Kapitel 1
Einführung ins Franchising
In diesem Kapitel erfahren Sie zunächst, wie sich Franchising entwickelt hat und welche lange Geschichte Franchising besitzt. Anschließend stellen wir Ihnen das Wesen und die Arten von Franchising vor, wobei wir Ihnen auch die gängigsten Definitionen näherbringen. Abschließen zeigen wir Ihnen noch die Vor- und Nachteile auf sowie dem Franchising ähnliche Geschäftsmodelle.
Geschichte des Franchising
Jeder hat schon einmal von dem Unternehmenstypus der Franchise gehört. Durch große Fastfood-Ketten, Haustierzubehörgeschäfte, Bäckereien, u.v.m. sind verschiedene Franchisesysteme im täglichen Leben kaum zu übersehen. Doch wie hat sich das Franchising eigentlich entwickelt?
Der Begriff des Franchising bzw. der Franchise stammt von den französischen Worten franc (frei) und francher (befreien) ab. Im mittelalterlichen Frankreich bedeutete eine Franchise die Befreiung von bestimmten Abgaben, Zöllen und Gebühren. In der weiteren Entwicklung wurde darunter die Genehmigung verstanden, auf fremdem Grund Märkte oder Messen abzuhalten. Vom 16. und 17. Jahrhundert an galt der Begriff der Franchise zur Bezeichnung eines Privilegs, welches vom Staat einer Person gewährt wurde. In weiterer Folge fand der Begriff auch Einzug ins Privatrecht. Hier verstand man unter Franchise die Erlaubnis, gegen Entgelt ein fremdes Recht kommerziell zu nutzen.
Einen weiteren Entwicklungsschub erhielt das Franchising mit Aufkommen der Industriellen Revolution. Als Paradebeispiel hierfür dient das Vertriebssystem der Singer Sewing Machine Company für ihre Nähmaschinen. Dieses Modell wurde von vielen anderen Firmen übernommen.
Die heute allgemein praktizierte Form der Franchise wurde in den 1950er Jahren entwickelt und stellt seitdem eine anerkannte Wirtschaftsform dar. Ausgehend von den USA fassten in den folgenden Jahrzehnten mehr und mehr Franchisesysteme Fuß in Europa. Wirkliche Popularität erreichte dieses Geschäftsmodell allerdings erst in den späten 1980er und beginnenden 1990er Jahren. Ständig neue Systeme betraten den Markt, und auch bereits bestehende Unternehmen ließen sich auf das Konzept der Franchise ein.
Dieses Konzept, gegen eine Gebühr Know-how, Namen usw. eines erfahrenen Unternehmens nutzen zu können, zog zahlreiche Unternehmensgründer an. Als Folge ist Franchising heute einer der bedeutendsten Wirtschaftsfaktoren in vielen Ländern Europas.
In einer Studie des auf Franchising spezialisierten Rosenberg Forschungszentrums der Universität New Hampshire (USA) aus dem Jahre 2006 werden die Marktchancen in Europa von zwei Drittel der befragten Franchiseunternehmen als hervorragend eingeschätzt und mehr als die Hälfte jener Firmen, die bisher noch nicht in Europa vertreten sind, planten einen Markteintritt.1 Im September des Jahres 2010 hat eine Untersuchung der Europäischen Franchise Federation ergeben, dass rund 10.000 Franchisemarken in 20 Ländern Europas operieren.2
Die KMU Forschung Austria hat im Jahr 2011 im Auftrag des Österreichischen Franchiseverbandes eine Analyse der in Österreich tätigen Franchisesysteme durchgeführt und einen Ausblick für das Jahr 2011 gestellt.3 Die Ergebnisse waren, dass in Österreich rund 420 Franchisesysteme mit rund 6.700 Franchisenehmern, die rund 8.000 Filialen betreiben, tätig sind. Weiters beschäftigten diese Franchisesysteme in Summe rund 61.000 Personen und erwirtschafteten 2010 einen Nettojahresumsatz von rund EUR 7,9 Mrd., wobei rund 70 % der Franchisesysteme ein Umsatzwachstum erzielen konnten. Rund 78 % der Franchisesysteme rechneten für das Jahr 2011 mit Umsatzzuwächsen, und rund 85 % wollten neue Filialen eröffnen. Im Jahr 2013 hat eine neuerliche Untersuchung4 festgestellt, dass die Anzahl der Systeme leicht gewachsen und die Branche im Übergang von der Aufbauphase zur Expansionsphase ist sowie ein stabiles Wachstum aufweist. Auch die Angaben der Franchisesysteme zu Umsatzwachstum und Expansionsplänen wurden bestätigt. Abschließend wurde festgestellt, dass die durchschnittlichen Investitionskosten EUR 145.000 betragen sowie die durchschnittliche Einstiegsgebühr EUR 18.000.
Franchising hat sich demnach im Laufe von drei Jahrzehnten in Österreich und ganz Europa zu einer fest etablierten Vertriebsform entwickelt und ist heute eine der begehrtesten Formen, selbstständig ein Unternehmen zu errichten.
Die Argumente für diesen Schritt sind – unter anderem – ein leichterer Markteinstieg auf Grund eines bekannten Systems, oftmaliger Gebietsschutz, geringeres unternehmerisches Risiko und fortlaufende Unterstützung und Fortbildung durch den Franchisegeber. Als Gegenleistung hat der Franchisenehmer eine Gebühr, meist in Form einer Umsatzbeteiligung, zu leisten und verzichtet auch auf einen Teil seiner unternehmerischen Freiheit, da viele Entscheidungen zentral vom Franchisegeber getroffen werden, wie etwa Sortiment, Werbekonzept usw.
Versuch einer Definition
Auf Grund der Vielfalt an Systemen und Arten des Franchising (siehe unten), fällt es sehr schwer, eine allgemeine und für alle passende Definition zu finden. Die European Franchise Federation5 hat dies versucht, und das Ergebnis wurde von vielen nationalen Franchiseverbänden übernommen, wie etwa auch vom Österreichischen und Deutschen Franchiseverband:
„Franchising ist ein Vertriebssystem, durch das Waren und/oder Dienstleistungen und/oder Technologien vermarktet werden. Es gründet sich auf eine enge und fortlaufende Zusammenarbeit rechtlich und finanziell selbstständiger und unabhängiger Unternehmen, den Franchisegeber und seine Franchisenehmer. Der Franchisegeber gewährt seinen Franchisenehmern das Recht und legt ihnen gleichzeitig die Verpflichtung auf, ein Geschäft entsprechend seinem Konzept zu betreiben. Dieses Recht berechtigt und verpflichtet den Franchisenehmer, gegen ein direktes oder indirektes Entgelt im Rahmen und für die Dauer eines schriftlichen, zu diesem Zweck zwischen den Parteien abgeschlossenen Franchisevertrags bei laufender technischer und betriebswirtschaftlicher Unterstützung durch den Franchisegeber, den Systemnamen und/oder das Warenzeichen und/oder die Dienstleistungsmarke und/oder andere gewerbliche Schutz- oder Urheberrechte sowie das Know-how, die wirtschaftlichen und technischen Methoden und das Geschäftssystem des Franchisegebers zu nutzen.
Know-how bedeutet ein Paket von nichtpatentierten praktischen Kenntnissen, die auf Erfahrungen des Franchisegebers und Erprobungen durch diesen beruhen und die geheim, wesentlich und identifiziert sind.
Geheim bedeutet, dass das Know-how in seiner Substanz, seiner Struktur oder der genauen Zusammensetzung seiner Teile nicht allgemein bekannt oder nicht leicht zugänglich ist; der Begriff ist nicht in dem engen Sinne zu verstehen, dass jeder einzelne Teil des Know-hows außerhalb des Geschäfts des Franchisegebers völlig unbekannt oder unerhältlich sein müsste.
Wesentlich bedeutet, dass das Know-how Kenntnisse umfasst, die für den Franchisenehmer zum Zwecke der Verwendung des Verkaufs- oder des Weiterverkaufs der Vertragswaren oder -dienstleistungen unerlässlich sind. Das Know-how muss für den Franchisenehmer unerlässlich sein; dies trifft zu, wenn es bei Abschluss der Vereinbarung geeignet ist, die Wettbewerbsstellung des Franchisenehmers insbesondere dadurch zu verbessern, dass es dessen Leistungsfähigkeit steigert und ihm das Eindringen in einen neuen Markt erleichtert.
Identifiziert bedeutet, dass das Know-how ausführlich genug beschrieben sein muss, um prüfen zu können, ob es die Merkmale des Geheimnisses und der Wesentlichkeit erfüllt; die Beschreibung des Know-hows kann entweder in der Franchisevereinbarung oder in einem besonderen Schriftstück niedergelegt oder in jeder anderen geeigneten Form vorgenommen werden.“6
In der österreichischen Rechtsprechung wird der Franchisevertrag wie folgt definiert:
„Durch den Franchisevertrag wird ein Dauerschuldverhältnis begründet, durch das der Franchisegeber dem Franchisenehmer gegen Entgelt das Recht einräumt, bestimmte Waren und/oder Dienstleistungen unter Verwendung von Name, Marke, Ausstattung, usw. sowie der gewerblichen und technischen Erfahrungen des Franchisegebers und unter Beachtung des von diesem entwickelten Organisationssystems und Werbesystems zu vertreiben, wobei der Franchisegeber dem Franchisenehmer Beistand, Rat und Schulung in technischer und verkauftechnischer Hinsicht gewährt und eine Kontrolle über die Geschäftstätigkeit des Franchisenehmers ausübt.“7
Wesen des Franchising
Die Definitionen des Franchising und des Franchisevertrages sind etwas sperrig, beschreiben aber dennoch recht gut das Wesen des Franchising. Mit folgenden Schlagwörtern lässt sich ein zusätzlicher schneller Überblick gewinnen:
- Zwei unabhängige Unternehmer, die
- durch einen Vertrag vertikal miteinander verbunden sind, wobei
- der Franchisegeber Know-how, Netzwerk, Konzept, Ausstattung, Markenrechte u.v.m. zur Verfügung stellt, und
- der Franchisenehmer seine Arbeitskraft einbringt und eine Gebühr bezahlt.
Essentiell ist, dass zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer ein Vertrauensverhältnis besteht. Beide Parteien...