Teil II
Die Bausteine der Brustkrebsbehandlung
2.3 Operative Therapie des primären Mammakarzinoms
Lelia Bauer
Einleitung
Die operative Therapie des Mammakarzinoms hat sich in den letzten Jahrzehnten immer mehr von der Radikalität distanziert. Die 20-Jahres-Ergebnisse der großen randomisierten Studien zeigen, dass die brusterhaltende Therapie (BET) plus Bestrahlung hinsichtlich der Rezidivfreiheit und Überlebenszeit der Mastektomie gleichzusetzen ist. Die operative Primärtherapie des Mammakarzinoms besteht in der sicheren Resektion des invasiven Karzinoms und der Entfernung der Lymphknoten aus dem axillären Lymphabflussgebiet (Axilladissektion). Diese kann in Form einer Sentinel-Lymphknoten-Biopsie (Wächterlymphknotenentfernung) für das axilläre Staging oder einer Axilladissektion für die therapeutische Sanierung der Lymphabflusswege (bei Lymphknotenbefall) erfolgen. In Abhängigkeit von der Tumorgrösse und -lokalisation, von der histopathologischen Beurteilung und vom Wunsch der Patientin gibt es folgende operative Verfahren:
- Brusterhaltende Therapie (BET) – Tumorexzision mit Axilladissektion/SLNB,
- Modifiziert radikale Mastektomie (MRM)
- mit Axilladissektion/SLNB,
- Hautsparende (skinsparing) Mastektomie
- mit Axilladissektion/SLNB und sofortige Brustrekonstruktion.
1 Brusterhaltende Therapie (BET)
Die BET beinhaltet die großzügige Tumorexzision (Segmentresektion/Quadrantenresektion) mit axillärer Lymphonodektomie und Radiotherapie der Restbrust. Es ist von größter Bedeutung, den Tumor mit einem tumorfreien Resektionsrand (R0) zu entfernen. Hinsichtlich des mikroskopisch gemessenen Sicherheitsabstandes zwischen dem Tumor und dem Resektionsrand gibt es keine einheitliche Konsensusempfehlung. Der anzustrebende tumorfreie Sicherheitsabstand liegt bei 10 mm. Die Rate der BET liegt bei 60–70 % der Patientinnen mit Mammakarzinom. Die positive psychologische Auswirkung und der Erhalt des Selbstwertgefühls durch die bestehende körperliche Integrität erklärt die permanente Suche nach Methoden und Möglichkeiten zur Erhöhung der BET-Rate. Eine Steigerung der BET-Rate sowie der Operabilität des lokal weit fortgeschrittenen Mammakarzinoms ermöglicht die primär systemische Therapie (PST). Darunter sind alle medikamentösen Therapieformen (Antihormon- oder Chemotherapie) zu verstehen, die nach der histologischen Sicherung eines Mammakarzinoms und vor Durchführung der operativen Sanierung verabreicht werden. Die Äquieffektivität der PST zur adjuvanten Chemotherapie wurde durch große randomisierte Studien bewiesen. Bei einer ungünstigen Relation zwischen Tumor- und Brustgröße ist eine Gewebsverschiebung zur Defektdeckung erforderlich. Es gibt eine Vielzahl von wiederherstellenden Techniken – sog. onkoplastische Operationen – welche die sofortige Rekonstruktion des Entnahmedefektes mit einem guten kosmetischen Ergebnis ermöglichen. Die Voraussetzung für eine gute brustchirurgische Behandlung ist das Erzielen einer sicheren lokalen Tumorkontrolle bei gleichzeitigem Erreichen eines guten kosmetischen Ergebnisses.
Kontraindikationen für die BET sind:
- Multizentrizität, (Karzinomherde in mehreren Quadranten),
- Inflammatorisches Mammakarzinom,
- Kontraindikation bzw. Ablehnen einer postoperativen Radiatio,
- Nachresektion nicht im Gesunden.
Die adjuvante Nachbestrahlung des Restparenchyms ist fester Bestandteil im Konzept der organerhaltenden Therapie beim Mammakarzinom. Die Verbesserung der lokalen Tumorkontrolle durch die postoperative Radiatio ist durch zahlreiche Studien eindeutig belegt.
2 Mastektomie
Die modifizierte radikale Mastektomie (MRM) gilt als Standardoperation, wenn die Indikationen für eine BET nicht gegeben ist, oder wenn die Patientin keinen Brusterhalt wünscht. Die Brustamputation beinhaltet die Entfernung des Brustdrüsenkörpers einschließlich der Pektoralisfaszie unter Belassung der Pektoralismuskeln. Die hautsparende (skinsparing) Mastektomie ermöglicht den Erhalt eines größeren Anteils vom Hautweichteilmantel und verschafft somit günstige Voraussetzungen für eine Brustrekonstruktion. Der Brustwiederaufbau ist fester Bestandteil der operativen Therapie des Mammakarzinoms. Dieser kann sofort oder zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt vorgenommen werden. Es besteht die Möglichkeit der Brustrekonstruktion mit Implantaten oder Eigengewebe (Lappenplastiken). Bestimmend für die Auswahl der Aufbaumethode sind in erster Linie onkologische Aspekte sowie der Wunsch der Patientin. Zurückhaltung hinsichtlich der Sofortrekonstruktion ist bei einer erforderlichen Nachbestrahlung der Thoraxwand nach Mastektomie geboten. Als unerwünschte Auswirkung der Radiatio ist eine erhöhte Inzidenz der Kapselfibrose bei Verwendung von Implantaten oder eine Beeinträchtigung der kosmetischen Ergebnisse bei Verwenden von Eigengewebe durch Entstehung von Gewebsfibrosen, Volumenverlust oder Hautpigmentierungen. Die Indikation zur Thoraxwandbestrahlung nach Mastektomie hat in den letzten Jahren eine Ausweitung erfahren und wird beim Vorliegen folgender Kriterien empfohlen:
- T3/T4-Karzinome,
- Multizentrisches Wachstum,
- Lymphangiosis/Hämangiosis carcinomatosa.
3 Axilläre Lymphonodektomie
Zur operativen Standardtherapie des Mammakarzinoms gehört nach wie vor die axilläre Lymphonodektomie. Diese dient neben der operativen Sanierung bei eventuell tumorbefallenen Lymphknoten zur Beurteilung des Lymphknotenstatus. Dieser ist der wichtigste prognostische und therapierelevante Parameter und entscheidend für das Festlegen der adjuvanten systemischen Therapie. Für eine ausreichende Beurteilung des Lymphknotenstatus sollten mindestens zehn Lymphknoten entfernt werden. Die wesentliche Morbidität nach der operativen Therapie des Mammakarzinoms ist durch die Axilladissektion bedingt (Serombildung, Armlymphödem, Infektion, Beeinträchtigung der Armbeweglichkeit). Mindestens 60 % der Patientinnen mit Mammakarzinom haben einen negativen axillären Lymphknotenstatus. Diese Patientinnen haben keinen therapeutischen Benefit, jedoch möglicherweise Lebensqualitätseinschränkungen durch die Begleiterscheinungen einer konventionellen Axilladissektion. Demzufolge war es richtig und erforderlich, nach einer weniger invasiven Methode zu suchen, die die gleiche Aussagekraft wie die klassische Axilladissektion hat. Die Sentinel-Lymphknoten-Biopsie (SLNB) stellt ein minimalinvasives Verfahren dar, bei dem der Nodalstatus durch die Entnahme von einem (oder mehreren) lymphographisch darstellbaren SLN bestimmt wird. Der oder die erste(n) Lymphknoten im Lymphabflussgebiet eines Malignoms mit der höchsten Wahrscheinlichkeit für einen metastatischen Tumorbefall wird als Sentinel-Lymphknoten (Wächterlymphknoten) bezeichnet. Mehrere Studien haben die hohe Übereinstimmung (>95 %) zwischen dem histologischen Status des SLN und der nachgeschalteten axillären Lymphknoten bestätigt. Indikation zur SLNB:
- Histologisch gesichertes Mammakarzinom kleiner als 2 cm,
- Klinisch nodalnegative (N0) Axilla.
Falls sich im Schnellschnitt und/oder in der endgültigen histopathologischen Untersuchung ein metastatischer Befall des/der SLN nachweisen lässt, muss eine klassische axilläre Lymphonodektomie vorgenommen werden.
Fazit für die Praxis
Die Therapie des Mammakarzinoms ist heute durch eine Individualisierung des Vorgehens gekennzeichnet, wobei die Komplexität der Therapieentscheidung und der Erfolg der gesamten Therapie von der interdisziplinären Kooperation zwischen Operateur, Radiologen, Pathologen, Strahlentherapeuten und Nuklearmediziner sowie von deren fachlicher Qualifikation abhängig ist.
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