Das historische Dänemark
Das historische Dänemark war eine Macht, deren Territorium sich von Jütland im Westen bis zur Ostküste des heutigen Schwedens und im Norden bis an die Grenze Norwegens erstreckte. Diese Landesteile gilt es im Hinterkopf zu behalten, wenn man vom historischen Dänemark spricht. Im Folgenden sollen daher die Landesteile, beginnend im Osten, in ihrem historischen Kontext beschrieben werden.
Schonen
Schonen, dän. Skåne, ist eine Halbinsel östlich von Seeland, auf der Ostseite des Öresundes. Die südliche Spitze dieser Halbinsel, Skanör (die Schadensinsel), stand nicht nur Pate bei der Benennung des gesamten Raumes als ›Skandinavien‹, sondern Schonen und die angrenzenden Gebiete, wenn wir dem norwegischen Kaufmann Ottar aus dem 9. Jahrhundert glauben können, machten zu dieser Zeit das eigentliche Dänemark aus. Schonen wurde schon 811 als ein eigenständiges Gebiet erwähnt und konnte seine wichtige Stellung im dänischen Reichsverband bis ins 17. Jahrhundert behaupten.
Im Norden grenzte das Land an einen nahezu undurchdringlichen Wald, der Schonen von den sieben kleinen Königreichen (den Småland[en]) trennte, wohingegen der Süden Schonens, die sogenannte »Große Ebene«, eines der fruchtbarsten Gebiete Skandinaviens ist. Im Westen, Süden und Osten wird Schonen vom Meer umgeben. Nur im äußersten Nordosten hat das Land im Mittelalter eine Grenze zum Königreich Lister. Der Hauptort Schonens ist seit dem Hochmittelalter Lund (eventuell benannt nach dem englischen London). Schonen war im Früh- und Hochmittelalter fast ausschließlich mit dem Schiff zu erreichen. Erst die Urbarmachung der Grenzwälder zu Småland öffnete Landwege nach Norden. Diese Landwege brachten die Schweden schließlich auf den Gedanken, Schonen als natürlichen Teil ihres Landes zu betrachten. Somit waren sie mitursächlich für die Annexion des Landes durch Schweden im Jahr 1658.
Bornholm
Südöstlich von Schonen, aber noch in Sichtweite, liegt die 587 Quadratkilometer große Insel Bornholm. Die Insel, die in alten Quellen Borgundarholm (hoher Berg) genannt wurde, wurde bis etwa 1100 von einem regionalen Kleinkönig bzw. Häuptling regiert, woraufhin sie zu einem bisher unbekannten Zeitpunkt dem Land Schonen zufiel. Spätestens seit dem 13. Jahrhundert galten auf der Insel auch die Gesetze des Landes Schonen. Als Schonen 1658 an Schweden abgetreten werden musste, wurde Bornholm ebenfalls schwedisch. Allerdings überrumpelten die Bornholmer unter Führung von Villum Clausen am 8. Dezember 1658 den schwedischen Kommandeur der Insel, Johan Printzensköld, und baten den dänischen König anschließend um Wiederaufnahme in das dänische Reich. Der Status der Insel als dänische Besitzung wurde im Frieden von Kopenhagen 1660 bestätigt. Aufgrund ihrer strategischen Lage wurde sie 1945 und 1946 von sowjetischen Truppen besetzt. Nach deren Abzug vereinbarten die Sowjetunion und Dänemark, dass keine fremden Truppen die Insel betreten dürfen. Seitdem ist die Insel wieder dänisch und gehört heute zum sogenannten Hauptstadtgebiet, d. h. zur Verwaltungseinheit von Kopenhagen.
Lister
Nordöstlich von Schonen liegt das kleinste der ostdänischen Länder, das Königreich Lister. Lister oder das Listerland ist eine kleine Halbinsel in der Hanöbucht am Übergang von Schonen nach Blekinge. Der Sage nach residierte hier im 4. Jahrhundert König Alarik, der erste namentlich bekannte König Schonens. 1203 wurde Lister erstmals urkundlich neben Schonen als Teil Dänemarks erwähnt und ging seitdem in die traditionelle Aufzählung der dänischen Lande ein. Lister war bis 1570 ein eigenständiges Land (Len) und wurde dann Schonen zugeschlagen. 1658 wurde Lister schwedisch.
Blekinge
Das östlichste Land Zentraldänemarks war Blekinge. Zwar wird Blekinge in einer Reisebeschreibung des 9. Jahrhunderts zum Königreich der Svea (der späteren Schweden [= Svea-rike, das Reich der Schweden]) gerechnet, doch scheinen die Blekinger eine relativ eigenständige Politik verfolgt zu haben. Im 11. Jahrhundert sollen sie durch einen schonischen Bischof christianisiert worden sein; allerdings geben die Verzeichnisse der schonischen Kirche keinen Hinweis auf Blekinge. Erst in einem Besitzverzeichnis der dänischen Könige, dem sogenannten Erdbuch König Waldemars aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts, wird Blekinge erwähnt: Neben einigen Landschaften, Orten und Wäldern besitze der König dort alle Inseln, derer es so viele gebe wie Tage im Jahr. Es ist insoweit davon auszugehen, dass Blekinge wie Lister am Anfang des 13. Jahrhunderts zu Dänemark gekommen ist, wenngleich das Land zwischen Schweden und Dänen mehrfach hart umkämpft war. Im Jahr 1658 musste auch Blekinge an Schweden abgetreten werden.
Halland
Das Königreich Dänemark erstreckte sich aber nicht nur nach Osten, sondern auch nach Norden. Den nordwestlichen Abschluss Schonens bildet ein kleiner ›Mittelgebirgszug‹, die Hallandsåsen, der noch heute ein bedeutendes Verkehrshindernis darstellt. Dieses Gebirge trägt seinen Namen nach der nördlich daran anschließenden Landschaft Halland, die sich entlang der Kattegatküste bis fast nach Göteborg erstreckt. Im Mittelalter grenzte Halland im Norden an das norwegische Bohuslen und im Westen an das schwedische Västergötaland.
Halland wird wohl schon in der geographischen Beschreibung des Jodanus aus dem 6. Jahrhundert erwähnt und als die Hallin in Scandza bezeichnet. Im frühen Mittelalter wird Halland dann Dänemark zugerechnet, ohne dass über den Übergang etwas bekannt ist. Aufgrund der Grenzlage war Halland spätestens seit dem 13. Jahrhundert immer wieder Schauplatz von Kriegen und Plünderungen, wodurch das Land verarmte. Da es zudem eine Barriere zwischen Schweden und dem Kattegat bildete, strebte Schweden frühzeitig danach, sich das Gebiet als direkten Meereszugang anzueignen. Bereits 1645 hatten diese Bemühungen Erfolg, und 1658 wurde Hallands Zugehörigkeit zu Schweden bestätigt. Bis 1719 war das Land schwedisches Generalgouvernement, bis es ins Königreich Schweden eingegliedert wurde.
Seeland
Die heute mit Abstand bedeutendste dänische Landschaft bildet die Insel Seeland, dän. Sjælland, westlich von Schonen und dem Öresund. Mit ihren 7031 Quadratkilometern und 2,2 Millionen Einwohnern ist sie heute das wirtschaftliche und administrative Zentrum des Landes. Der Sage nach soll die Göttin Gefion den König der Svea, Gylfi, ausgetrickst haben. Sie stahl ihm ein Stück Land und versetzte es in die See, wodurch die Insel Seeland entstand. Das so entstandene Loch im schwedischen Territorium ist – der Sage nach – entweder der Mälaren oder der See Vänern.
Seeland gilt als eines der historischen Zentren Dänemarks. Lag im frühen Mittelalter der Schwerpunkt des Landes vor allem im Norden der Insel, um den Roskildefjord herum, wo z. B. Rolf Krake, der 23. der Lejrekönige, geherrscht haben soll, so verschob er sich im Laufe der Zeit. Spätestens in der Mitte des 11. Jahrhunderts wurde Ringsted, in der Mitte der Insel gelegen, der »Thingort« (Rechtssprechungs- und politischer Versammlungsplatz) sowohl dieser als auch der Südseeinseln. Seit dem 12. Jahrhundert entwickelte sich Næstved im Süden zum wirtschaftlichen Zentrum, eine Stadt, deren Kaufleute zum Aufblühen Lübecks und Hamburgs im 13. Jahrhundert maßgeblich beitrugen. Die Burg Vordingborg wiederum wurde eine der wichtigsten Reichsburgen.
Erst mit dem Beginn des 15. Jahrhunderts, als die dänischen Könige sich permanent in Kopenhagen niedergelassen hatten, wurde die neue Hauptstadt das Zentrum nicht nur der Insel, sondern auch ganz Dänemarks. Spätestens seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts kommt Kopenhagen eine alles dominierende Zentralfunktion zu. Die letzte Verwaltungsreform im Jahr 2007 hat Kopenhagen, zusammen mit der Stadt Frederiksberg, den nordöstlichsten Teilen Seelands und Bornholms als sogenannte Hauptstadtregion (Region Hovedstaden) definiert, die 1,7 Millionen Einwohner umfasst.
Der restliche Teil der Insel sowie die Südseeinseln bilden die Region Seeland, in der 2015 etwa 820 000 Einwohner lebten. Neben Kopenhagen/Frederiksberg sind Roskilde, Ringsted und Næstved die drei nächstgrößten Städte mit jeweils etwa 80 000 Einwohnern.
Fünen
In einer historisch merkwürdigen und wenig erforschten Zwischenposition befindet sich die besonders fruchtbare Insel Fünen, dän. Fyn, die 3,099 Quadratkilometer groß ist und 2015 etwa 460 000 Einwohner hatte. Sie liegt nicht nur geographisch, sondern vor allem auch historisch zwischen den großen, gut untersuchten Zentren des Landes, Seeland-Schonen auf der einen und Jütland auf der anderen Seite. Zumindest aus Kopenhagener Perspektive wird sie daher stets als eine...