Im Gegensatz zum formalen Lernen in institutionalisierten Bildungseinrichtungen lässt sich das informelle Lernen als eine natürliche Begleiterscheinung des täglichen Lebens bezeichnen, das sich sowohl bewusst als auch unbewusst im unmittelbaren Lebensvollzug der Individuen vollzieht. Informelle Lernprozesse nehmen in allen Teilen der Welt sowie in allen Entwicklungsstufen der Völker einen herausragenden Einfluss auf die Kompetenzentwicklung. Bereits in den siebziger Jahren wurde im UNESCO-Bericht der Faure-Kommission über Ziele und Zukunft unserer Erziehungsprogramme in Bezug auf primitive Gesellschaften festgestellt, dass diese informellen, nicht institutionalisierten Formen des Lernens und der Lehrzeit in weiten Teilen der Welt und dort immer noch die einzige Art der Erziehung von Millionen von Menschen sind. Auch im Memorandum über Lebenslanges Lernen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften wird die Bedeutung informellen Lernens hervorgehoben, indem darauf verwiesen wird, dass das informelle Lernen die Hauptstütze des Lernens im frühen Kindesalter bilde. Für Dohmen stellt es sogar die Grundform menschlichen Lernens überhaupt dar. Die Bedeutung informellen Lernens lässt sich ebenso unter quantitativen Gesichtspunkten darstellen: Verschiedene Studien belegen, dass 70 bis 90 Prozent der berufsrelevanten Kompetenzen außerhalb institutioneller Bildungseinrichtungen erworben werden. Auch die Ergebnisse einer kanadischen Erhebung über informelles Lernverhalten weisen in eine ähnliche Richtung: Demnach befassten sich über 95 Prozent der erwachsenen Kanadier mit verschiedenen informellen Lernaktivitäten, während die Teilnahme an organisierten Bildungsmaßnahmen mit 50 Prozent dagegen vergleichsweise gering war. Zudem lag der für den informellen Kompetenzerwerb aufgebrachte Zeitaufwand mit 15 Wochenstunden signifikant höher als die für formale Weiterbildungsmaßnahmen erbrachten vier Wochenstunden. Wenn sich nun der weitaus größere Teil menschlicher Lernprozesse offenbar außerhalb institutionalisierter Bildungseinrichtungen vollzieht und das Leben somit selbst zum Lehrmeister wird, so erfordert dies ein erweitertes Lernverständnis, das dass kompetenzentwickelnde informelle Lernen ausdrücklich einschließt.
Anna Stegemann, geb. 1982, Diplom-Pädagogin, Studium der Erziehungswissenschaften an der Universität Duisburg-Essen, Schwerpunkt Erwachsenenbildung/Bildungsberatung am Institut für Berufs- und Weiterbildung. Abschluss 2007 als Diplom-Pädagogin.
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