1 Konflikt und Kooperation ( S. 1)
1.1 Einordnung des Themas
In der modernen Führungspraxis wird immer weniger allein und immer mehr in Teams gearbeitet (vgl. z. B. Antoni, 2000, Spieß, 1998, 2003). Entspricht nun Gruppenarbeit lediglich einem Zeittrend, oder ist man tatsächlich bei dieser Arbeitsform gegenüber der Einzelarbeit im Vorteil, d. h. effizienter? Man kann heute schon fast von einer Teameuphorie sprechen – von dieser Arbeitsorganisation wird oft der entscheidende Fortschritt, der Produktivitätszuwachs erwartet.
Zwar gilt: Menschen sind „soziale Wesen", die sich in Gruppen organisieren. Wir sind (Klein-)Gruppenwesen, die auf den Kontakt mit anderen fast lebensnotwendig angewiesen sind. Gleichzeitig wird aber berichtet, dass viele Gruppen mehr schlecht als recht zusammenarbeiten. Die Ergebnisse aus der Praxis sind durchaus widersprüchlich – ein genereller Leistungsvorteil der Gruppe zeigt sich nicht (z.B. Grunwald, 1996, Antoni, 2000, Gebert &, v. Rosenstiel, 2002, S. 141 ff., Gebert, 2004).
Einerseits benötigen wir in Organisationen den Teamplayer, da komplexe Tätigkeiten nur im Zusammenspiel der Experten erfüllt werden können. Kein Einzelner kann ein Aufgabengebiet noch vollständig überblicken. Kooperation ist eine Anforderung bei arbeitsteiligen und hoch spezialisierten Organisationsformen.
In vielen Fällen gibt es deshalb zur Teamarbeit keine Alternative: Komplexe Aufgabenstellungen, knappe Zeitressourcen, Innovations- und Kostendruck erfordern die effiziente Zusammenarbeit von Spezialisten (z.B. Gebert, 2004). Die Folge von Kooperation sind Interdependenzen – zwischen kooperierenden Kollegen wie Organisationseinheiten.
Gleichzeitig sprechen wir von einer zunehmenden Individualisierung, immer mehr Kinder wachsen als Einzelkinder ohne Geschwister auf, in Schulen und Hochschulen wie später im Unternehmen wird die Einzelund gerade nicht die Teamleistung bewertet und gefördert.
Auch gesellschaftlich wird stärker Eigenverantwortung verlangt, wechselseitige Solidarität scheint vergangenen Zeiten anzugehören. Ergibt die Summe von individualistischen Einzelleistungen tatsächlich das gute Teamergebnis? Führt die Verfolgung egoistischer Einzelinteressen zum Gemein- und Unternehmenswohl, weil sich jeder dann besonders stark einsetzt? Ist es damit lediglich eine Führungsaufgabe, die Mitarbeiter geschickt einzubinden und einzusetzen?
„Wir fordern Teamarbeit, doch wir befördern Stars."
Dies kennzeichnet das Dilemma, in dem viele Organisationen sich befinden. Sie benötigen Teamarbeit und damit auch das Zurückstellen individueller Interessen, um die stringente Verfolgung des Gesamtziels zu ermöglichen. Jedoch wird häufig ein anderes Verhalten belohnt: Gemessen wird die Einzelleistung und damit erhalten diejenigen Zulagen und Beförderungen, die sich von den anderen abheben, bessere Leistungen als ihre Kollegen erzielen.
Kooperation meint sowohl die Zusammenarbeit innerhalb eines Teams und zwischen Abteilungen, als auch die zwischen einzelnen Personen, beispielsweise zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. Man kann einen Konflikt als die Kehrseite der Kooperation betrachten.
Ein interpersonaler Konflikt kann nur dort entstehen, wo Menschen miteinander agieren, Interessen haben, die sich beeinflussen, oder Ziele verfolgen, die nicht gleichzeitig zu realisieren sind. Der Konflikt ist in diesem Sinne die nicht gelungene Kooperation.
Mit diesem Spannungsfeld von Einzel- und Gruppenleistung, also mit Kooperation, Konflikt und Konkurrenz beschäftigt sich dieses Buch. Dabei sollen Praktiker konkrete Hinweise für die Führung von Gruppen und für geeignetes Verhalten in Konfliktsituationen erhalten. Wissenschaftlern und Studierenden bietet dieses Buch einen komprimierten Überblick über den Stand der anwendungsorientierten Konfliktforschung.