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Stress als Risiko und Chance

Grundlagen von Belastung, Bewältigung und Ressourcen

AutorHeidi Eppel
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783170295469
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis25,99 EUR
Mit einem Modell, das Stress, Bewältigung und Ressourcen in einem transaktionalen Prozess verknüpft, hat sich in der Psychologie ein neues Paradigma zum Thema Stress etabliert, das für nahezu alle Teildisziplinen und auch für Nachbardisziplinen an Bedeutung gewonnen hat. Es verbindet Wissen aus mehreren traditionell getrennten Forschungslinien und kommt damit zu einer komplexeren Sicht der Realität. Dieses Buch stellt Grundlagen zu den verschiedenen Elementen des Stress-Bewältigungsprozesses dar und macht ihre wechselseitige Abhängigkeit deutlich. Impulse des Modells für Handeln in sozialen Berufen werden für drei aktuelle Aufgabenstellungen exemplarisch erläutert. Exkurse erlauben vertiefende Auseinandersetzung, Erfahrungsberichte Betroffener veranschaulichen die vorgestellten Inhalte.

Heidi Eppel ist Professorin für Psychologie i. R. an der Fakultät Soziale Arbeit und Pflege der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg.

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Leseprobe

Teil II Anwendung: Gestalten förderlicher Bedingungen


7 Unterstützen sozialen Rückhalts


7.1

Begriffliche Klärungen

7.2

Wirkungsweise sozialer Unterstützung

Bericht: Frauen im Mütterzentrum

7.3

Rahmenbedingungen sozialer Unterstützung

7.4

Empirische Ergebnisse zur Wirksamkeit sozialen Rückhalts im Stress-Bewältigungs-Prozess

7.5

Stärkung des sozialen Rückhalts

7.5.1

Notwendigkeit und Zielsetzung

7.5.2

Die Ausgangslage analysieren

7.5.3

Zugang zu vorhandenen Angeboten erleichtern

7.5.4

Neue Angebote unterstützen

Exkurs: Selbsthilfegruppen

Bericht: Nach dem Tod meines Bruders

Zusammenfassung

Empfehlungen zum Weiterlesen

Soziale Einbindung ist eine wichtige Umfeldressource. Das Thema wird hier im Teil II Anwendung unter dem Titel Sozialer Rückhalt vorgestellt. Terminologie und Untersuchungsergebnisse kommen vor allem aus der Sozial-, der Gesundheits- und der Gemeindepsychologie. Nach einführender Begriffsklärung und Begründung der Bedeutung wird der Schwerpunkt auf Möglichkeiten zur Unterstützung sozialen Rückhalts liegen.

7.1 Begriffliche Klärungen


Die begriffliche Differenzierung, die im Folgenden vorgestellt wird, folgt der Terminologie bei Schwarzer (2000, S. 51–54); andere Autoren, z. B. Laireiter (2002, S. 547–550) verwenden die Begriffe anders.

Sozialer Rückhalt als Oberbegriff für Einbettung in soziale Beziehungen wird differenziert in:

  • quantitative Aspekte (soziale Integration/soziales Netzwerk),
  • qualitative Aspekte (soziale Unterstützung/social support).

Soziales Netzwerk/soziale Integration beschreibt den Umfang und die Form (Quantität und Struktur) der Einbettung einer Person in soziale Beziehungen. Der Gegenpol dazu ist soziale Isolation. Typische Indikatoren, die ein soziales Netzwerk kennzeichnen, sind Familienstand, Zahl der Verwandten, Freunde, Bekannten, Häufigkeit von Kontakten. Ein umfangreiches soziales Netz kann sowohl stützen als auch belasten, ist also für sich genommen zunächst weder gut noch schlecht. Es stellt allerdings die Voraussetzung für Unterstützung dar; ohne soziales Netz bin ich einzig auf mich selbst verwiesen.

Soziale Unterstützung/social support „umfaßt die Interaktion zwischen zwei oder mehr Menschen, bei der es darum geht, einen Problemzustand, der bei einem der Betroffenen Leid erzeugt, zu verändern oder zumindest das Ertragen dieses Zustands zu erleichtern, wenn sich objektiv nichts ändern läßt“ (Schwarzer, 2000, S. 52). Wir haben damit den qualitativen oder funktionalen Aspekt des sozialen Rückhalts vor Augen. Zentral bei dieser Definition ist die Begrenzung auf Interaktionen in leidvollen Zusammenhängen, was die Bedeutung dieses Konzepts als Ressource im Rahmen des Stress-Bewältigungs-Modells betont.

Es erwies sich als sinnvoll, verschiedene Aspekte sozialer Unterstützung zu unterscheiden:

  • erwartete Unterstützung,
  • tatsächlich erhaltene Unterstützung,
  • Bewertung der erfahrenen Unterstützung,
  • Gruppenunterstützung.

Erwartete Unterstützung (in älteren Veröffentlichungen auch wahrgenommene Unterstützung) meint ein grundlegendes Vertrauen, von anderen geliebt und akzeptiert zu werden, als Person an sich, unabhängig von Eigenschaften und Leistungen.

Es geht um eine antizipatorische Einschätzung von Unterstützung. Hierbei handelt es sich um ein stabiles Persönlichkeitsmerkmal, das dazu beiträgt, sich unterstützt zu fühlen, unabhängig davon, was die soziale Umwelt tatsächlich an Unterstützung leistet (Sarason, Pierce & Sarason, 1990, nach Schwarzer, 2000, S. 53). Dies Merkmal zeigte sich in faktorenanalytischen Untersuchungen als relativ unabhängig von tatsächlich erlebtem social support. Eigentlich müsste dieser Bereich den personalen Ressourcen zugeordnet werden.

Itembeispiele aus einer Skala zur erwarteten Unterstützung (Schwarzer & Schulz, 2000, S. 1):

„Es gibt Menschen, die mich wirklich gern haben.“

„Wenn ich traurig bin, gibt es Menschen, die mich aufmuntern“

„Wenn mir alles zuviel wird, helfen mir andere.“

Tatsächlich erhaltene Unterstützung bedeutet den Austausch tatsächlicher hilfreicher sozialer Interaktionen. Wir stoßen hier auf die Schwierigkeit festzulegen, aus wessen Perspektive diese Unterstützung wahrgenommen wird. Zwischen den Perspektiven kann es beträchtliche Unterschiede und damit Konfliktpotential geben.

Die Perspektive des Empfängers. Diese ist im transaktionalen Modell die eigentlich wirksame Perspektive.

Itembeispiele aus einer Skala „Acutally Received Support, Recipient“ (Schwarzer & Schulz, 2000, S. 3):

„Denken Sie nun bitte an Ihre engste Bezugsperson .... Wie hat sie sich in der letzten Woche Ihnen gegenüber verhalten?“

„Diese Bezugsperson hat mir gezeigt, dass sie mich mag und akzeptiert.“

„Diese Bezugsperson hat viel für mich erledigt.“

„Diese Bezugsperson schlug mir eine Tätigkeit vor, die mich etwas ablenken könnte.“

Die Perspektive des Helfers. Itembeispiele aus einer Skala „Acutally Percieved Support, Provider“ (Schwarzer & Schulz, S. 2):

„Denken sie nun bitte an den Patienten: Wie haben Sie sich in der letzten Woche ihm gegenüber verhalten?“

„Ich habe ihm gezeigt, daß ich ihn mag und akzeptiere.“

„Ich habe viel für ihn erledigt.“

„Ich schlug ihm eine Tätigkeit vor, die ihn etwas ablenken könnte.“

Die Bewertung der erfahrenen Unterstützung ist im engeren Sinne ausschlaggebend, ob eine Person in einer konkreten Situation eine soziale Interaktion als Unterstützung, als nutzlos oder sogar als zusätzliche Belastung erlebt. Bei Untersuchung dieses Aspekts zeigte sich, dass je nach Art der Belastung verschiedene Personen als hilfreich empfunden wurden, während den Angeboten anderer keine Bedeutung zukam (vgl. Schwarzer, 2000, S. 53–54). Auch die Zeitperspektive ist von Bedeutung; je nach Phase im Bewältigungsprozess werden verschiedene Personen als hilfreich erlebt (vgl. Schwarzer, S. 54).

Itembeispiel für die Dimension „Bewertung der erfahrenen Unterstützung“ sind entnommen aus dem UCLA-Social Support Inventory (Schwarzer 2000, S. 57–58).

Der Fragebogen differenziert nach Freunden, Verwandten, Partner/in, Gruppen oder Organisationen und fragt nach den Erfahrungen im letzten Monat. Eine fünfstufige Skala (niemals bis sehr oft) steht zur Beantwortung zur Verfügung.

Im Anschluss an jede inhaltlich formulierte Aussage wird die Zufriedenheit mit dieser Situation erfragt. Man antwortet auf einer siebenstufigen Skala (sehr unzufrieden bis sehr zufrieden).

„Wie oft haben Ihnen diese Menschen aus ihrer sozialen Umgebung Ratschläge gegeben oder Informationen übermittelt (egal ob Sie das hören wollten oder nicht)?“

„Wie zufrieden oder unzufrieden waren Sie im allgemeinen mit diesen Ratschlägen oder Informationen im letzten Monat?“

„Wie oft haben Ihnen diese Menschen aufmerksam zugehört und Verständnis gezeigt?“

„Wie zufrieden oder unzufrieden waren Sie damit im letzten Monat?“

Gruppenunterstützung (Pfaff, 1989, S.29) stellt das erlebte Zugehörigkeitsgefühl zu einer bestimmten Gruppe, die wahrgenommene Gruppenkohäsion, als wichtige soziale Ressource heraus. Es geht dabei um die Wahrnehmung und Bewertung der generellen Beziehungen zwischen den Gruppenmitgliedern als Bilanz der Erfahrungen, die das Individuum mit der Gruppe als Ganzes gemacht hat (ebd. S. 69). Dieser Aspekt ergänzt die Zentrierung auf die Interaktion mit einzelnen Mitgliedern des Netzwerks, wie sie in den oberen Formulierungen zum Ausdruck kommt und erlaubt zusätzliche Annahmen zur Wirkungsweise, die auf überindividuell wirksamen Gruppeneffekten beruhen.

Die Itembeispiele stammen aus einer Skala zur Erhebung der wahrgenommenen Gruppenkohäsion von Pfaff (1989, S. 318).

„Wie stark stimmen Sie folgenden Aussagen zu Ihren...

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