VORWORT
Sollten wir unsere Zukunft nicht besser gestalten?
Oder: Weiterhin ein unbequemer Weg
Wir Menschen befinden uns an einem Wendepunkt. Das können wir nicht leugnen. Unser Wachstum hat eine Grenze. Das ist eine einfache Milchmädchenrechnung. Wir tun aber so, als ob es immer so weitergehen müsste. Immer weiter, immer schneller! Wir wissen zwar nicht, wohin die Reise geht, aber Hauptsache, wir sind als Erste dort (frei nach → Helmut Qualtinger)!
Wir fühlen zwar, dass es nicht so weitergehen kann, jedoch sind wir Weltmeister im Leugnen und im Selbstbetrug. Wir leben so, als gäbe es ein Leben nach dem Tod, so, als müssten die Wirtschaft und die Bevölkerung des jeweils eigenen Landes (nicht die Weltbevölkerung!) ewig weiterwachsen, damit es genug Arbeitsplätze gibt und die Pensionen gesichert sind. Doch werden wir, die leidvoll nach Erkenntnis streben, ständig davon abgehalten, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass wir sterblich sind, dass das Wachstum eine Grenze hat. Und dass wir uns etwas Neues einfallen lassen müssen.
Im Bewusstsein, dass wir nur EIN Leben haben und dass wir nach dem Tod eben nicht mehr »sind«: Sollten wir dann nicht dafür sorgen, dass dieses eine wertvolle Leben erfolgreich ist? In unserem individuellen Sinn erfolgreich, versteht sich. Unsere Einstellung zur Zukunft und zum Leben ändert sich existenziell, wenn wir uns nicht auf ein Leben nach dem Tod einstellen (können).
Warum dieses Buch? Eine Fortsetzung von »Die Henne und das Ei«? Ja! Eine Weiterentwicklung und mit dem gleichen Konzept. Eine ähnliche Übung. Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens! Nicht mehr nach dem Ursprung des Lebens. Diesen haben wir ja bereits begriffen. Der Sinn des Lebens ist ein → Mem, eine idealisierte menschliche Erfindung. Wir haben zwar erkannt, dass wir dem Leben einen Sinn geben können. Aber was nun?
Zurück zu den drei dringendsten Fragen: Wer sind wir? Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Die ersten zwei Fragen können wir systematisch angehen und das Puzzle Stück für Stück zusammensetzen. Das erledigen tausende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen für uns. Aber die dritte? Was machen wir mit dieser dritten Frage? Wohin gehen wir? Sollen wir ein Orakel fragen? Aladins Lampe reiben? Oder suchen wir nach der weisen Fee, die uns diese dritte Frage beantworten könnte?
Wohin wollen wir gehen?
Diese Frage hat es in sich! Denn die Zukunft gibt es ja noch nicht! Sie steht noch nicht fest. Niemand kann sie kennen – manches lässt sich vielleicht erraten, aber da es das Kommende noch nicht gibt, macht es auch keinen Sinn, es vorab herausfinden zu wollen. Wäre ja totaler Humbug! Und wenn wir ehrlich sind, wollen wir es gar nicht kennen. Es wäre das Ende unserer → Kreativität, denn dann hätten wir ja keinen Einfluss mehr darauf, wir wären vollkommen ohnmächtig. Wenn alles vorbestimmt wäre, hätten wir keine Aufgabe mehr. Dann wäre wirklich alles sinnlos.
Und genau das ist der Punkt: dass es keinen Sinn macht, die Zukunft vorhersehen zu wollen, sondern dass es unsere einzigartige Chance ist, sie selbst zu gestalten. Ja! Selbst gestalten! Aber wie sollen wir sie gestalten? Haben wir überhaupt Einfluss darauf, wie die Zukunft aussehen wird? Genau darum geht es in diesem Buch. Ich möchte gerne animieren zu überlegen, was wir aus unserem Leben machen wollen und wie wir die Zukunft unseres Planeten Erde gestalten können. Haben wir die Wahl? Haben wir den → freien Willen zu erkennen, was sein sollte, um dann auch danach zu handeln? Ja, viel mehr noch: Wir sind zur Freiheit verurteilt, zu bestimmen, wie es mit der Spezies Mensch weitergeht.
Was wollen wir? Diese Frage wird uns bei wichtigen Entscheidungen nicht oft gestellt. Wissen wir genug, um guten Gewissens gestaltend auf die Zukunft einwirken zu können? Oder entsteht da wieder eine mörderische ideologische → Utopie? Können wir bei möglichst guter Kenntnis der Vergangenheit und wenn wir die Zusammenhänge der einzelnen Tatsachen verstanden haben, unsere Zukunft gestalten? Was haben wir denn bis jetzt gelernt? Was uns die → Evolution sehr wohl gezeigt hat, ist, dass sie kein Ziel hat. Unsere Entwicklung ist nicht vorherbestimmt und nicht zielgerichtet, sondern abhängig von den vielen Einzelereignissen, die den Weg ebnen für die nächsten Einzelereignisse. Ganz pragmatisch! Auf die Evolution der Menschen zurückblickend, erkennen wir den Weg, den sie gegangen ist – und gleichzeitig erkennen wir, dass dieser Weg von unzähligen unvorhersehbaren Ereignissen bestimmt wurde. Wenn wir den Weg noch einmal beschreiten würden, wäre das Ergebnis ziemlich sicher ein anderes.
Und jetzt auf einmal soll es ein Ziel geben?
Jetzt sollen wir ein Ziel formulieren, eine Vision entwickeln? Uns ein Ziel setzen, eine Straße dorthin bauen und dann dieser Straße blindlings folgen? Das kann es ja wohl nicht sein. Bis jetzt waren die populärsten Endzeitszenarien der Menschheit der »Jüngste Tag« oder das »Jenseits«. Aber was gibt es sonst? Wir wissen, dass wir nach unserem Tod zwar nicht mehr sein werden, dass unsere Handlungen aber Folgen haben werden. Und genau diese Eigenschaft wurde durch die Evolution selektiert: Jene Menschen, die an ihre Nachkommen gedacht haben, haben es möglich gemacht, dass eben diese Nachkommen heute noch leben. Ich möchte hier ganz trocken und ganz ohne Spiritualität dafür plädieren, dass wir → Verantwortung für die Jahrhunderte nach uns übernehmen, auch wenn es uns dann nicht mehr gibt. Also eine echte → altruistische Handlungsanleitung. Diese steckt bereits in unseren → Genen!
Ich mache den Vorschlag, dass wir uns anstrengen und unser → Wissen anwenden, weil wir erkannt haben, dass unsere Handlungen Folgen haben. Dass wir bestimmen (müssen), wie der Mensch sich weiterentwickelt.
Wir müssen weiterdenken, für die Zukunft. Das 20. Jahrhundert kann mit Sicherheit als jenes angesehen werden, welches das meiste Wissen hervorgebracht hat. Die gegenwärtige Wissensproduktion ist atemberaubend, und daraus resultiert eine neue Berufssparte: die der Wissenskommunikatoren! Bereits der österreichische Psychoanalytiker → Otto Rank empfand am Anfang des 20. Jahrhunderts, dass es eine Überproduktion an Wissen gebe, das anscheinend nicht konsumiert werden kann. Jetzt, fast ein Jahrhundert später, wächst unser Wissen exponentiell. Wie sollen wir dieses konsumieren? Was sollen wir mit dem vielen Wissen anfangen? Eben dies: Lösungen für die Zukunft finden!
In meinen Augen ist Wikipedia das wichtigste soziale Projekt, das die Menschheit je zustande gebracht hat in Richtung Aufklärung. Dieses Wissen des Menschen soll für immer jedem bereitstehen, der es sich aneignen will. Wozu ist dieses Wissen gut? Das ist ja wohl klar! Um mündige Bürger hervorzubringen, die in der Lage sind, ihr eigenes Leben so zu gestalten, dass es individuell erfolgreich ist und dass ihre Nachkommen auch wiederum diese einmaligen Chancen haben werden. Ohne sich von Missionaren oder Führern einreden lassen zu müssen, dass es ein Leben nach dem Tod gebe, sodass man beruhigt sein jetziges Leben einer Bewegung oder einer Massenhysterie opfern könne.
Was wir brauchen, sind Menschen, die genug wissen, um zu erkennen, was sie machen sollten. → Bildung im Sinne einer kreativen, eigenverantwortlichen Gestaltungsfähigkeit. Genau! Die Folge eines selbstverantwortlichen Lebens ist Verantwortung! Zu erkennen, dass unsere Taten Folgen haben.
Ist dies eine Illusion? Eine Utopie? Seit wir auf unsere Geschichte zurückblicken können, wollen Menschen die Zukunft vorhersagen. Und das ist sicherlich die treibende Kraft, die uns dazu animiert, Wissenschaft zu betreiben. Wir wollen verstehen, wie das Leben funktioniert, um vielleicht eine Handlungsanleitung für die Zukunft zu finden.
Wir sind an einem Wendepunkt angekommen. Václav Havel nannte unsere Zeit das Ende der Moderne. Eine Epoche geht zu Ende; die Epoche des exponentiellen Wachstums. Der Übergang in eine neue Epoche wird schmerzvoll sein, weil wir nicht wissen, wohin es gehen wird. Oder können wir es? Vorausgesetzt wir strengen uns an, um zu erkennen, was wichtig ist. Vorausgesetzt wir erkennen, dass wir diese Möglichkeit haben, dass es sich lohnt zu überlegen, wie es sein könnte. Weiterdenken! Wir haben eigentlich gar nicht die Wahl; wir müssen handeln! Auch eine Nicht-Handlung ist eine Entscheidung. Wir können aus der Natur und aus den Erkenntnissen der Naturwissenschaften sehr wohl an einem Konzept für die Zukunft arbeiten. Aber es muss ein gutes, anpassungsfähiges, neues Konzept sein; die Voraussetzungen sind heute anders als gestern und werden morgen anders sein als heute. Weil sich in der Natur alles ständig ändert. Wir können von der Natur lernen, wie es gehen könnte. Wir sollten uns neu erfinden! Aber bitte, nicht schon wieder ein Ebenbild → Gottes!
Können wir uns selber neu erfinden? Wenn ja, wem überlassen wir diese Erfindung? Den Politikern? Den Bischöfen? Den Bankern? Den Wirtschaftsbossen? Den...