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Staatsverschuldung

Ursachen, Folgen, Auswege

AutorAloys Prinz, Hanno Beck
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2013
ReiheBeck'sche Reihe 2742
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783406633027
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Die Staatsverschuldung hat in den meisten westlichen Industrieländern mittlerweile so hohe Ausmaße erreicht, dass ihre Beherrschung zum größten Thema und zur schwierigsten Aufgabe der Politik geworden ist - und es auf lange Zeit bleiben wird. In klaren, für Leser ohne ökonomische Vorbildung verständlichen Worten erläutern Hanno Beck und Aloys Prinz in diesem Band die wichtigsten Begriffe, Fakten und Zusammenhänge, die man über Staatsverschuldung wissen muss. Die Autoren stellen die maßgebenden Argumente für und wider Staatsverschuldung vor und erklären, wie es zu den hohen Schuldenständen in Deutschland und anderen Ländern kommen konnte, und welche Auswirkungen das auf unsere Wirtschaft hat. Der Politik bleiben immer weniger Möglichkeiten, die Schulden zu begrenzen und die aktuelle Euro-Krise zu überwinden.

Hanno Beck lehrt Volkswirtschaftslehre als Professor an der Hochschule Pforzheim. Aloys Prinz lehrt Finanzwissenschaft als Professor an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

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Leseprobe

II. Warum lebt der Staat auf Pump?


1. Rentabilität und Dringlichkeit


Nachdem wir uns mit einigen praktischen Aspekten zu Entstehung, Messung und Organisation der Staatsverschuldung beschäftigt haben, kommen wir nun zur grundsätzlicheren Frage, warum ein Staat sich überhaupt verschulden darf oder soll. Eine erste Begründung für Staatsverschuldung findet man, wenn man den Staat mit einem privaten Unternehmer vergleicht: Dieser nimmt einen Kredit auf, um eine Investition zu finanzieren, zum Beispiel die Anschaffung einer teuren Maschine. Aus den Erträgen der Investition tilgt er den Kredit und zahlt die Zinsen. Macht er darüber hinaus noch einen Gewinn, so hat sich diese Investition für ihn gerechnet.

Ein ähnliches Kalkül kann auch ein Staat anstellen, wenn er größere Investitionen erwägt, beispielsweise in die Infrastruktur seines Landes: Er nimmt einen Kredit auf, um damit eine Autobahn, ein Stromnetz oder andere Großprojekte zu finanzieren, und mit den Erträgen dieser Investition baut er die dafür aufgenommenen Schulden wieder ab.

Der Staat kann auf diesem Weg Projekte finanzieren, die er ohne Kredite nicht anschieben könnte. Kein Unternehmen hat genügend eigene Mittel, um Großprojekte komplett aus der eigenen Tasche zu finanzieren, und auch einem Staat würde es schwer fallen, alle Investitionen aus den laufenden Einnahmen zu bezahlen. Die Kreditaufnahme ermöglicht eine zeitliche Streckung der Projektkosten und erleichtert dadurch die Investitionstätigkeit des Staates. Insofern sind Kredite, ist die Aufnahme von Staatsschulden immer dann gerechtfertigt, wenn mit diesem Geld investive Projekte finanziert werden, von denen man sich in Zukunft Erträge verspricht.

Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen dem Staat als Investor und einem privaten Unternehmer: Der Unternehmer erhält die Erträge seiner Investition direkt in Form steigender Verkaufszahlen, höherer Umsätze und Gewinne – aber wie sieht das beim Staat aus? Der Staat erwirtschaftet die Erträge seiner Investitionen nicht über steigende Verkäufe, sondern indirekt über höhere Einnahmen vor allem aus Steuern: wenn die schuldenfinanzierten staatlichen Investitionen erfolgreich sind, führen sie zu einem höheren Wachstum der Volkswirtschaft, also zu einem höheren Sozialprodukt, das zu steigenden Steuereinnahmen des Staates führt und ihm die Rückzahlung der Schulden ermöglicht. Solange also die staatlichen Schulden dazu genutzt werden, wachstumsfördernde Investitionen zu finanzieren, sind sie unproblematisch, da sie sich idealerweise aus den Erträgen dieser Investitionen selbst finanzieren.

Darüber hinaus sind Staatsschulden für Investitionen auch mit Blick auf kommende Generationen gerechtfertigt. Schuldenfinanzierte Investitionen werden nämlich jeweils von den Nutzern der Investitionen mitfinanziert – das ist das so genannte Pay-as-you-use-Prinzip. Wie muss man sich das vorstellen? Der entscheidende Punkt an allen Investitionen, auch staatlichen, ist, dass sie über mehrere Jahre hinweg genutzt werden können. Die Autobahn, die heute gebaut wird, wird über viele Jahre und Jahrzehnte hinweg befahren. Wenn sich der Nutzen dieser Autobahn, der Nutzen aller staatlichen Investitionen, über viele Jahre hinweg erstreckt, dann ist es ökonomisch gerechtfertigt, die Kosten dafür über die entsprechende Anzahl an Jahren zu strecken – gemäß ihrer Nutzung. Da auch zukünftige Generationen etwas davon haben werden, ist es auch korrekt, sie über die Zinsen und Rückzahlung der Schulden, die man dafür aufgenommen hat, an der Finanzierung zu beteiligen.

Im konkreten Beispiel der Autobahn bedeutet das Folgendes: Der Staat finanziert eine Autobahn, die sagen wir 30 Jahre genutzt werden kann (danach ist sie durch die Nutzung sozusagen verbraucht, also abgeschrieben), mittels Staatsverschuldung, und diese Schulden werden exakt im Laufe dieser 30 Jahre über Einnahmen, z.B. aus der Mineralölsteuer, zurückgezahlt. Jede Generation von Bürgern, die diese Autobahn im Laufe der 30 Jahre nutzt, zahlt damit ihren Anteil an den Schulden entsprechend ihrer Nutzungsintensität. Die Rückzahlung der Schulden erfolgt parallel zur Nutzung der damit finanzierten Autobahn.

Die Kreditfinanzierung von Investitionen kann auch helfen, Schwellenländern den Weg in die Industrialisierung zu ebnen. Länder, die über wenig Kapital verfügen, können sich die entsprechenden finanziellen Mittel über Kredite aus dem Ausland beschaffen (externe Verschuldung). Das über Schulden im Ausland erworbene Kapital kann im Inland eingesetzt werden, um die wirtschaftliche Infrastruktur auf- und auszubauen sowie andere produktivitätsfördernde Maßnahmen anzustoßen, die zu mehr Wachstum führen. Hat man das ausländische Kapital richtig investiert, so führt die Schuldenfinanzierung zu einem höheren Sozialprodukt, und ein Teil dieser Produktionssteigerung kann anschließend ins Ausland exportiert werden, um auf diesem Weg die Auslandsverschuldung zurückzuzahlen. Auslandsverschuldung zur Finanzierung von Investitionen ist also eine Entwicklungsstrategie – die allerdings nur funktioniert, wenn das ausländische Kapital wachstumsfördernd eingesetzt wird. Wird das geliehene Kapital für unproduktive Zwecke wie Rüstung oder Vetternwirtschaft ausgegeben, kann dies in den Staatsbankrott führen. Letzteres ist oft ein Grund für die Insolvenz von Schwellenländern, vorzugsweise von autokratisch geführten Regimen und Militärdiktaturen.

Die bisherigen Argumente für die Verschuldung des Staates stellen auf die Rentabilität der Mittelverwendung ab – werden die Schulden wachstumsfördernd genutzt, so ist die Rückzahlung gesichert und die Kreditfinanzierung hinsichtlich der langfristigen Nutzung der damit finanzierten Investitionen angemessen. Ein weiteres Argument für schuldenfinanzierte Staatsausgaben stellt nicht auf die Rentabilität, sondern auf die Dringlichkeit der Ausgaben ab: Kriege, Naturkatastrophen oder andere Schocks (wie beispielsweise die Wiedervereinigung Deutschlands) führen zu temporär erhöhten Ausgaben, die der Staat zumeist nicht aus den laufenden Einnahmen bestreiten kann – hier bleibt nur die Möglichkeit der Staatsverschuldung.

Anstelle von Staatsverschuldung könnten die Kosten solcher einmaliger Ereignisse auch mit höheren Steuern finanziert werden – was spricht dagegen? Erstens können die Kosten so hoch sein, dass man sie unmöglich ohne gravierende negative Nebenwirkungen (wie etwa eine Wirtschaftskrise) über Steuern finanzieren könnte. Aber auch bei Ereignissen, die man über höhere Steuern noch finanzieren könnte, gibt es ein Argument für eine temporäre Erhöhung der Staatsverschuldung – die Glättung der Belastung der Bürger mit Steuerzahlungen. Hierbei geht es um Folgendes: Jede Steuer kostet grundsätzlich eine Volkswirtschaft mehr als nur die Steuerzahlungen. Diese Mehrbelastung wird Steuerzusatzlast genannt (im Fachjargon Deadweight loss oder Excess burden). Dabei handelt es sich um eine Belastung, der keinerlei Ertrag gegenüber steht – Ökonomen nennen das einen gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsverlust. Die Zusatzlast von Steuern und der damit verbundene Wohlfahrtsverlust entstehen dadurch, dass die Bürger versuchen, der Steuer auszuweichen. Diese Ausweichreaktion führt dazu, dass die Bürger ihre wirtschaftlichen Aktivitäten ändern, also sich anders verhalten, als sie eigentlich möchten; dem Staat entgeht dadurch ein Teil des Steueraufkommens, und die Bürger sind frustriert.

Ein einfaches Beispiel dafür ist die Mineralölsteuer. Benzin wird dadurch erheblich verteuert. Um der Steuer zumindest teilweise auszuweichen, nehmen Autofahrer beispielsweise längere Fahrten in Nachbarländer in Kauf, wo das Benzin billiger ist. Dem Staat entgehen dadurch Steuereinnahmen und die Autofahrer sammeln nutzlose Kilometer – das sind die Zusatzlasten. Fast alle Typen von Steuern lösen mehr oder weniger starke Zusatzbelastungen dieser Art aus.

Diese Zusatzbelastung steigt in der Regel mit zunehmender Steuerbelastung – je höher die Steuersätze sind, umso höher werden die damit verbundenen Zusatzbelastungen. Würden einmalige hohe Staatskosten mit kurzfristig stark steigenden Steuern finanziert, so würde dies auch zu einem starken temporären Anstieg der Zusatzbelastungen aus diesen Steuern führen. Die Alternative zu diesem Szenario ist die Schuldenfinanzierung solcher einmaliger Ereignisse, deren Tilgung im Laufe der Zeit aus den laufenden Steuereinnahmen erfolgt. Diesen Vorgang nennt man Steuerglättung (Tax smoothing). Dadurch wird die Zusatzbelastung der Besteuerung minimiert. Allerdings erfordert diese Strategie, dass die auf diesem Weg aufgebauten Schulden auch wieder abgetragen werden.

Auch aus der Perspektive der Generationengerechtigkeit kann eine Schuldenfinanzierung solcher einmaliger Ereignisse gerechtfertigt sein, nämlich dann, wenn zukünftige Generationen davon profitieren. Beispielhaft dafür ist die Finanzierung der Wiedervereinigung Deutschlands, von deren Folgen auch zukünftige Generationen profitieren werden. Es ist aus dieser Perspektive angemessen, sie in Form von...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel3
Impressum4
Inhalt5
Vorwort7
I. Grundlagen: Das Einmaleins der Staatsverschuldung8
1. Interne und externe Staatsverschuldung8
2. Die Messung von Staatsverschuldung10
3. Offene und versteckte Staatsverschuldung14
4. Anleihen, Obligationen, Schatzbriefe18
5. Organisation der Staatsverschuldung23
6. Die Rating-Agenturen25
II. Warumlebt der Staat auf Pump?27
1. Rentabilität und Dringlichkeit27
2. Konjunkturpolitik32
3. Staatsverschuldung im politischen Betrieb38
III. Die Entwicklung der Staatsverschuldung in Deutschland43
IV. Die Folgen der Staatsverschuldung51
1. Staatsverschuldung und Gesamtwirtschaft51
2. Wachstum und Wohlstand60
3. Staatsverschuldung und Einkommensverteilung70
4. Inflation75
5. Staatsbankrott80
6. Staatsverschuldung in einer Währungsunion86
V. Auf der Suche nach Auswegen91
1. Staatliche Schuldengrenzen91
2. Entschuldung97
3. Entschuldung in Staatengemeinschaften und die Krise der Europäischen Union100
4. Der Euro-Rettungsschirm um EFSM, EFSF und ESM104
VI. Schlussfolgerungen115
Quellen und Anmerkungen117
Literaturempfehlungen123
Index126

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