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E-Book

Scientology

Die ganze Wahrheit

AutorUrsula Caberta
VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783641108205
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Das totalitäre System Scientology - gerät der Sektenriese ins Wanken?
Sinkt der Stern von Scientology oder gelingt es der Sekte weiterhin, neue Mitglieder zu gewinnen? Die Diskussionen um ihre Existenz - gerade im Mutterland USA - werden schärfer.
Die ausgewiesene Scientology-Exper­tin Ursula Caberta legt ein neues Buch zu der umstrittenen Sekte vor: Im Fokus stehen aktuelle Entwicklungen und Erkenntnisse, die die Autorin kompetent darlegt und analysiert. Basierend auf ihrem Bestseller Schwarzbuch Scien­tology stellt sie Entstehung, Philosophie und Methoden der Organisation umfas­send dar. Ein erschütterndes Zeugnis über das Vermächtnis des L. Ron Hubbard und die nach wie vor enormen Gefahren, die von Scientology ausgehen.
  • Das Standardwerk: Entstehung und Ideologie, Organisation und Finanzierung, Methoden, Ziele und Aktivitäten
  • Ein Aufklärungsbuch über die Gefahren der Psychosekte - umfassend und kompetent


Ursula Caberta, geboren 1950, ist Diplom-Volkswirtin und leitete von 1992 bis 2010 die Arbeitsgruppe Scientology bei der Behörde für Inneres in Hamburg, die als oberste Landesjugendbehörde für Kinder und Jugendliche aus neureligiösen und ideologischen Gemeinschaften sowie Psychogruppen fungiert. Von Januar 2011 bis Februar 2013 war sie Ministerialreferentin bei dieser Behörde. Fachberatung beim erfolgreichen Scientology-Fernsehfilm 'Bis nichts mehr bleibt'.

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Leseprobe

Gedrillte Eltern – arme Kinder


Die Anfangsschritte zur Verbesserung des Individuums sind in der Kinder-Dianetik und der Erziehungs-Dianetik enthalten. Die Gerichts-Dianetik, die politische Dianetik und die Militär-Dianetik werden an anderer Stelle berührt oder zur weiteren Untersuchung aufgeteilt.63

In seltener Deutlichkeit unterstreicht der Gründer der Scientology-Organisation schon am Anfang seines Buches Dianetik, welche Bedeutung für ihn, und damit für die Organisation, Kinder und deren Erziehung haben. Der Nachwuchs für die kreierte Parallelwelt Scientology.

Die »Sorge« um den Nachwuchs beginnt bereits vor der Geburt. Der Bereich der so genannten »Zweiten Dynamik« erläutert, wie mit schwangeren Frauen umzugehen ist:

Schwangere Frauen sollten besondere Aufmerksamkeit durch den Dianetik-Auditor erhalten. Das richtige Auditing bei schwangeren Frauen besteht aus Dianetik und vorbereitendem Auditing für die Geburt.

Von Anfang an wird der Start in die scientologische Welt begleitet. Mutter und heranwachsendes Kind werden gleichermaßen den Methoden ausgesetzt. Auch wie die »Behandlung« der Mutter auszusehen hat, ist vorgegeben:

Jeder PTS-Zustand sollte behandelt werden. Engramme früherer Geburten und der eigenen Geburt der Frau sollten als Engrammketten gelöscht werden. Auch schlechte Krankenhauserfahrungen sollten behandelt werden … Die Geburt sollte still erfolgen.

Die werdende Mutter hängt also am Hubbard-E-Meter, die Störfaktoren sollen gelöscht werden. Die Geburt soll still erfolgen. Kein Stöhnen, keine Bekundungen von Schmerzen. Arme Frau. Das Gebären eines kleinen Scientologen ist geprägt von der Ideologie des Systems. Denn die Frau bekommt nicht einfach ein Kind, sie gebärt einen Thetan bzw. den Körper, den sich der Thetan eines verstorbenen Scientologen aussucht. Die Aufgabe besteht daher wohl vor allem darin, dieses Geistwesen so unbelastet wie möglich im scientologischen Sinne das Licht der Welt erblicken zu lassen. Das Licht einer Welt, in der nach Hubbard’scher Logik ein Kampf auf das Kind wartet. Der Kampf der Befreiung der Erde und des Universums.

Und der beginnt früh – anscheinend schon im Mutterleib. In den ersten Jahren der Verbreitung von Dianetik und damit von Scientology in Deutschland warb die Organisation mit den Verhaltensmustern während der Schwangerschaft. Ob und wie viele verunsicherte Schwangere sich damals von folgendem Text angezogen gefühlt haben, ist nicht bekannt, aber die Botschaft ist deutlich: »Mami, warum hast du mir nicht geholfen, als ich neun Monate in deinem Bauch war?«, so die Überschrift der Anzeige, darunter ein kleines weinendes Mädchen. Die Lösung für erschrockene Mütter wird klar angeboten:

L. Ron Hubbard, der Erforscher dieser revolutionären Entdeckung, beschreibt in seinem Buch DIANETIK nicht nur, wie Sie sich während der Schwangerschaft verhalten sollten, sondern gibt Ihnen auch das Wissen, Ihr Kind wirklich zu verstehen und glücklich zu erziehen.64

Übersetzt heißt das: Es kann angehen, dass du als Schwangere während deiner Schwangerschaft Fehler machst, aber gräm dich nicht: Hubbard hat die Lösung.

Wer von dieser Werbebotschaft beeindruckt war und sich in die Hände der Organisation begab, sah sich wohl als Nächstes mit den Schritten zur Ernährung des Neugeborenen konfrontiert. Denn Muttermilch gehört nicht zur bevorzugten Ernährung, so L. Ron Hubbard:

Das Baby zu stillen hat vielleicht einen nostalgischen Hintergrund, besonders für einen an Freud orientierten Arzt, aber auch die Muttermilch ist gewöhnlich eine armselige Ration … Vielleicht ist es das Tempo unserer Zeit oder die Rasse, aber es gibt nur wenige moderne Mütter, die einer Art Milchkuh gleichkommen ... Der Hauptgrund, warum ein Baby nicht gedeiht, liegt in unzureichenden Mahlzeiten. Und um das zu beheben, ist hier das Rezept für die Kost: Rezept für Babykost, 442 ml (= ccm3) Gerstenwasser, 295 ml pasteurisierte Milch, 88 ml weißer Sirup (Mais-Sirup, z.B. Karo Sirup). Sie füttern das Baby nicht mit der Gerste selbst, nur mit dem Wasser, gemäß oben angegebener Mischung. Wenn Sie nicht wissen, was Sie mit der Gerste machen sollen, essen Sie sie selbst. Mit Zucker und Sahne schmeckt sie recht gut.65

Gerstenwasser statt Muttermilch, denn diese könnte ja noch von mütterlichem Verhalten belastet sein. Dies wirkt zwar etwas widersprüchlich, denn wenn die Mütter sich seit der Schwangerschaft in Auditorenhänden befunden haben, kann es ja theoretisch eigentlich keine Belastungen mehr geben. Aber scheinbar sind auch im Hubbard’schen Universum Ausrutscher nicht gänzlich auszuschließen. Also lieber auf Nummer sicher gehen.

Der Vergleich von Müttern mit einer Milchkuh ist unter Berücksichtigung des Frauenbildes von Hubbard übrigens eher harmlos. Die Möglichkeit von Frauen, Kinder zu bekommen, scheint auch in seinen Augen eine der herausragenden Eigenschaften des weiblichen Geschlechts zu sein. Eine andere Aussage zeigt allerdings, welchen Stellenwert Frauen sonst in seinem Universum haben:

Es bereitet mir kein Missfallen zu hören, dass eine Jungfrau vergewaltigt wurde. … Es ist das Los der Frauen, dass man mit ihnen herumhurt bzw. Unzucht treibt.66

Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen. Immerhin ist man im Hinblick auf den aufgestellten Babyernährungszeitplan den »Milchkühen« gegenüber erstaunlich liberal:

Obwohl Sie zwar versuchen, das Baby nach einem Zeitplan zu ernähren, wäre es dumm von Ihnen, es nicht zu füttern, wenn es hungrig ist.67

Ein sehr realistischer Ansatz – im Gegensatz zu Hubbards eher abstrusen Erklärungen, warum ein Baby gegebenenfalls schreit:

Ein Baby, das eine volle Mahlzeit getrunken hat, schläft gewöhnlich sowieso mehrere Stunden lang. Wenn es das nicht tut, gibt es immer einen Grund, wie z.B. eine Nadel oder ein Stückchen Kohle im Bett, nasse Windeln (immerhin das auch, Anm. d. Verf.), irgendetwas. …68

Die Folgen der ungewöhnlichen Herangehensweise des L. Ron Hubbard an Kinderbetreuung und -erziehung hat eine Aussteigerin aus den USA sehr kurz, aber aussagekräftig beschrieben: »Mütter, die ihre Kinder in der Scientology-Kirche erzogen haben und sich lösten, haben schreckliche Schuldgefühle, was ihre Kinder durchmachen mussten«, sagte sie der New York Post. Harte körperliche Arbeit, manchmal 40 bis 60 Stunden pro Woche. Eltern würden von der Sekte angehalten, ihre Kinder nicht zu trösten oder zu füttern. Denn laut Sektenlehre seien Kinder kleine Erwachsene, die für sich selbst sorgen können. Auch Arzneien seien verpönt. Bei Fieber werde das Kind angehalten, einen Gegenstand in die Hand zu nehmen und stillzuhalten. »Ich habe es mit meinem Kind versucht. Natürlich hat es nicht geklappt.«69

Das Buch Kinder-Dianetik für die scientologische Erziehung enthält alle Grundlagen für scientologische Eltern. Immer und immer wieder wird dort deutlich, dass die Eltern Hilfestellungen zu geben haben, aber immer nach dem Prinzip handeln sollen, dass sie eigentlich kein Kind aufziehen, sondern einen voll entwickelten Thetan im kleinen Körper. Diesen gilt es, heranwachsen zu lassen.

Dieser Ideologie folgend ist es dann auch schlüssig, dass die Entwicklung eines Kindes, seine Fantasie, Kreativität und die sich daraus vielleicht entwickelnden eigenen Bilder als störend eingestuft werden. Denn eines muss dem Erziehungspersonal wohl von Anfang an sehr deutlich gemacht werden: Das Prinzip Scientology und das Leben im System sind das Maß aller Dinge. Ein eventuelles Abweichen davon ist den Kindern von vornherein abzugewöhnen: So findet Hubbard es »nicht überraschend, dass Kinder Ähnlichkeit mit Psychotikern und Schizophrenen zu haben scheinen«. Jedes Kind habe »eine blühende Fantasie, und als Ergebnis davon wirkt es in einigen seiner Fantasie-Schöpfungen wie ein Psychotiker«.70 Selbst vor den Kindern macht das immer wiederkehrende Muster also nicht Halt: Wer im Denken und Handeln abweicht, kann als psychisch krank angesehen werden. Eine der schlimmsten »Diagnosen« für ein Mitglied der Organisation.

Um den Werdegang des scientologischen Nachwuchses, wenn irgend möglich, nicht durch Störungen der Außenwelt zu gefährden, ist der Erziehungsverlauf für die scientologischen Eltern von der Schwangerenbetreuung bis zum Hubbard’schen Bildungssystem und – wahrscheinlich dem Traum vieler aktiver Eltern für ihre Kinder – der Eliteeinheit Sea-Org durchorganisiert. Schön ist das Aufwachsen in scientologischen Einrichtungen jedoch mitunter nicht unbedingt:

Ich war entsetzt. In einem halbdunklen Souterrain hatte man die Kinder abgeladen, kein auch nur halbwegs vernünftiges Spielzeug war für sie da, überall lag Dreck herum, die Teppiche waren abgewetzt, außerdem schienen sich die Betreuer nicht sonderlich um das Wohl der Kinder zu kümmern.71

Mit dieser Aussage beschreibt ein ehemaliger Scientologe den in Hamburg von der Organisation eingerichteten Kindergarten für die Mitarbeiter/innen der »Kirche«. Seine scientologische Ehefrau war schwanger, und so informierte man sich schon einmal über die Betreuungsangebote für den kleinen Thetan, der bald das Licht der scientologischen Welt erblicken sollte. Die Entscheidung des inzwischen nicht mehr scientologischen Ehepaares war klar: In diese Betreuungseinrichtung würden sie ihr Kind nicht geben. Im Gegenteil: Dieser Einblick in die Organisation öffnete dem Paar so sehr die Augen, dass sie sich entschlossen auszutreten. Doch dieser Schritt ist im scientologischen Alltag...

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