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Meinungsmacher Michael Moore? Der Einfluss des Films Fahrenheit 9/11 auf das Nationenimage Amerikas in Deutschland

eine empirische Analyse

AutorChristiane Lange
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl187 Seiten
ISBN9783836605939
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis43,00 EUR
Michael Moore ist der erfolgreichste und gleichzeitig umstrittenste Dokumentarfilmer aller Zeiten. Jeder seiner Filme ist ein Politikum. Er provoziert in Amerika und auf der ganzen Welt. Die Presse charakterisiert Moore als brillanten Satiriker und furiosen Propagandisten. 2003 avancierte er mit seinem Film Bowling for Columbine und seinem Buch Stupid White Men zur Gallionsfigur einer Amerika-kritischen Bewegung und erlangte internationale Bekanntheit. Im selben Jahr erhielt Michael Moore für Bowling for Columbine den Oscar für den besten Dokumentarfilm. Mit seinem Werk Fahrenheit 9/11 hat Moore versucht, das Medium Dokumentarfilm für ein bestimmtes politisches Interesse zu instrumentalisieren. Er intendierte, die Wiederwahl des amerikanischen Präsidenten George W. Bush am 2. November 2004 zu verhindern. Zentrales Thema des Films ist der Irakkrieg. Stark attackiert Moore den amerikanischen Präsidenten George W. Bush, den er als Verursacher des Krieges und als verantwortungs-losen Politiker darstellt. Fahrenheit 9/11 wurde alleine in Deutschland von 8 Millionen Menschen gesehen. Moore wurde zum prominenten Bush-Kritiker geadelt, und ein medialer Hype um seine Person wurde ausgelöst. Allerdings hat sich noch keine wissenschaftliche Arbeit mit der Wirkung seiner Filme befasst. Daher die Frage: Inwiefern kann es ein Filmemacher vom Format Michael Moore schaffen, Meinungen zu bilden oder zu beeinflussen? Das spezielle Anliegen der Arbeit Meinungsmacher Michael Moore? besteht nun in der Analyse der Frage, ob es ein Dokumentarfilm mit dieser Reichweite und dieser internationalen Popularität schaffen kann, das Nationenimage Amerikas in Deutschland zu beeinflussen. Aufgrund der stringent einseitig negativen Argumentation des Films ist davon auszugehen, dass die Einstellung der Deutschen zu Amerika durch die Rezeption negativ beeinflusst wird. Die Forschungsfrage wird durch ein wissenschaftliches Experiment untersucht. Die Arbeit beinhaltet im theoretischen Teil Elemente der Imageforschung, historische Analysen sowie Elemente der Medienwirkungsforschung und der Filmanalyse. Im empirischen Teil werden die Methodik des wissenschaftlichen Experimentes und seine Ergebnisse dargestellt. Das Buch richtet sich an Michael Moore-Interessierte sowie an Studenten und Dozenten der Politikwissenschaft, Kommunikationswissenschaft und empirischen Sozialforschung. Es stellt einen originären Beitrag zur Forschung dar. Im Oktober 2007 kam Michael Moores neuester Film Sicko in Deutschlands Kinos. Hier rechnete der bekannte Filmemacher mit dem amerikanischen Gesundheitssystem ab.

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Leseprobe
Kapitel 2.3.3.2, Amerika-Kritik als identitätsstiftendes Moment:

Ein weiterer Aspekt, der bei der Bildung des negativen Images von Amerika und bei der losgetretenen Antiamerikanismus-Debatte eine Rolle spielte, ist Donald Rumsfelds Äuße-rung über das „alte Europa“. Als der Verteidigungsminister der USA Europa in das „alte“ und das „neue“ Europa trennte, beabsichtigte er eine Abwertung der Staaten, die sich nicht am Krieg beteiligen wollten. Frankreich und Deutschland waren zwar nicht explizit angesprochen, aber zweifelsohne Adressat der Aussage. Die erwartete Wirkung, dass die Staaten oder zumindest einige ihrer Bürger sich ausgeschlossen fühlen würden, was sie dazu bringen sollte, ihre ablehnende Haltung noch einmal neu zu überdenken, trat nicht ein. Ganz im Gegenteil: Die ausgrenzende Aussage des Verteidigungsminister hatte eine homogenisierende Wirkung innerhalb der Gruppe. Die Kritik wurde positiviert und wirkte identitätsstiftend. Habermas sah in der Abgrenzung zu verschiedenen Vorstellungen der USA sogar die Chance für eine „Wiedergeburt Europas“. Als Gegenvorschlag zum „Brief der Acht“, in dem acht EU-Staaten und EU-Beitrittsländer ihre Unterstützung für die amerikanische Außenpolitik bekundet hatten, veröffentlichte er zusammen mit Derrida einen Essay, der zur außenpolitischen Erneuerung Europas aufrufen sollte. Es sollte ein „Wir-Gefühl“ in Europa entstehen - eine neue Identität. Ob ein abgelehnter Krieg zu einer dauerhaften Identitätsfindung beitragen kann, ist zweifelhaft. Denn der Konsens, der in einer Zeit des Krieges fällt, kehrt sich in Zeiten des Friedens leicht in Dissens um.

Habermas` Utopie liegt aber nicht weit von der Realität. Das „alte Europa“, welches als Schimpfwort intendiert war, galt in der Sicht der betroffenen Staaten eher als Kompliment. Man versuchte sich auf die positiven Werte, die im alten Europa eine Rolle spielten, zurückzuberufen. Kulturalität, Gemeinschaft und Solidarität wurden in den Vordergrund gerückt. Es ist umstritten und keinesfalls bewiesen, dass sich dieser identitätsstiftende Prozess tatsächlich in den Köpfen der Individuen abspielte. Die Möglichkeit ist aber wahrscheinlich, da man sich in Deutschland klar von den als negativ bezeichneten amerikanischen Werten (unter George W. Bush) abgegrenzt hat. Der deutsche Bundeskanzler hat die Ablehnung des Irak-Kriegs als Wahlthema benutzt. Die deutsche Vorgehensweise wurde sogar als Der deutsche Sonderweg bezeichnet. „Eine Nation ist nur durch Abgrenzung zu einer anderen Nation in der Lage, sich selbst zu definieren“, lautet eines der Prinzipien der Internationalisierung. Weiter heißt es bei den Prinzipien der Internationalisierung, dass für eine solche Abgrenzung der bedeutendste Antagonist aussucht würde. Amerika und Deutschland bzw. Amerika und Europa sind das beste Beispiel dieser Abgrenzung. Nehmen die Verflechtungen im Rahmen der weltweiten Globalisierung stark zu, so wird der Ruf nach Abgrenzung lauter. Als Folge der Abgrenzung besinnt man sich zurück auf die eigene Vergangenheit und die eigene (nationale) Identität. Auch wenn das noch kein Beweis für den identitätsstiftenden Charakter ist, so trägt das momentane transatlantische Verhältnis großes Konfliktpotential in sich. Stereotype und aktuelle Kritikpunkte vermischen sich und führen zu harter Abgrenzung.

Kapitel 2.3.3.3, Antiamerikanismus oder Antibushismus?:

In Anbetracht der oben erzielten Ergebnisse lässt sich zusammenfassen, dass erstens eine klarere Definition des Begriffs „Antiamerikanismus“ erfolgen und zweitens diese mit dem Verständnis der Deutschen über den Begriff verglichen werden muss. Momentan ist die Bestimmung der deutschen Amerikabilder eine Frage der Interpretation. Von Antiamerika-nismus zu sprechen erweist sich nach momentanen Erkenntnissen aber als äußerst proble-matisch. Problematisch, weil es ein nicht klar definierter Begriff ist und problematisch, da dieser Begriff universale Wirkung und Übertragbarkeit auf alle Bereiche des Lebens impli-ziert.

Ist es in Anbetracht der dargestellten definitorischen Schwierigkeiten nicht angebrachter, von Antibushismus zu sprechen? Antibushismus als Deskription der tiefen Abneigung ei-ner ganzen Nation gegenüber einer bestimmten Person, nämlich George W. Bush?

Hauptadressat und Auslöser der deutschen Kritik ist nicht gegenstandlos oder schwer zu orten, sie richtet sich gezielt gegen George W. Bush, den amerikanischen Präsidenten. Die Deutschen scheinen, wenn auch nicht bewusst, zwischen den Teilaspekten eines Nationen-bildes zu differenzieren. So besetzen sie Amerikaner mit positiven Attributen wie gast-freundlich, liebenswert und hilfsbereit, während ihre Regierung als imperialistisch, materi-alistisch und heuchlerisch beschrieben wird. Das Bild des ame-rikanischen Präsidenten war jenes eines texanischen Sheriffs, der ein wenig den Bezug zur Realität verloren hat. Die Arbeit, die George W. Bush seit seiner Amtszeit verricht, wurde von über 70% der Deutschen als schlecht bezeichnet. Die Kritik an Präsident Bush wurde, überspitzt formuliert, als Recht und Pflicht des politisch mündigen Bürgers angesehen.

Kein anderer amerikanischer Präsident hatte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland ein so schlechtes Image wie George W. Bush. Im Jahr 2001 ließ sich bereits mangelndes Vertrauen in den amerikanischen Präsidenten erkennen. Im Jahr 2003 erreich-te das Image des Präsidenten ein noch nie vorher da gewesenes Tief in der deutschen Gunst, nur 9% hatten eine gute Meinung von Bush jr., während 72% der Befragten anga-ben, dass sie keine gute Meinung von ihm haben. Der Versuch, das Phänomen als Antibushismus zu bezeichnen, erscheint aber deshalb problematisch, da er völlig außer Acht lässt, dass Amerika ein demokratischer Staat ist. Der US-Präsident wird durch seine Bürger demokratisch legitimiert. Die Tatsache, dass über die Jahre 2002, 2003 stets ca. 60% der US-Bürger ihren Präsidenten im Krieg gegen den Terror unterstützten, passt nicht in die Unterteilung in „Gut“ und „Böse“, in die Unterteilung amerikanische Bevölkerung auf der einen Seite und amerikanischer Präsident auf der anderen. Die Hälfte der Amerikaner war der Meinung, dass die Intervention im Irakkrieg die geforderten Menschenleben wert sind. Die Antipathie gegen George W. Bush müsste sich auf die Menschen übertragen, die ihn legitimieren. Gerade nach der Wiederwahl des US-Präsidenten am 2. November 2004, müsste sich die Unterscheidung nicht mehr recht anwenden lassen. Wäre eine immer noch stattfindende Abgrenzung des amerikanischen Präsidenten von den Amerikanern vorhanden, so wäre dies ein weiteres Indiz dafür, dass der Faktor Rationalität beim Aufbau von Feindbildern keine Rolle spielt. Es wäre aber auch ein Indiz dafür, dass die Deutschen zwischen den amerikanischen Bürgern und der amerikanischen Wählerschaft differenzieren. In Meinungsumfragen, die in Deutschland durchgeführt werden, wird nach Eigenschaften der Amerikaner gefragt. Es könnte von Vorteil sein auszuprobieren, „die Amerikaner“ mit „die amerikanische Wählerschaft“ zu ersetzen. Aus rationalen Gesichtspunkten wäre ein anderes Ergebnis zu erwarten. Entstünde kein unterschiedliches Ergebnis, so wäre die Tatsache der demokratischen Legitimation schlicht vernachlässigt und das Kriterium der Irrationalität dominant. Der Begriff Antibushismus verlangt nach genauerer Überprüfung, ist aber eine adäquatere Alternative zur Beschreibung des 2002-2004 vorherrschenden deutschen Meinungsbildes.

Kapitel 3., Einfluss und Nationenimages:

Einflussfaktoren auf Images stellen sich – wie der Imagebegriff selbst - als „schwierig zu ermittelnde Realitäten“ dar. Trotzdem soll versucht werden zu analysieren, welche Kanäle der Kommunikation dynamischen Einfluss auf Images haben und welche Kanäle als besonders wirksam erachtet werden. Die Vorgehensweise bei der Ermittlung der Wirkungsgrade erfolgt durch die Kenntnisse der Medienwirkungsforschung. Es erscheint plausibel festzuhalten, welche Medien welche Wirkungsgrade haben und diese Kenntnisse auf die Beeinflussbarkeit von Images, die primär beschrieben wird, zu übertragen. Hierzu ist es notwendig, den Begriff „Massenmedien“ stärker auszudifferenzieren und sich die verschiedenen massenmedialen Darstellungsformen, ihre Wirkungs-grade und ihre zugeschriebenen Glaubwürdigkeiten zu betrachten.

Gegenstand dieser Untersuchung ist der Film Fahrenheit 9/11, deshalb soll theoretisch geklärt werden, welche Erkenntnisse es bisher zu den Wirkungsstärken des Films gibt. Zusätzlich muss Fahrenheit 9/11 als Gegenstand der Persuasion betrachtet werden. Ange-sichts dieser Tatsache wird ebenfalls beleuchtet, wie sich persuasive Botschaften aus dem Ausland auswirken können.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort4
I Inhaltsverzeichnis8
II. Abbildungsverzeichnis11
III. Tabellenverzeichnis12
IV. Abkürzungsverzeichnis14
1. Einleitung15
2. Image und Nationenimages18
2.1. Images und bedeutungsähnliche Begriffe18
2.1.1. Vorurteil19
2.1.2. Stereotyp21
2.1.3. Image22
2.2. Nationenimages26
2.2.1. Definition27
2.2.2. Entstehung von Nationenimages27
2.3. Das Amerikabild der Deutschen30
2.3.1. Historischer Abriss des deutschen Amerikabildes seit 194531
2.3.2. Das deutsche Amerikabild seit 200135
2.3.2.1. Öffentliche Meinung35
2.3.2.2. Berichterstattung deutscher Fernsehsender über Amerika38
2.3.3. „Antiamerikanismus“ in Deutschland?39
2.3.3.1. Begriffbestimmung Antiamerikanismus40
2.3.3.2. Amerika-Kritik als identitätsstiftendes Moment42
2.3.3.3. Antiamerikanismus oder Antibushismus?43
3. Einfluss und Nationenimages47
3.1. Zur Beeinflussbarkeit von Nationenimages47
3.2. Image im internationalen System50
3.3. Einflussfaktoren auf Nationenimages53
3.3.1. Zum Einfluss persuasiver Botschaften53
3.3.1.1. Merkmale des Kommunikators54
3.3.1.2. Merkmale der Botschaft55
3.3.1.3. Merkmale des Rezipienten57
3.3.2. Kanäle der Kommunikation58
3.3.2.1. Generelle Unterschiede von Print und Fernsehen59
3.3.2.2. Film62
4. Einflussfaktor Film - am Beispiel Fahrenheit 9/11 von Michael Moore68
4.1. Michael Moore68
4.1.1. Leben und Werk68
4.1.2. Tendenzen in der Berichterstattung72
4.2. Fahrenheit 9/11- Inhaltsangabe75
4.3. Problematik des Genres Dokumentarfilm80
4.4. Implikationen für das Experiment84
5. Empirische Analyse zum Einfluss des Films Fahrenheit 9/1187
5.1. Operationalisierung87
5.1.1. Methode87
5.1.2. Untersuchungsteilnehmer89
5.1.3. Fragebogenaufbau90
5.1.4. Zusätzliches Stimulusmaterial: der Artikel über Michael Moore93
5.1.5. Annahmen und Hypothesen94
5.1.5.1. Hypothesen für die a-Gruppierung96
5.1.5.2. Hypothesen für die b-Gruppierung97
5.2. Ergebnisse99
5.2.1. Datenerhebung99
5.2.2. Deskription / Generelle Ergebnisse99
5.2.2.1. Politisches Interesse99
5.2.2.2. Mediennutzung100
5.2.2.3. Direkte Erfahrungen mit Amerika und Amerikanern101
5.2.3. Vergleiche/ Überprüfung der Hypothesen102
5.2.3.1. Ergebnisse der a-Gruppen102
5.3. Kritische Würdigung der Studie142
6. Zusammenfassung144
Anhang149
Literaturverzeichnis172

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