B
Baader, Franz von (1765–1841), dt. Philos. und Theologe, ab 1826 Prof.in München. B. ist beeinflusst von der Kabbala*, Böhme, Schelling und dem franz. Mystiker* St. Martin. Er wirft der Philos. vor, sich seit Bacon und Descartes von der Religion entfernt zu haben. Insbesondere in Frontstellung gegen Kants Philos. und dessen Lehre von der Autonomie des Willens vertritt B. die Auffassung, dass die wahre Philos. ihr Fundament im katholischen Glauben finden soll. Obwohl die wahrnehmbare Welt als göttliche Selbstmanifestation betrachtet werden muss, ist sie zugleich Ausdruck des Sündenfalls. Wie das Licht in Gott in alle Ewigkeit über die Dunkelheit siegt, ist es Aufgabe des Menschen, durch Geistwerdung zu Gott zurückzukehren. – In seiner Staatsphilos. kritisiert B. die Theorie vom Gesellschaftsvertrag*: Die Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft ist Teil der menschlichen Natur* und muss nicht durch Vereinbarungen erst hergestellt werden.
Ausg.: Sämtl. Werke, 16 Bde., 1851–60. Schriften zur Gesellschaftsphilos., 1925. Über die Begründung der Ethik durch die Physik, 1813. Über den Begriff der Zeit, 1818. Über Liebe, Ehe und Kunst, 1953. Der Mythos über Orient und Occident, 21956. – Lit.: P. Koslowski (Hg.): Die Philos., Theologie und Gnosis F. v. B., 1993. G. Wehr: F. v. B. Zur Reintegration des Menschen in Religion, Natur und Erotik, 1980.
Bachelard, Gaston (1884–1962), franz. Philos., 1903–13 Angestellter bei der franz. Post. 1919 Gymnasiallehrer für Physik und Chemie. 1930 Prof. für Philos. in Dijon. 1940–54 Prof. für Wissenschaftsgeschichte und Philos. an der Sorbonne in Paris.
Der Schwerpunkt von B. Werk gilt der Untersuchung des Verhältnisses zwischen wiss. Erkenntnis und vorwiss. Erfahrung. In seinen früheren Werken argumentiert B., in Absetzung von der Relativitätstheorie, für eine Wechselwirkung zwischen Subjekt und Objekt anstelle des objektiven Beobachterverhältnisses, mit dem die klassische Erkenntnistheorie operiert. Er entwarf das Projekt einer Psychoanalyse des wiss. Wissens, um die poetischen, metaphorischen und vorwiss. Elemente aufzudecken, die sich im wiss. Wissen nach wie vor geltend machen und die zu einem früheren Zeitpunkt Grundlage für vorwiss. Disziplinen wie Alchemie und Astrologie waren. Vor diesem Hintergrund kritisiert B. Comtes positivistische Wissenschaftsphilos., indem er die traditionelle Unterscheidung zwischen Rationalismus und Empirismus zu überwinden sucht. Wissenschaft könne nicht voll verstanden werden, wenn man von Begriffen wie Wahrheit und Vernunft ausgehe. Sie müsse vielmehr gesehen werden als ein historischer, von Irrtümern und Phantasie getriebener kreativer Prozess, in dessen Verlauf immer wieder neue Begriffe und Theorien geschaffen werden, um die von den bisherigen Formen der Wissenschaft erzeugten epistemischen Hindernisse und Schwierigkeiten zu überwinden. Wissenschaftsgeschichte stelle sich darum dar als eine Abfolge von epistemologischen Brüchen, die zu neuen, stabileren Methoden und Begrifflichkeiten führten. Dieses Verständnis von Wissenschaft und Wissenschaftsgeschichte war dann von entscheidender Bedeutung für Althusser und Foucault.
In seinem späteren Werk wendet sich B. der Literatur zu. In Verlängerung seiner Wissenschaftsphilosophie plädiert B. dafür, das Bild als grundlegend produktiv zu verstehen und nicht bloß als passiven Abglanz der Wirklichkeit. In einer Reihe von Werken, die um die vier Elemente zentriert sind, beschäftigt sich B. mit Lautréamont (1846–70), Poe (1809–49) und anderen Dichtern, indem er nachzuweisen versucht, dass deren Dichtung sich von einer Reihe grundlegender Metaphern und leitender Bilder her verstehen lässt. Dieser Teil von B. Werk hatte große Bedeutung für die spätere franz. Literaturkritik mit ihrem Fokus eher auf einer thematischen als auf einer biografischen oder historischen Lesart.
Ausg.: Die Philos. des Nein, 1940. Psychoanalyse des Feuers, 1940. Poetik des Raums, 1957. Epistemologie, 1993. Der neue wissenschaftliche Geist, 1993. A. Parinaud: G. B., 1986. – Lit.: L. Baumann: G. B. materialistischer Transzendentalismus, 1987. D. Gil: B. et la culture scientifique, 1993. P. Ginestier: B., 1987. A. Parinaud: G. B., Paris 1996. S. Gosvig Olesen: Wissen und Phänomen: Die ontologische Klärung der Wissenschaften bei Edmund Husserl, Alexandre Koyré und G. B., 1997.
Bacon, Francis (1561–1626), engl. Philos., Jurist und Politiker, geb. in London als Sohn des Kanzlers unter Elisabeth I. B. studiert in Cambridge und London Rechtswissenschaften und macht nach seiner Niederlassung als Anwalt 1582 schnell juristische und politische Karriere. Seine Rolle im Prozess gegen seinen vormaligen Gönner, den Earl of Essex, im Jahr 1601 ist umstritten. B. wird 1584 Mitglied des Unterhauses und wechselt 1618 unter James I. durch Verleihung von Adelstiteln (1618 Baron of Verulam, 1621 Viscount of St. Albans) ins Oberhaus. Diese verliert er 1621 infolge eines politisch motivierten Prozesses wegen Korruption bzw. Bestechung ebenso wie seine verschiedenen Staatsämter (u.a. als Justizminister, Reichssiegelbewahrer und Lordkanzler). Die Politik gilt B. als Mittel zur Förderung einer besseren Gesellschaft. Seine Ambitionen als Staatsmann sind in dieser Hinsicht untrennbar mit seinen Bemühungen um den Fortschritt der Wissenschaften verbunden. B. ist Wegbereiter des Empirismus, den er in zahlreichen Programmschriften propagiert. Wissenschaft soll nicht kontemplativ oder theoretisch, sondern empirisch und systematisch und auf den praktischen Nutzen für die Menschheit ausgerichtet sein – etwa die Verringerung von Krankheiten oder von Altersschwäche, die Lebensverlängerung, die Verbesserung der Nahrungsmittel oder die Weiterentwicklung der Technik. Maßgeblich ist B. Einsatz auf dem Feld der Methodologie und der Vermittlung von Wissen. Forschung muss transparent und vernetzt arbeiten, damit spätere Generationen auf den Ergebnissen der früheren aufbauen können und wissenschaftlicher Fortschritt stattfindet. In der fiktiven Reisebeschreibung The New Atlantis (lat. 1627, engl. 1629) fasst B. sein Ideal in das Bild einer Forschungsakademie, in der eine riesige Naturaliensammlung von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen ausgewertet wird. In Bezug auf die Stellung der Wissenschaft im Staat äußert B. in dieser Schrift die Überzeugung, dass die Entwicklung der Wissenschaften in einem statischen politischen System möglich sei und die Stellung der absolutistischen Machthaber nicht bedrohe.
Stilistisch orientiert sich B. an der Rhetorik- und Gattungslehre der Renaissance. In seiner Schrift De Sapientia Veterum (1609) etwa kleidet er seine Naturphilosophie in das Gewand der antiken Mythendeutung, um ein breites Publikum anzusprechen. Neben aphoristischen Darstellungen, die zur Vermittlung von pointierten Aussagen geeignet sind, zeigt sich B. auch als Essayist in der Tradition Montaignes. Sein Stil ist jedoch kurz und knapp und insbesondere seine einflussreichen Essays or Counsels, civil and moral (3. überarb. Ausg. 1625) zu so unterschiedlichen Themen wie Wahrheit, Liebe und Gartenkunst bilden eine Quelle bis heute gebräuchlicher Sprichwörter und Redensarten. Als Philosoph ist B. Kritiker und Erneuerer der antiken Tradition, indem er die philosophische Wahrheitssuche mit der Forderung nach praktischem Nutzen verbindet. Er wird so zum Fürsprecher der Neuzeit und ihrer Entdeckungen (ob Schießpulver, Kompass oder Buchdruck). Mit Aristoteles teilt er die Auffassung, dass das Ziel allen Wissenserwerbs in der Ermittlung der Ursachen für empirische Phänomene liegt. Anders als der antike Philos. zieht B. jedoch das aktive dem theoretischen Leben vor. Ursachenkenntnis ermöglicht Voraussagen über und Eingriffe in den Naturablauf zum Nutzen der Menschheit. Deshalb ist Wissen mit Macht gleichzusetzen. Doch bestimmt für B. nicht der Nutzen die Wahrheit, sondern umgekehrt: Wissenschaftliche Wahrheit ist immer nützlich, da sie Ursachen betrifft, doch Nutzen ist nicht identisch mit Wahrheit, denn diese ist allgemein, während Nutzwirkungen partikular sind.
Die posthum veröffentlichte Redargutio Philosophiarum (von 1608) ist für B. Haltung zur antiken Tradition beispielhaft. Platons Erklärung des Universums als Folge eines göttlichen Wirkens wird kritisiert. B. unterscheidet zwischen der primären Ursache der Welt (Gott) und den sekundären, d.h. faktischen Ursachen von Phänomenen. Nur sekundäre Ursachen sind für B. Gegenstand der Wissenschaft. Zugleich wird Platons Ideenlehre kritisiert: Ideen sind leer und abstrakt. Aristoteles wird von B. als geistiger Tyrann bezeichnet, der die Leistungen der Vorsokratiker (besonders Demokrits) zunichte gemacht habe. Die Philosophie des...