

Zum anderen ist zu beschreiben, welche Interaktion, welcher Bezug das Medium zu anderen gesellschaftlichen Bereichen hat, wie es also in die jeweilige Gesellschaft und Kultur integriert ist. Der Film partizipiert durchaus substanziell an anderen gesellschaftlichen Teilsystemen, durch deren Faktoren er in unterschiedlichem Maße gesteuert und beeinflusst werden kann. Dominant etwa insofern an der Wirtschaft, als Film eine Ware ist. Ebenso an den Systemen Recht und Politik; am Recht etwa durch Zensurmaßnahmen (bezüglich Pornografie, Gewalt, Volksverhetzung), aber auch in Bezug zur Wirtschaft durch die Regelung von Urheberrechten, Vermarktungsrechten, Monopolstellungen etc.; an der Politik etwa durch Förderung und Preise. Über die Bereiche Ethik und Moral kann er in eine Werte- und Normendiskussion einbezogen werden, als Phänomen der Populärkultur ist der Film vor der Folie dieses Bereichs zu situieren. Ebenso interagiert Film mit anderen Medien, sei es als Konkurrenzmedien (Fernsehen, Internet), sei es als Verbundmedien (Presse, Berichterstattung) oder mit anderen Künsten; mit der Literatur etwa, insofern sie als Stofflieferant dient, ebenso wie über die Textformen Exposé, Drehbuch.

Grafik 1

Dieses Modell beruht selbst allerdings auf zwei Grundbedingungen, ohne deren Gültigkeit es hinsichtlich verschiedenster Faktoren zu modifizieren wäre: zum einen derjenigen, dass sich ein Medium als Medium einen eigenen und ausdifferenzierten Platz – als Teilsystem – in der Gesellschaft ‹erworben› hat. Zum anderen beruht es auf einer Gesellschaft, die durch die (moderne) Ausdifferenzierung von Subsystemen und marktwirtschaftlich orientierten demokratischen Strukturen gekennzeichnet ist. Politisch-gesellschaftliche Rahmenbedingungen und kulturelle Mentalitäten haben also generell einen großen Einfluss.

Für den Film gilt, dass sich die Filmindustrie in den verschiedenen Ländern und Kulturen durchaus unterschiedlich entwickelt hat, wie sich seine Ausdifferenzierung ebenso erst historisch ergeben hat und diese zu verschiedenen Zeiten (und verschiedenen Kulturen) so nicht gültig sein muss.

Semiotische Dimension. Wird schließlich auf den systemisch-textuellen Aspekt fokussiert, definieren sich Medien zeichentheoretisch-strukturell aus der Organisation der Zeichen in Codes, als Wahl und Beschränkung von Möglichkeiten der internen Strukturierung – z. B. bezüglich der beteiligten Informationskanäle. Im Zentrum des Interesses steht dann das ‹Programm›, also die Textstruktur der einzelnen Medienprodukte, und dessen kulturelle Relevanz, etwa für die Produktion von Ideologie. Als ‹Text› wird aus mediensemiotischer Perspektive dabei alles verstanden, was sich auf der Grundlage der beiden Prinzipien Auswahl und Kombination als eine konkrete Manifestation eines Zeichensystems aus Zeichen konstituiert und dabei Bedeutungseinheiten ausbildet, egal welcher Provenienz diese Zeichen sein mögen, gleichgültig, ob es sich um eine natürliche Sprache, um Gestik und Mimik der Körpersprache handelt, oder um das audiovisuelle, selbst komplex aus miteinander kombinierten und interagierenden Teilsystemen zusammengesetzte Zeichensystem des Films – um das es hier gehen wird.

Für die Analyse eines Textes im Hinblick auf seine Textualität ist es nicht von Bedeutung, ob er handschriftlich, maschinenschriftlich oder gedruckt vorliegt; ebenso bleibt die semiotische Struktur eines Films selbstverständlich erhalten, wenn er von Celluloid auf Magnetband kopiert wird, und ebenso ist es (zunächst) irrelevant, ob er in einem Kommunalen Kino, einem Multiplex oder im Heimkino/Fernsehen verbreitet und rezipiert wird.

Wechselwirkungen. Die Differenzierung in diese drei Dimensionen bedeutet nicht, dass es keine Wechselwirkungen zwischen ihnen gäbe. Jede dieser Dimensionen kann die anderen beiden beeinflussen. So ist die Erfindung des Buchdrucks (oder der Textverarbeitung am PC) nicht ohne Folgen für das geblieben, was – und wie es – geschrieben wird. Ebenso hatte die dadurch ermöglichte massenhafte Verbreitung von Flugblättern in der Frühen Neuzeit ihre soziale Auswirkung.

Die institutionelle Dimension hat Einfluss auf die semiotische Dimension. So ist z. B. in Deutschland die Institution Fernsehen ein wichtiger Geldgeber auch für Kinofilme, denn vom Fernsehen unabhängig hergestellte Kinofilme zählen zu den Ausnahmen, während Coproduktionen die Regel sind. Insbesondere das öffentlich-rechtliche Fernsehen spielt hier als Finanzierungspartner eine entscheidende Rolle, weil es durch seine Einnahmen aus den Fernsehgebühren über maßgebliche Produktionsmittel verfügt. Mit der Kontrolle über die Verteilung der Finanzmittel verbunden ist zum einen eine grundsätzliche Kontrollfunktion darüber, was produziert wird und was nicht, zum anderen impliziert diese Position...

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