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E-Book

Mein heimlicher Hunger

Ich hatte Essstörungen und bin geheilt

AutorGundis Zámbó
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783644414310
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Gundis Zámbó ist zehn, als sie das erste Mal im Sportunterricht in der Schule feststellt, dass sie dickere Beine hat als die anderen Mädchen in ihrer Klasse. Die nun folgenden Jahre, die einsetzende Pubertät, sind der Beginn eines jahrelangen Kampfes gegen ihr - objektiv gar nicht vorhandenes - Übergewicht. Eines Tages verraten ihr Freundinnen, wie man nach Herzenslust essen und trotzdem dünn bleiben kann - die Ess-Brech-Sucht, die Bulimie, hält Einzug in ihr Leben. Je älter Gundis wird, desto verbissener versucht sie, sich ihren Körper untertan zu machen. Nur so könne sie die perfekte Tochter, Mutter und Geschäftsfrau sein. Ihre Essstörungen nehmen lebensbedrohliche Züge an. Aber schließlich gelingt es Gundis, sich aus den Fängen der Bulimie zu befreien.

Gundis Zámbó, Jahrgang 1966, begann ihre Karriere als Moderatorin der Sendungen 'Bitte lächeln' und 'Bim Bam Bino'. Zahlreiche Moderationen folgten, auch als Schauspielerin war sie aktiv. In den letzten Jahren hatte sich Gundis Zámbó wegen ihrer Erkrankung aus dem Fernsehgeschäft zurückgezogen. Inzwischen steht sie wieder vor der Kamera. Mehr über die Autorin unter www.gundiszambo.de

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Leseprobe

Schreiben ist Therapie


«Wir haben […] die Erfahrung gemacht, dass unsere Patientinnen die wahren Expertinnen in Sachen Magersucht und Bulimie sind. Wo wir die Essstörungen sozusagen von außen, anhand von Zeichen und Verhaltensweisen festmachen […], da sehen sie nach innen, fördern Erlebnisse und Gefühle zutage, stellen Assoziationen zu ihrem gestörten Essverhalten her, auf die wir mit unserem psychologisch-psychiatrischen Wissen nicht gekommen wären. Wer essgestörten Frauen zuhört, kann viel über den Sinn ihrer Krankheit erfahren und vermag sie auf diese Weise vielleicht besser zu verstehen.»

 

GERLINGHOFF/​BACKMUND, S. 56

Mein Name ist Gundis Zámbó. Ich bin Mutter, Hausfrau, Lebensgefährtin, Moderatorin, Schauspielerin und Autorin. Und ich habe eine Geschichte zu erzählen. Es ist die Geschichte von der Sehnsucht nach Erfolg und Schönheit, von der Sehnsucht nach Liebe – nach Liebe zu mir selbst. Es ist meine Geschichte.

Ich habe fünfundzwanzig Jahre lang mit einer Essstörung gelebt und mich schließlich selbst geheilt. Und zwar, indem ich meine Liebe zu mir entdeckt und angenommen habe. Jetzt lebe ich ein zweites Mal. Das ist mein Glück.

Wenn jeder lernen würde, sich so anzunehmen, wie er ist – mit allem, was dazugehört: dicken Oberschenkeln, dünnen Haaren, Selbstzweifeln, Sorgen, Träumen, Frust und Freude –, dann wäre die Welt ein bisschen mehr in Ordnung.

Wir sind geboren, um so zu sein, wie wir sind. Nicht, um so zu werden, wie irgendjemand uns gerne hätte, und auch nicht, um dem Bild zu entsprechen, das wir selbst – beeinflusst von Medien und Gesellschaft – im Laufe der Jahre von uns geschaffen haben. Schließlich sind wir keine Roboter, wir sind Menschen.

Ich empfinde mein Leben als beispielhaft, denn es zeigt, wie man schleichend in die Fänge dieser Krankheit geraten kann und wie es möglich ist, sich aus eigener Kraft von den Essstörungen zu befreien, um ein neues, gesundes und erfülltes Leben zu beginnen.

Die Lektüre dieses Buches, das sei Ihnen hier verraten, ist gewiss nicht immer leicht, und sensible Naturen werden sich vielleicht hier und da schockiert abwenden. Aber was ist schon leicht?

Diese Krankheit ganz bestimmt nicht, genauso wenig wie ihre Aufarbeitung. Entsprechend lange hat es gedauert, bis dieses Buch endgültig in der heutigen Fassung vorlag. Im Jahr 1996, als mein Leben aus den Fugen geriet, habe ich angefangen, meine Geschichte aufzuschreiben. Damals kam einfach zu viel zusammen: zum einen die Trennung vom Vater meiner Tochter inklusive Gerichtsverhandlungen, einstweilige Verfügungen, Presserummel, Bodyguards und Psychoterror, zum anderen die Auflösung meines Vertrages bei SAT.1 und die bittere Erfahrung, dass viele meiner Freunde gar keine wahren Freunde waren. Der Kreis derer, die diesen Titel wirklich verdienen, reduzierte sich schnell auf ein Minimum. Wie heißt es doch so schön? «Freunde in der Not gehen tausend auf ein Lot.»

Zwar hatte ich damals die Einsicht, dass ich ein ernsthaftes Essproblem habe, dass meine Lebensphilosophie nicht funktioniert, dass Dünnsein meine Sehnsüchte nicht stillt und dass Bewunderung von außen mir kein inneres Glück geben kann. Aber was nun? Mein in jahrelanger Arbeit aufgebautes Kartenhaus brach mit einem Mal in sich zusammen, und plötzlich fühlte ich mich nackt, verletzbar und einsam. Ich war unglücklich und meines bisherigen Lebens überdrüssig. Ich musste also etwas ändern. Nur was? Und wie?

Der erste Schritt lautete: Erkenntnis. Ich musste herausfinden, warum ich überhaupt an diesem Punkt angelangt war. Also fing ich an zu schreiben, und im Grunde war es wie eine Therapie für mich. Das Zu-Papier-Bringen meines Lebens lief bei mir damals fast unbewusst ab, und wahrscheinlich war es genau deshalb so authentisch. Jedenfalls durchlebte ich alle Phasen meines Lebens und die damit verbundenen Emotionen noch einmal. Das brachte zwar viele Tränen mit sich, aber auch Erleichterung, Erkenntnis, Freude und eine unbändige Lust auf ein neues Leben. Und es brachte all diese Zeilen hervor, aus denen letztlich mein Buch entstanden ist.

Nachdem ich mir beim Aufschreiben über die wichtigsten Dinge klar geworden war, ging es an die Aufarbeitung. Allerdings war die Umsetzung des Erkannten wesentlich schwieriger, als ich es mir je vorgestellt hatte. Während dieser alles andere als leichten Phase schrieb ich fleißig weiter, doch irgendwann wurde mir alles zu viel. Ich packte die vollgeschriebenen Blätter, Hefte und Blöcke in eine große Plastiktüte und verstaute mein bisheriges Leben ganz oben hinter den Winterpullovern im Kleiderschrank. Dort blieb es erst einmal liegen.

Ich erwog damals durchaus, meine Erfahrungen und Erlebnisse zu veröffentlichen. Schließlich waren Essstörungen schon 1996 ein immer brisanter werdendes Thema, und die Zahl der Betroffenen nahm rapide zu. Dennoch konnte ich es nicht, denn mir fehlte dafür ein ganz entscheidender Teil des Prozesses: die Heilung. Ich hatte nämlich kein Ende für mein Buch, da ich noch immer von der Krankheit betroffen war.

Jetzt, über zehn Jahre später, bin ich gesund. Trotzdem wäre es falsch, zu behaupten, mein Heilungsprozess sei endgültig abgeschlossen, denn der wird andauern, solange ich lebe. Wie bei Alkoholikern, die trocken sind, haben auch Menschen mit Essstörungen für den Rest ihres Lebens mit ihrer Sucht zu tun – denn um nichts anderes handelt es sich bei einer Essstörung.

Aber zumindest weiß ich inzwischen, wer ich bin, was ich will, was mein Leben bereichert, wie ich mit mir umgehe und was mich nährt. Ich habe meinen Selbstwert erkannt und gefunden. Ich mag mich. Ich bin glücklich. Das wirkliche Ende meiner Geschichte als Betroffene, sofern es überhaupt eines gibt, steht in den Sternen. Aber eines ist sicher: Ich habe meine erste Lebenshälfte abgeschlossen und meine Essstörung überwunden.

Wie neugeboren starte ich nun in die zweite Lebenshälfte mit Erkenntnissen, die so wertvoll sind, dass ich mich auf all das freue, was noch kommen wird. Ich weiß, es wird ein reiches und authentisches Leben werden, das mir niemand nehmen kann. Denn ich habe gelernt, mir selbst von innen heraus das zu geben, wonach jeder Mensch sucht und was er mit Hilfsmitteln wie Erfolg, gutem Aussehen, Anerkennung, Bewunderung und Geld zu erlangen glaubt: die Liebe zu sich selbst. Ich brauche diese Hilfsmittel nicht mehr, um meine Sehnsüchte zu stillen, was natürlich nicht heißt, dass ich all diesen Dingen abgeschworen habe. Selbstverständlich möchte ich nach wie vor gut aussehen, Geld und Erfolg haben und von anderen Menschen geliebt werden. Ich lebe nun mal – wie wir alle – auf dem Marktplatz dieses Lebens. Aber heute, nach meiner Genesung, besteht der Unterschied zu damals darin, dass ich all diese Dinge für mich nutze und sie nicht zur Grundlage meines Handelns und meines Glücks werden lasse.

Über zehn Jahre habe ich Einsichten und Erfahrungen in mir wachsen und gedeihen lassen, und jetzt schicke ich sie als Buch in die Welt. Nicht, weil ich andere Menschen missionieren oder bekehren möchte, und auch nicht, weil ich meine, die Nation mit meiner Autobiographie beglücken zu müssen. Ursprünglich war Mein heimlicher Hunger eine Form der Selbsttherapie, inzwischen ist es hoffentlich ein Stück Aufklärung geworden.

Was ich all die Jahre ahnte, aber nicht wusste, während ich unter meiner Krankheit litt: Essstörungen betreffen heutzutage erschreckend viele Menschen in unserer Gesellschaft. Und die Tendenz ist steigend, wozu nicht zuletzt die Medien und das von ihnen geprägte extreme Schlankheitsbild beigetragen haben.

Es gibt verschiedene Formen von Essstörungen. Neben der anorexia nervosa, besser bekannt als «Anorexie» oder «Magersucht», bei der die Betroffenen die Nahrungsaufnahme auf eine tägliche Essensration von einer Tomate oder einem Apfel reduzieren oder die Nahrungsaufnahme gar komplett verweigern, ist die Bulimie, umgangssprachlich «Ess-Brech-Sucht», das typischste Beispiel für eine Essstörung. Die genaue Bezeichnung bulimia nervosa stammt ursprünglich aus dem Griechischen und heißt übersetzt «Ochsenhunger». Der Zusatz nervosa deutet darauf hin, dass die Ursachen der Krankheit psychischer Natur sind.

An Bulimie erkrankte Menschen nehmen übergroße Mengen an Nahrung zu sich, um anschließend aktiv ein Erbrechen herbeizuführen oder um sich durch die Einnahme von Abführ- und/​oder harntreibenden Mitteln des Gegessenen wieder zu entledigen. Die Essattacken, bei denen jeweils bis zu zehntausend Kalorien und mehr, also regelrechte Unmengen – die normale Tagesration einer Frau beträgt gerade mal zweitausend Kalorien –, zugeführt werden, enden stets mit anschließendem Erbrechen und können in schweren Fällen bis zu zehnmal täglich oder noch häufiger auftreten. Bei mir war das nicht anders.

Während anorektische Menschen rein optisch durch ihr extremes Untergewicht auffallen, haben Bulimiker zwar meist eine sehr schlanke, aber doch eher normale Figur und wirken nicht so abgemagert. Und die anderen Begleiterscheinungen der Essstörung, etwa schlechte Zähne, brüchige Fingernägel, stumpfe Haare, lassen sich relativ leicht verbergen.

Da bei beiden Krankheiten die panische Angst der Betroffenen vor einer Gewichtszunahme im Vordergrund steht, ist das exzessive Betreiben von Sport ein typisches Merkmal für essgestörte Menschen. Frauen stellen übrigens mit über neunzig Prozent die größte Gruppe bei den Bulimikern. Ebenso unglaublich, aber wahr: Ganze dreieinhalb Prozent aller Frauen im Alter von vierzehn bis fünfundzwanzig Jahren leiden unter Bulimie, und das...

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