Was muss ein Protokollführer wissen und können?
Wer eine klassische Sekretärinnenausbildung gemacht hat, hat auch das Protokollieren gelernt, wobei dabei oft die Formerfordernisse und die Stenografiekenntnisse im Vordergrund standen. Viele Sekretärinnen und Assistentinnen sind aber Quereinsteigerinnen aus anderen Berufen und sehr oft protokolliert heute gar nicht mehr die Assistentin, sondern einer der Sitzungsteilnehmer – unabhängig davon, ob er eine kaufmännische oder technische Ausbildung hat.
Bei Routinebesprechungen auf Abteilungsebene wird fast immer jemand aus dem Kollegenkreis damit beauftragt, nebenher das Protokoll zu führen. Bei Besprechungen auf hohen Hierarchieebenen ist dagegen immer noch die Bestellung eines hauptamtlichen Protokollanten üblich, der nicht als Teilnehmer involviert ist, sondern sich allein auf die Protokollführung konzentriert.
Wissen
Was muss man für die souveräne Protokollführung wissen?
- Methodenwissen: Als Protokollant oder Protokollantin sollten Sie über die Vor- und Nachteile der jeweiligen Protokollarten Bescheid wissen und danach auswählen können, welche Art am besten zum Anlass passt (falls das nicht vom „Auftraggeber“ vorgegeben wird).
- Hintergrundwissen: Sie sollten sich im Vorfeld über die Teilnehmergruppe und den Grund der Zusammenkunft sowie über die Tagesordnungspunkte informieren. Auch Ihren Auftrag sollten Sie genau klären: Worum geht es in diesem Meeting? Welchem Zweck soll das Protokoll dienen? Was erwartet der Auftraggeber, was ist ihm wichtig? Wo ist besondere Aufmerksamkeit gefordert? An wen richtet sich das Protokoll, wer sind die Adressaten?
- Fachwissen: Je nach Thema ist auch ein gewisses Maß an Fachwissen gefordert – es bringt nichts, wenn Sie als Protokollführer der Debatte nicht folgen und Beschlüsse nicht sinnvoll zusammenfassen können, weil Sie inhaltlich nicht verstehen, worum es geht. Wenn Sie als Teilnehmerin mitprotokollieren, werden Sie hier meist weniger Probleme haben als ein „hauptamtlicher“ Protokollant, der sich vorab in eine für ihn fremde Thematik einarbeiten und Fachbegriffe nachschlagen sollte. Je spezieller die Themen und der Teilnehmerkreis, desto mehr spricht das deswegen dafür, die Mitschrift von einem der Teilnehmer erstellen zu lassen.
- Fremdsprachenkenntnisse: Selbstverständlich muss ein Protokollant, der eine fremdsprachliche Sitzung mitschreiben soll, über sehr gute Kenntnisse dieser Sprache verfügen. Und er muss sie nicht nur perfekt sprechen und verstehen, sondern auch mitschreiben können und in der Lage sein, eindeutige Abkürzungen zu finden und anschließend wieder zu entschlüsseln.
Office-Expertin Tanja Bögner rät aus ihrer Erfahrung:
Sollte es sich um ein Protokoll handeln, in dem viele Fachbegriffe und Spezialthemen vorkommen, informieren Sie sich im Vorfeld darüber. Nützliche Informationen und Literatur finden Sie an folgenden Orten:
- in öffentliche Bibliotheken,
- in unternehmenseigenen Archiven,
- in Fachzeitschriften und anderen Publikationen (fragen Sie Ihre Kollegen aus der Fachabteilung danach) und
- natürlich im Internet, z. B. bei Wikipedia oder in themenspezifischen Portalen.
Können
Und was muss ein Protokollführer können?
Benötigt werden vor allem Fähigkeiten und Fertigkeiten, die nicht fach-, sondern persönlichkeitsgebunden sind. Als Protokollführer sollten Sie
- über eine gute Konzentrationsfähigkeit verfügen. Das Ziel eines Protokolls ist es, den Verlauf einer Sitzung oder zumindest die Ergebnisse der Besprechung aufzuzeichnen. Sind Sie jedoch unkonzentriert, kann es schnell geschehen, dass Wortmeldungen ungenau aufgenommen, der falschen Person zugeschrieben werden oder womöglich ganz verloren gehen. Über einen längeren Zeitraum konzentriert zu bleiben ist eine echte Herausforderung. Weiter unten finden im Text finden Sie zahlreiche Tipps, wie Ihnen das gelingen kann.
- sehr aufmerksam sein und genau zuhören. Es reicht nicht aus, nur mitzuschreiben, was gesagt wird – vielmehr geht es darum, den Sinn des Gesagten zu erfassen. Zum Beispiel vertun sich Sprecher oder Sprecherinnen in einer Diskussion schnell einmal in Zahlen oder Einheiten, weisen Aktionen den falschen Personen zu oder Ähnliches. Oft korrigieren sie sich dann im nächsten Teilsatz wieder. Solche Korrekturen müssen Sie natürlich mitbekommen und gleich die richtigen Werte aufschreiben.
- die Übersicht bewahren können. Wer sagt im Meeting was? Je größer die Teilnehmergruppe ist und je weniger Sie die einzelnen Personen kennen, desto schwieriger kann es werden, die einzelnen Wortbeiträge dem richtigen Sprecher zuzuordnen.
- Wesentliches von Unwesentlichem unterscheiden. „Was muss ins Protokoll, was kann ich weglassen?“ Das ist eine wesentliche Frage, die Sie sich spätestens dann stellen müssen, wenn Sie Ihre Mitschrift in Reinform bringen. Scherzhafte Anmerkungen, Abschweifungen, die Wiederholung von Argumenten, um einen eigenen Beitrag einzuleiten – solche Wortbeiträge würden ein Protokoll nur unnötig aufblähen und haben daher nichts darin zu suchen.
- schnell mitschreiben können, und zwar so, dass Sie Ihre Mitschriften am nächsten Tag noch entziffern können. Vor allem, wenn Sie ein mehrstündiges Meeting mitschreiben, sollten Sie auch die letzten Seiten noch lesen können. Alternativ können Sie die Besprechung auch gleich am Computer erfassen, dann ist eine entsprechende Tippgeschwindigkeit und -sicherheit notwendig.
Stenografiekenntnisse sind beim Mitschreiben nützlich, aber Sie können sich auch ohne Steno Notizen machen und eigene Abkürzungen verwenden.
Für die jeweiligen Teilnehmer können Sie eine Zahl oder ein Kürzel (jeweils erster Buchstabe von Vor- und Nachnamen) und für den Vorsitzenden bzw. Leiter einer Besprechung ein Sonderkürzel vergeben (z. B. KL = Klassenlehrerin, Bgm = Bürgermeisterin, EL = Elternbeiratsvorsitzende). Die Kürzel sollten Sie jeweils in Klammern hinter den Namen in der Teilnehmerliste angeben.
Bei eigenen Kürzeln sollten Sie vorsichtig sein. Am besten, Sie legen sich vorab bereits eine Liste an, damit Sie beim Mitschreiben noch wissen, was Sie wie abkürzen, und es beim Ausarbeiten der Niederschrift nachschlagen können – sonst laufen Sie Gefahr, Ihre eigenen Kürzel bei der Ausarbeitung nicht mehr richtig „übersetzen“ zu können (eine Liste mit solchen Abkürzungen, die Sie für Ihre Arbeit als Protokollant einsetzen können, finden Sie im Anhang).
Für die spätere Niederschrift des Protokolls benötigen Sie außerdem
- die Fähigkeit, einen zunächst ungeordneten Informationsberg klar strukturieren zu können,
- den Mut, Unnötiges zu streichen,
- die Sprachkompetenz, aus der Niederschrift mündlicher Äußerungen gut verständliche Ausführungen in korrektem Schriftdeutsch zu erstellen, sowie
- das Wissen, um das Protokoll in eine angemessene optische Form zu bringen.
Die Fähigkeit, Aussagen anderer in eigene Worte zu fassen, ist erlernbar. Sie können sie gut trainieren, wenn Sie beispielsweise Interviews, die Sie in Zeitungen oder Zeitschriften in wörtlicher Rede finden, kürzen, zusammenfassen und so umformulieren, wie Sie es für ein Verlaufs- oder Ergebnisprotokoll tun würden.
Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie das Wesentliche erfasst und mit Ihren Worten korrekt wiedergegeben haben, können Sie beide Fassungen von Ihrem Partner oder einer Freundin lesen und daraufhin vergleichen lassen, ob in Ihrem Probeprotokoll alles Wichtige in verständlicher Sprache enthalten ist.
Neutralität
Nicht zuletzt müssen Sie Diskretion und Neutralität gewährleisten können, wenn Sie Protokoll führen – und das ist oft gar nicht so einfach.
Diskretion deswegen, weil nicht alles, was in einer Sitzung besprochen wird, automatisch mitprotokolliert werden und nach außen dringen soll. Manches soll ausdrücklich innerhalb der Runde bleiben, in der es besprochen wird. Dann schreiben Sie es natürlich nicht mit und erzählen auch niemandem etwas darüber, der nicht bei der Sitzung dabei war. Wenn Sie sich nicht sicher sind, wie exklusiv ein bestimmter Inhalt ist, sollten Sie deswegen nachfragen („Soll das ins Protokoll?“), damit Sie später keinen Ärger bekommen.
Neutralität klingt harmlos. Aber schon als hauptamtlicher, theoretisch also nicht involvierter Protokollführer ist sie nicht immer zu gewährleisten. Vielleicht wird in der Sitzung der eigene Chef samt seinem Lieblingsprojekt niedergemacht, in das er und Sie mit der gesamten Abteilung viele Arbeitsstunden gesteckt haben. Oder es wird über ein Thema diskutiert, das emotional für Sie schwierig ist, etwa Personalabbau, Sparmaßnahmen, Umstrukturierungen … da wird man schnell vom unbeteiligten zum parteiischen Zuhörer.
Wenn Sie als Teilnehmer oder Teilnehmerin einer Besprechung mitprotokollieren, ist es erst recht schwierig, neutral zu bleiben. Es geht ja auch um Ihre Projekte, um Entscheidungen, die Ihre Arbeit beeinflussen, und das bei Themen, in denen Sie sich selbst als Experten betrachten (dürfen) – sonst wären Sie schließlich nicht bei der Besprechung dabei.
Wenn dann kontrovers und hitzig diskutiert wird, die Anwesenden sich ereifern, vielleicht sogar polemisch oder unfair werden oder sich beschimpfen, kommen selbst die besten Vorsätze eines Protokollanten ins Wanken. Nicht zuletzt spielen hier persönliche Sympathien und...