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E-Book

Praktische Ausbildung in der Physiotherapie

VerlagGeorg Thieme Verlag KG
Erscheinungsjahr2019
ReihePhysiofachbuch 
Seitenanzahl336 Seiten
ISBN9783132416239
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis79,99 EUR
<p><strong>Lernen am Patienten</strong></p> <p>Der praktische Unterricht am und mit Patienten bildet das Kernst&uuml;ck von Physiotherapieausbildung und -studium. W&auml;hrend der Praktikumszeit sind nicht nur die werdenden Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten stark gefordert, sondern auch deren Lehrer.</p> <p>Dieses Buch gibt Praktikumsanleitern in der physiotherapeutischen Ausbildung Anregungen und Unterst&uuml;tzung f&uuml;r ihre t&auml;gliche Arbeit. Sie erfahren unter anderem</p> <ul> <li>welches die rechtlichen Grundlagen der Ausbildung am Patienten sind</li> <li>welche Rolle Sie als Praktikumsanleiter einnehmen sollten</li> <li>wie sie die Lernenden dabei unterst&uuml;tzen, die im praktischen Unterricht angeeigneten Inhalte effektiv auf die Arbeit mit Patienten zu &uuml;bertragen</li> <li>wie Sie die Ausbildung am Patienten sinnvoll aufbauen</li> <li>welche vielf&auml;ltigen p&auml;dagogisch-didaktischen Mittel Ihnen daf&uuml;r zur Verf&uuml;gung stehen</li> <li>wie sie Therapien effektiv demonstrieren und wie Sie nachhaltiges und motivierendes Feedback geben</li> </ul> <p>Greifen Sie auf konzentriertes Praxiswissen p&auml;dagogischer Profis zur&uuml;ck und bereiten Sie so angehende Physiotherapeuten bestm&ouml;glich f&uuml;r die Zeit nach der Ausbildung vor.</p>

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Leseprobe

Die praktische Ausbildung im Kontext aktueller Entwicklungen


U. Weyland und M. Kaufhold

Ökonomische, gesellschaftliche und technologische Entwicklungen beeinflussen unsere Berufs- und Arbeitswelt und führen zu arbeits- bzw. berufsbezogenen Veränderungen und Konsequenzen. Im Kontext der Gesundheitsberufe stellen die demographischen Veränderungen sowie die Problematik fehlender Fachkräfte (s. hierzu ▶ [5]) besondere Herausforderungen dar. Hieraus resultiert unter anderem die Notwendigkeit zur Einführung alternativer Versorgungsstrukturen und Unterstützungssysteme, wobei insbesondere technologische Entwicklungen von zentraler Bedeutung sind. Im Bereich der Pflege wird diesen unter anderem das „Potenzial zugesprochen (…), einerseits die Autonomie beeinträchtigter Menschen zu erhöhen und andererseits zu einer psychischen und physischen Entlastung von Pflegenden beizutragen“ ( ▶ [12], 8, zit. in Anlehnung an BAuA 2015). Durch die zunehmende Technisierung entstehen zugleich immer neue Möglichkeiten zur Gestaltung von Versorgungsprozessen. Damit verändern und erweitern sich auch die beruflichen Handlungsfelder. Dies betrifft ebenfalls den Therapiebereich, denkt man z.B. an aktuelle Entwicklungen in Bereichen der Robotik bzw. an die Nutzung smarter, intelligenter Systeme für die Patientenversorgung ( ▶ [11], 238f.).

Die hier einführend genannten Entwicklungen gehen mit sich wandelnden Anforderungen an die Beschäftigten einher. Diese sind verbunden mit einem „Anstieg der Anforderungsniveaus, einer Ausweitung der Handlungsspielräume“ sowie „einer zunehmenden Bedeutung sozialer Fähigkeiten“ ( ▶ [23], 8). In diesem Zusammenhang ist auch auf die Notwendigkeit einer funktionierenden Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Gesundheitsberufen hinzuweisen. Denn neben fachlichen Qualifikationen gewinnen angesichts der komplexer werdenden Versorgungsansprüche und der Ausgestaltung neuer Versorgungskonzepte auch Ansätze effektiver Kommunikation zwischen Therapeuten sowie mit anderen Gesundheitsberufen zunehmend an Bedeutung ( ▶ [30]). Dieser Aspekt wird unter dem Ansatz des interprofessionellen Arbeitens und Lernens in den Gesundheitsberufen breit diskutiert und rückte in den letzten Jahren zugleich in den Fokus der Forschung. Erwähnt sei hier das von der Robert Bosch Stiftung geförderte Programm „Operation Team – Interprofessionelles Lernen in den Gesundheitsberufen“(2), in dessen Rahmen u. a. interprofessionelle Fortbildungsangebote entwickelt und erprobt werden.

Vor dem Hintergrund der hohen Anforderungen an Beschäftigte in den Gesundheitsberufen wird die Veränderung stark durch die in den 1990er Jahren forcierte Akademisierung und Professionalisierung in diesen Berufsgruppen bestimmt ( ▶ [3]). Getragen wird diese Entwicklung zudem von der Empfehlung des Wissenschaftsrates (2012): „Vor dem Hintergrund der üblichen Größe multidisziplinärer Teams hält es der Wissenschaftsrat für sinnvoll, 10 bis 20 % eines Ausbildungsjahrgangs in den hier betrachteten Gesundheitsfachberufen akademisch zu qualifizieren“. ( ▶ [29], 8). Diesbezüglich bereitete 2009 die Einführung einer Modellklausel in die Berufsgesetze therapeutischer Gesundheitsberufe, wie Physiotherapie, Logopädie und Ergotherapie, den Weg für die Umsetzung erster Modellstudiengänge. Dies führte auch zu Konsequenzen für die praktische Ausbildung in der Physiotherapie. Die Modellstudiengänge sind so konzipiert, dass sie neben dem Studienabschluss auch zum Führen der Berufsbezeichnung befähigen. Dies bedeutet, dass die im Rahmen der jeweiligen Berufszulassungsgesetze festgelegten Ausbildungsziele inklusive der damit verbundenen praktischen Stunden auch über den Weg der Modellstudiengänge nachzuweisen sind. Für die Akteure der praktischen Ausbildung bedeutet dies eine Ausweitung ihrer Zielgruppe. Denn neben den klassischen Auszubildenden haben sie nun auch Studierende mit einem erweiterten Bildungsziel in der praktischen Ausbildung zu betreuen.

Die oben skizzierten Entwicklungen beeinflussen ebenso die curriculare und didaktische Ausgestaltung der beruflichen Ausbildung. Dabei ist es erforderlich dass sowohl die schulische bzw. theoretische, als auch die praktische bzw. betriebliche Ausbildung auf die beschriebenen Veränderungen in den Gesundheitsberufen reagieren. So sind entsprechende curriculare Anpassungen im schulischen und betrieblichen Kontext aufzugreifen, die auf einen situationsbedingten, flexiblen Umgang mit diesen Anforderungen reagieren. Auch die verstärkte Technisierung erfordert ein Umdenken, sowohl curricular als auch hinsichtlich moderner Lehr-/Lernkonzepte in Form der Erweiterung um digitale Lernangebote.

Die dargestellten Entwicklungen unterstreichen die Ausrichtung der (Aus-)Bildungsprozesse auf die Herausbildung beruflicher Handlungskompetenz, womit zugleich ein Paradigmenwechsel von einer Input- hin zu einer Output/Outcome-Orientierung verbunden ist ( ▶ [10]; ▶ [4]; ▶ [27]). Während der Fokus im Rahmen von Bildungsprozessen lange Zeit auf den vermittelten Inhalten (Input) lag, richtet sich dieser mit dem Paradigmenwechsel auf die erbrachten Ergebnisse/Leistungen (Output) und die spätere Nutzung/Verwertung der Ergebnisse (Outcome). Diese veränderte Zielrichtung mit einer Ausrichtung auf Kompetenzorientierung findet auch Niederschlag in den Ordnungsmitteln der Berufe des dualen Systems ( ▶ [18]). Für die Ausbildung in den therapeutischen Gesundheitsberufen kann noch nicht von einer vollständigen Übernahme dieses Paradigmenwechsels gesprochen werden, da eine ordnungspolitische, hier als gesetzlich verstandene Verankerung vielfach noch aussteht. Lediglich in den Pflegeberufen kann mit dem neuen Pflegeberufereformgesetz ( ▶ [24]) und der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe ( ▶ [2]) von einer konsequent kompetenzorientierten Ausbildung als Zielperspektive gesprochen werden. Für die Physiotherapieausbildung sind die hier anvisierten Ausbildungsziele zwar nicht ordnungspolitisch verankert, diese werden jedoch im Zuge einer zu erwartenden Neufassung des Masseur- und Physiotherapeutengesetzes (MPhG) sowie der dazugehörigen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (PhysTh-APrV) diskutiert.

Angesichts der o.g. Entwicklungen und den mit der beruflichen Ausbildung verbundenen Zielsetzungen steht die berufliche Bildung somit vor der Herausforderung, junge Menschen im Rahmen von Ausbildungsprozessen auf eine Arbeits- und Berufswelt vorzubereiten, deren Erfordernisse wir angesichts der Einfluss nehmenden Entwicklungen nur für einen begrenzten Zeitraum überblicken können. Es ist nur bedingt vorhersehbar, wie sich die Berufs- und Arbeitswelt in den kommenden 10 bis 20 Jahren weiterentwickeln wird und welche Anforderungen an die Beschäftigten damit einhergehen (s. auch ▶ [8]). Diesen Aspekt ebenso berücksichtigend formuliert die KMK als ein Ziel beruflicher Bildung die Vermittlung von „notwendigen Kompetenzen und Qualifikationen für die Ausübung einer qualifizierten Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt“ (KMK 2018). In ihrer Erklärung für eine zukunftsorientierte Gestaltung der dualen Berufsausbildung hält sie weiter fest, dass „gerade mit Blick auf die Zielsetzung der beruflichen Erstausbildung“ der Vermittlung breit angelegter „fachlicher Grundqualifikationen als Basis beruflicher Handlungskompetenz bei der Gestaltung und Modernisierung von Ausbildungsberufen Priorität eingeräumt werden“ sollte ( ▶ [19], 2).

Für die Ausbildung in der Physiotherapie gilt ebenfalls, dass auch die Physiotherapeuten im Laufe eines Berufslebens mit o.g. Anpassungsprozessen konfrontiert werden. Dies impliziert für die Ausbildung das Ziel, Auszubildende in die Lage zu versetzen, sich im Zuge von beruflichen und gesellschaftlichen Veränderungsprozessen aktuelle (wissenschaftliche) Erkenntnisse zu erschließen und deren Bedeutung/Relevanz vor dem Hintergrund des eigenen beruflichen Handelns kritisch zu hinterfragen und sich mit der Anwendung neuer Ansätze vertraut zu machen. Konkret bedeutet dies beispielsweise, dass aufgrund fachwissenschaftlicher Erkenntnisse in der Physiotherapie Anpassungen in Diagnose- und Therapieprozessen vorzunehmen sind.

Die Ausführungen lassen die Ansprüche erkennen, die mit einer beruflichen Ausbildung einhergehen. Für die Umsetzung des angestrebten Ausbildungsziels – der Herausbildung beruflicher Handlungskompetenz –, kommt der praktischen Ausbildung, die im Fokus dieses Buches steht, eine bedeutende Rolle zu. Hierbei ist als besondere Herausforderung in der praktischen Ausbildung das vorliegende Spannungsfeld zwischen ökonomischen und pädagogischen Interessen bzw. Bildungs- und Versorgungsauftrag zu benennen ( ▶ [7]; ▶ [17]). So ist einerseits die Sicherstellung der betrieblichen Abläufe bzw. der Versorgungsprozesse im Gesundheitsbereich zu gewährleisten, andererseits sind Lernprozesse anzustoßen und zu begleiten.

Als weiteres Merkmal der Ausgestaltung der praktischen Ausbildung ist die Funktion der Praxisbegleitung herauszustellen. Diese liegt in der Struktur der Ausbildung in den sogenannten Gesundheitsfachberufen begründet, in der die Gesamtverantwortung für die Ausbildung im Unterschied zum dualen System bei der (Hoch-)Schule liegt. Die Funktion der Praxisbegleitung stellt sicher, dass für den Ausbildungsteil jenseits der (Hoch-)Schule die Begleitung der Auszubildenden wie auch die Zusammenarbeit mit den Ausbildern in den Gesundheitseinrichtungen vor Ort sichergestellt ist. Nähere Regelungen und Standards hinsichtlich des Umfangs sowie zur Wahrnehmung dieser Funktion...

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