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E-Book

Steueroase Deutschland

Warum bei uns viele Reiche keine Steuern zahlen

AutorMarkus Meinzer
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl340 Seiten
ISBN9783406666988
FormatePUB/PDF
KopierschutzDRM/Wasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Steueroasen, das waren bisher immer die anderen - alpine Täler und karibische Inseln. Auf der Grundlage jahrelanger Recherchen zeigt Markus Meinzer in diesem Buch erstmals, wie Deutschland im internationalen Steuerflucht- und Geldwäschegeschäft aktiv mitmischt. In Deutschland sieht man sich gerne als Opfer seiner europäischen Partner. Peer Steinbrück wollte die Kavallerie in die Schweiz schicken, um dort die Finanzsümpfe trocken zu legen. Doch im Kampf um Investoren und im Buhlen um das internationale Finanzkapital wird auch hierzulande bei den Steuertricks der Konzerne weggeschaut, rollt man Schwarzgeld den roten Teppich aus und bleiben die Aufsichtsbehörden zu schwach, um dem Treiben Einhalt zu gebieten. Eindringlich zeigt dieses aufrüttelnde Buch, wie Deutschland nicht bloß Opfer der Steueroasen, sondern längst selbst Teil des Problems ist. Es fragt aber auch, wie eine faire Finanzarchitektur für das 21. Jahrhundert aussehen sollte und welche Rolle Deutschland bei ihrer Durchsetzung spielen kann.

<p>Markus Meinzer ist Steuer- und Finanzanalyst beim internationalen Tax Justice Network (Netzwerk Steuergerechtigkeit). Er ist verantwortlich f&uuml;r den &quot;Schattenfinanzindex&quot;, den das Tax Justice Network herausgibt, und ein gefragter Experte zum Thema Steueroasen.</p>

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Leseprobe

2. Steuerfluchtburg Deutschland


Beim Erstkundengespräch in der Deutschen Bank gibt sich Herr Baumann als Unternehmer mit Wohnsitz in der Schweiz aus. Er wolle gern in Deutschland ein Konto eröffnen, da er hier geschäftlich viel zu tun habe. Das Ganze möge aber bitte diskret ablaufen, denn das Schweizer Finanzamt soll davon nichts erfahren. Außerdem möchte er einen Fonds aus den Bermudas mit 100.000 Euro nach Europa bringen – aber bitte nicht in die Schweiz, denn das Geld sei unversteuert. Die Reaktion der Bank auf dieses Bekenntnis, eine beachtliche Menge Schwarzgeld von einer karibischen Steueroase nach Deutschland bringen zu wollen: Kein Problem, wir nehmen ihr Geld gerne an. Es interessiert den Bankberater nach eigenem Bekunden überhaupt nicht, ob Herr Baumann seine Erträge versteuere oder nicht. Die Bank gelobt obendrein, dass das Schweizer Finanzamt von dem Konto nichts erfahren werde.

In Wahrheit ist Herr Baumann ein Journalist der Schweizer Handelszeitung, der im Frühjahr 2012 zu dieser versteckten Recherche nach Bayern und Baden-Württemberg fuhr.[68] Neben der Deutschen Bank besuchte er auch andere Finanzinstitute – die Commerzbank zum Beispiel. In deren Filiale zeigte man sich gegenüber dem Schwarzgeld genauso aufgeschlossen wie zuvor bei der Deutschen Bank. Der Bankberater dort brüstete sich gar damit, dass 90 % der Neukunden Schweizer seien und bot dem vermeintlichen Unternehmer an, gegen eine Gebühr von 250 Euro jährlich seine Post zurückzuhalten, damit in der Schweiz niemand von dem Konto Wind bekomme. Eine im Steuerfluchtgeschäft übliche Vorsichtsmaßnahme, mit der bisher vor allem Schweizer Banken von sich reden machten.

Herr Baumann klopfte an die Tür von acht Banken in Deutschland und bei allen, darunter auch Volksbank und Sparkasse, rannte er offene Türen ein. Die Antwort war unisono: Wir scheren uns nicht um Ihre steuerlichen Angelegenheiten, unversteuerte Gelder sind kein Problem, es sei nicht Sache der Bank nach der Steuersituation ihrer Kunden zu fragen. Schockieren mag auch, dass gerade die staatliche BW-Bank nicht einmal eine Wohnsitzbestätigung verlangte. So hätte vermutlich jeder mit einem ausländischen Reisepass vorgeben können, im Ausland zu leben und wäre dadurch der deutschen Abgeltungssteuer entgangen.

Es ist schon länger bekannt, dass Deutschland für angrenzende Nachbarstaaten eine Steueroase ist. Alljährlich vereinbaren Schweizer und Österreicher lange im Voraus bei Banken im süddeutschen Raum Beratungstermine für den 8. Dezember, weil dann in Österreich, Liechtenstein und in katholisch geprägten Kantonen der Schweiz der Feiertag Maria Empfängnis begangen wird. So kann ein Feiertagsausflug mit einem Besuch bei einer deutschen Bank verbunden und Schwarzgeld eingezahlt werden. Ein Banker aus Lindau am Bodensee gibt an, dass etwa 15 % seiner Kunden aus dem grenznahen Ausland kämen.[69]

Auch das 5000-Seelen-Dorf Jestetten an der Grenze zur Schweiz machte mit freundlicher Schwarzgeld-Betreuung Schlagzeilen. Im Jahr 2008 wurde dort mit versteckter Kamera gefilmt, wie ein Schweizer Kunde bei der örtlichen Sparkasse 12.000 Schweizer Franken in gebrauchten Scheinen auf ein neu eröffnetes Konto einzahlt. Fragen zur Herkunft werden nicht gestellt, und es wird wieder versichert, dass die Gelder nicht an die Schweizer Behörden gemeldet würden.[70]

Zu Recht mag man fragen, ob Banken in Deutschland mit Steuerhinterziehung verbundene Gelder überhaupt annehmen dürfen. Die Antwort lautet leider: ja! Weder das Geldwäschegesetz noch Steuergesetze hindern Banker daran, Schwarzgeldkonten zu eröffnen. Das gilt vor allem dann, wenn die Steuerhinterziehung ausländische Steuern betrifft, denn dann kann der Banker juristisch gar keine Beihilfe zur Steuerhinterziehung nach deutschem Recht leisten, da keine inländische Steuer hinterzogen wurde. Geldwäscheregeln hingegen greifen wiederum nur dann, wenn Gelder mit Straftaten, Vortaten genannt, in Verbindung gebracht werden können. Erträge aus der Vortat (etwa Drogenhandel oder Korruption) werden anschließend durch die Geldwäsche getarnt, verschleiert und umgewandelt, so dass die illegale Herkunft der Gelder nicht mehr zu erkennen ist. Allerdings gelten in Deutschland Steuerstraftaten nur in besonderen Ausnahmesituationen als Vortat zur Geldwäsche. Die gewerbsmäßige Steuerhinterziehung war zwischen 2001 und 2007 Teil dieses Vortatenkatalogs (§ 370a AO). Diese Regelung barg ein großes Risiko für das Geschäft mit der Steuerflucht nach Deutschland und drohte die Strafverfolgung von Steuerflüchtlingen mit Auslandskonto massiv auszuweiten. Denn «[b]ereits bei ‹typischen› Hinterziehungen von Zinseinkünften über mehrere Veranlagungszeiträume hinweg liegt aus Sicht der Strafverfolger der Schluss nahe, dass der Täter die für die Gewerbsmäßigkeit erforderliche Absicht hatte, sich durch wiederholte Begehung eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen», so ein Aufsatz in der Zeitschrift «Praxis Steuerstrafrecht» aus dem Jahr 2002.[71] Seitdem die Schwarz-Gelbe Koalition 2007 diesen Paragraphen aus dem Katalog der Vortaten zur Geldwäsche gelöscht hat, gilt nur noch die bandenmäßige Steuerhinterziehung in Deutschland als Vortat zur Geldwäsche (StGB § 261, AO §370).[72] Damit entgeht das deutsche Regelwerk zur Geldwäschebekämpfung nur haarscharf einer Rüge aus Brüssel.

Einer der Vorteile, mit denen die Banken um Schweizer Kunden buhlen, ist die Auszahlung der Zinsen ohne Abzugssteuern in Höhe von 35 %, wie sie in der Schweiz fällig würden.[73] Dabei ist Deutschland gegenüber den potentiellen Steuerflüchtlingen sogar großzügiger als die Schweiz selbst. Denn dort fällt inzwischen die Abschlagssteuer in Höhe von 35 % im Prinzip zunächst auch für Steuerausländer an. Sie wird von dem ausbezahlenden Kreditinstitut einbehalten, die Steuerpflicht bleibt im Heimatstaat aber bestehen. Es handelt sich also um eine Art Steuervorauszahlung, die bei späterer Einkommenssteuererklärung des Zinsgläubigers je nach Steuerabkommen an- und gegengerechnet werden kann. Für Steuerausländer umgehen Schweizer Banken mittels sogenannter Treuhandanlagen diese Steuervorauszahlung jedoch routinemäßig gegen eine Gebühr in Höhe von einem Achtel Prozent des Zinsertrages.[74] In Deutschland dagegen ist nicht einmal dieser Umweg nötig, denn hier werden auf die Zinserträge von Steuerausländern vor vorneherein keine Steuern erhoben. Auf Bankzinsen, Zinsen aus Bundesschatzbriefen und Unternehmensanleihen sowie den daraus erwirtschafteten Spekulationsgewinnen bezahlen nur Steuerinländer Abgeltungssteuer in Höhe von 25 % plus Soli.[75]

Nun dürfte sich die Empörung gegenüber Schweizer oder Liechtensteiner Steuerflüchtlingen in Deutschland in Grenzen halten – schließlich gelten sowohl die Schweiz als auch Liechtenstein als Steueroasen par excellence. Man könnte versucht sein, diese Episoden unter «Gleiches wird mit Gleichem vergolten» zu verbuchen. Wenn wir uns aber vor Augen führen, dass Deutschland im Gegensatz zur Schweiz noch nicht einmal Quellensteuern (dazu zählen die Abschlags- bzw. Abgeltungssteuer) auf die Zinsen von Anlegern erhebt, die ihren Wohnsitz außerhalb der EU haben, dann wird deutlich, dass Deutschland für Steuerflüchtlinge aus Nicht-EU-Staaten noch attraktiver sein dürfte als die Schweiz für deutsche Anleger. Herr Baumann war also kaum ein Einzelfall.

Willkommensgeschenk für Steuerausländer


Die Summen, um die es geht, sind beträchtlich. Eine Studie aus dem Jahr 2010 untersuchte anhand von sonst vertraulichen Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, wo Steuerflucht-Gelder aus Entwicklungsländern hauptsächlich angelegt werden. Darin stellen die Autoren fest, dass entgegen landläufiger Meinungen eben nicht die typischen Steueroasen an vorderster Stelle stehen, sondern große Industriestaaten: «Banken in Industrienationen absorbieren zwischen 56 und 76 Prozent solcher Ströme, wesentlich mehr als Offshore-Finanzzentren. Das Problem der Absorption illegaler Finanzströme liegt damit vielmehr bei Europa und Nordamerika als bei Steueroasen und Schattenfinanzplätzen.»[76] Eine ähnliche Studie kommt zu dem Schluss, dass Deutschland im Jahr 2007 weltweit das sechstgrößte Zielgebiet für ausländische Bankeinlagen von Privatpersonen und Unternehmen war.[77]

Die Geldwäschebekämpfungsorganisation Financial Action Task Force (FATF) sprach in einem Bericht von 2010 davon, dass im Jahr 2008 über 1,3 Billionen Euro auf deutschen Finanzkonten von Gebietsfremden angelegt waren.[78] Möchte man diese Daten aktualisieren, dann lassen sich verschiedene Statistiken der Bundesbank heranziehen. Demnach hatten ausländische Anleger im August 2013 über 2 Billionen Euro in Form von verzinslichen Wertpapieren in deutschen Finanzdepots angelegt.[79] Seit 1984 sind die Zinsen darauf steuerfrei, davor, seit 1965, erhob Deutschland die sogenannte Coupon-Steuer.[80] Dazu kommen die für Steuerausländer ebenfalls steuerfreien, verzinsten Anteile an inländischen Investmentfonds in Höhe von...

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