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E-Book

Kognitive Verhaltenstherapie bei Körperdysmorpher Störung

Ein Therapiemanual

AutorStefan Brunhoeber
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl183 Seiten
ISBN9783844428599
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Neben den bekannten Essstörungen ist die Körperdysmorphe Störung (KDS) eine weitere pathologische Form der Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper. Allein in Deutschland schätzt man die Anzahl der Betroffenen auf über eine Million. Die Störung verläuft oft chronisch und schwerwiegend und wird vielfach immer noch übersehen. In der Folge werden Betroffene falsch oder gar nicht behandelt. Der meist ich-synton geprägte Symptomkomplex und die wahnhafte Überzeugung der Patienten, körperlich missgestaltet zu sein, stellt Therapeuten vor große Herausforderungen. Dieses Manual bietet eine gute Grundlage, das Störungsbild besser zu verstehen und Patienten zu helfen, sich von ihrer Fixierung auf ihr Äußeres zu lösen. Neben einer Einführung zur Vielseitigkeit des Störungsbildes sowie Differenzialdiagnostik werden aktuelle Erklärungsmodelle und Behandlungsansätze diskutiert. Der Schwerpunkt liegt auf den Behandlungsstrategien, die für die 2. Auflage überarbeitet und durch zahlreiche praxisnahe Beispieldialoge, Übungen sowie Erfahrungen aus der Praxis ergänzt wurden. Aufbauend auf den Grundlagen (Motivationsaufbau, Psychoedukation etc.) wird das therapeutische Vorgehen nun auf sieben Behandlungssäulen aufgeteilt: 1)Bearbeitung der Funktionalität, 2)Korrigierende Erfahrungen in Bezug auf das Aussehen, 3)Reduktion der behavioralen Beschäftigung mit dem Aussehen/Körper, 4)Reduktion der gedanklichen Beschäftigung mit dem Aussehen, 5)Aufbau von Identitäten, die vom Aussehen unabhängig sind, 6)Veränderung der Selbstwahrnehmung, 7)Modifikation bzw. Aufbau von Bewältigungskompetenzen.

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Leseprobe

|15|Kapitel 2
Klinische Symptomatik


Die beiden folgenden Beispiele eines Manns und einer Frau sollen die vielfältige Symptomatik einer KDS illustrieren, bevor dann im Anschluss die einzelnen Symptome ausführlich beschrieben werden.

Beispiel: Jürgen L., 25 Jahre

Ich weiß, wenn ich jetzt sage was mein Problem ist, werden ein paar Leute lachen und sich denken „Und deswegen will er sich das Leben nehmen?“ Mein Problem ist, dass ich mich einfach nur hässlich finde. Ich kann mich nicht mehr sehen und ich habe auch schon oft deswegen geweint. Ich glaube, ich bin schon psychisch krank, da ich letztes Mal in meinen Spiegel gehauen habe, bis der kaputt gegangen ist. Ich wollte auch schon Mal ein Messer nehmen und mir das Gesicht aufschneiden, aber dafür war ich dann doch zu feige. Die Leute sagen zu mir, ich sei hübsch, aber die wissen gar nichts. Ich bin nicht hübsch! Ich stehe morgens auf und könnte schon kotzen. Ich kann an nichts anderes denken, als an mein hässliches Aussehen. Das hat mich krank gemacht. Ich bin so wütend. Ich schlage mir deswegen ins Gesicht. … Wenn ich in die Stadt gehe und mir die Leute angucke, wie hübsch sie sind, dann schäme ich mich für mein Aussehen! Ich pflege mich extrem und habe auch keine Pickel im Gesicht, aber es ist so komisch. Ich bin einfach hässlich. Wenn ich jemand Neues kennen lerne, dann habe ich immer Angst, die Person würde mich hässlich finden. Wenn ich rausgehe und mich Leute angucken, denke ich mir immer „Die gucken mich bestimmt gerade an, weil ich so hässlich bin.“ Egal was ich mache, ich werde diesen Gedanken nicht los.

Ich weiß nicht genau, was Schönheit ist, aber es gibt Leute … Topmodels … die haben alles, schöne Augen, schöne Lippen, schöne Wangen, schöne Wimpern, eine schöne Nase, einfach alles und was habe ich? Gar nichts davon und das tut mir so weh. Ich habe mal gehört, dass Menschen einen immer anders sehen als man sich selber, aber das wurde bestimmt nur erfunden, damit eine so hässliche Person wie ich nicht verzweifeln muss. Es vergeht nicht ein Tag, an dem ich nicht an mein Aussehen denke. Wenn ich mich auf Fotos sehe, zerreiße ich sie oft. Ich habe mich schon häufig mit Freunden gestritten, weil sie Fotos von mir mit dem Handy gemacht haben.

Heute habe ich den ganzen Tag damit verbracht, mich stundenlang vorm Spiegel zu beobachten. Ich habe festgestellt, dass meine Unterlippe ein wenig dicker ist als meine Oberlippe. Vielleicht ist das nicht schlimm, aber komisch finde ich es schon. Dann sind mir meine Augen aufgefallen. Ich habe ganz viele kleine Äderchen im Auge. Ist das normal? Meine Augenränder sind auch schlimm. Meine Haut gefällt mir sowieso nicht, sie schaut einfach nicht gesund aus. Es ist verrückt, aber ich kann’s nicht lassen. Ich hasse den Spiegel, aber ohne ihn kann ich auch nicht. Der Spiegel ist mein Freund und gleichzeitig mein Feind. Ohne ihn könnte ich mich z. B. nicht vergewissern, ob alles in Ordnung ist, und schauen, ob ich nicht doch was finde, was mir nicht gefällt. Und wenn ich dann was finde, hasse ich ihn. Ich hasse ihn jeden Tag, weil ich jeden Tag irgendwas finde, was mir nicht passt. Das macht mich krank. Ich möchte einmal in den Spiegel sehen und mir sagen: „Heute siehst du gut aus“, aber ich glaube, dazu wird es, so wie es aussieht, nie kommen.

Beispiel: Karin Z., 28 Jahre

Ich habe eigentlich überhaupt keinen Grund, mich zu beschweren, da ich ziemlich hübsch bin. Das sagen mir viele, und ich sehe es an vielen Reaktionen von anderen Männern und Frauen. |16|Aber ich selber mag mich überhaupt nicht und fühle mich zeitweise abgrundtief hässlich. Da es aber optisch keinen sichtbaren Makel für andere gibt, kann ich mit niemanden darüber sprechen, weil mich keiner versteht und mir immer gesagt wird, dass ich absolut keinen Grund dafür habe. Es geht bei mir im Speziellen um mein Gesicht. Es ist immer wieder etwas anderes, das mich stört, manchmal sind es die Zähne, dann wieder mein Mund. Ich denke, mein Mund sieht total seltsam aus und ich möchte nicht, dass, wenn ich rede, mir jemand auf meinen Mund guckt. Des Weiteren finde ich meine Augen viel zu groß und ausdruckslos. Meine Nase sieht auch seltsam aus. Ich versuche aus mir etwas zu machen und schminke mich daher, aber manchmal reicht das nicht aus und ich fühle mich so hässlich, dass ich fast den ganzen Tag brauche, um mich zurechtzumachen, bevor ich das Haus verlasse. Die längste Zeit, die ich fast nur zu Hause verbracht habe, waren elf Monate. Als ich in der langen Zeit nicht rausgegangen bin, war ich davon überzeugt, dass alle Menschen mich anstarren, weil ich so auffällig hässlich bin. Wenn ich durch die Stadt laufe, gehe ich immer irgendwie am Rand von den Geschäften, weil ich nicht im Mittelpunkt stehen will. Andererseits möchte ich nicht ungeschminkt oder ungepflegt herumlaufen, aber wenn ich mich etwas zurecht mache, gucken wieder alle. Mache ich mich aber nicht zurecht, dann fühle ich mich noch viel unwohler. Das ist eine richtige Zwickmühle. Wenn mich irgendwo Männer anstarren, dann kriege ich immer totale Hassgefühle und denke: „Guck weg, du doofe Sau“. Erst später nach ein paar Stunden wird mir oft bewusst, dass der mich vielleicht nur nett fand oder flirten wollte. Das kann ich mir aber nur über den Verstand sagen, fühlen kann ich das nicht. Ich beobachte mich auch oft im Spiegel und schwanke dann zwischen „du siehst hübsch aus“ (das ist, wenn in meinem sozialen Umfeld alles stimmt) bis hin, dass ich mich so hässlich fühle und ich zehntausendmal aus allen Blickwinkeln in den Spiegel gucken muss, bis ich das Haus verlasse. Das kann manchmal Stunden dauern.

Die Symptomatik der KDS lässt sich am besten in zwei Bereiche einteilen: Eine übermäßige Beschäftigung und innere Beherrschtheit von einem imaginären Makel (Kriterium A) sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen (Kriterium C).

Als Untergliederungshilfe wird im weiteren Text das Kriterium A durch die gedankliche Beschäftigung mit dem eigenen Aussehen, die angewandten Sicherheitsverhaltensweisen sowie das Aufsuchen und die Inanspruchnahme medizinischer Hilfe beschrieben. Das Kriterium C wird durch die Punkte psychosoziale Auswirkungen und KDS-spezifische Emotionen näher spezifiziert.

Kriterium A:

Gedankliche Beschäftigung mit dem eigenen Aussehen. Von einer KDS betroffene Personen beschäftigen sich gedanklich viele Stunden am Tag mit ihrem Aussehen. Bei vielen gilt morgens bereits der erste Gedanke dem eigenen Aussehen, abends grübeln sie vor dem Einschlafen über ihr Erscheinungsbild und nicht selten träumen sie nachts davon (siehe dazu Kap. 2.2).

Sicherheitsverhaltensweisen. Um mit ihrem „hässlichen“ Äußeren leben zu können, setzen die Betroffenen zahlreiche Sicherheitsverhaltensweisen, wie z. B. verschiedenste Kontrollrituale, Methoden der Aussehensbeeinflussung und -manipulation sowie Vermeidungsverhalten, als Bewältigungsstrategien ein (s. Kap. 2.3).

Aufsuchen und Inanspruchnahme medizinischer Hilfe. Um das eigene verhasste Aussehen zu verändern, suchen die unter einer KDS leidenden Personen häufig plastisch-chirurgische, kosmetische, dermatologische oder zahnärztliche Hilfe auf. Von diesen Behandlungsangeboten versprechen sie sich eine wirksame Hilfe, um zu lernen, besser mit dem eigenen Aussehen umzugehen. Sollte für Behandlungen kein Geld vorhanden sein bzw. sollten sie von ärztlicher Seite abgelehnt werden, behandeln oder operieren sich einige Betroffene eigeninitiativ (s. Kap. 2.4).

Kriterium C:

Psychosoziale Auswirkungen. Die Symptome der KDS führen häufig zu erheblichen Einschränkungen in der Lebensführung der betroffenen Personen. In Zeiten, in denen der Defekt als besonders schlimm erlebt wird, werden aufgrund der Entstellungsgefühle häufig soziale Situationen gemieden. Diese Vermeidung bezieht sich nicht nur auf öffentliche Situationen, sondern auch auf private, wie etwa Treffen mit Freunden und Bekannten. Einige Betroffene verlassen aus Angst vor...

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