1 Gehirn
K.-H. Deeg
1.1 Einführung
Die offenen Fontanellen und Schädelnähte des Frühgeborenen, Neugeborenen und Säuglings können als akustische Fenster für die sonografische Untersuchung des Säuglingsgehirns benutzt werden. Neben der vorderen und hinteren Fontanelle eignet sich auch die vordere und hintere Seitenfontanelle zur sonografischen Darstellung der intrakraniellen Anatomie.
Die vordere Fontanelle schließt sich normalerweise zwischen dem 9. und 30. Lebensmonat ▶ [334], im Durchschnitt bei Jungen mit 16,3 Monaten und bei Mädchen mit 18,8 Monaten ▶ [5]. Demgegenüber erfolgt der Schluss der hinteren Fontanelle bereits im Alter von 6 Monaten ▶ [327]. Über den Schluss der Seitenfontanellen liegen keine verlässlichen Werte vor.
Mithilfe der 2-dimensionalen Ultraschalldiagnostik können die intrakraniellen anatomischen Strukturen dargestellt werden. Mit der farbkodierten Doppler-Sonografie lassen sich die Hirngefäße abbilden und mit der gepulsten Doppler-Sonografie kann man die Blutströmung in den Hirngefäßen erfassen und quantifizieren.
1.2 Untersuchungstechnik und Normalbefunde
Schallköpfe Für die sonografische Untersuchung des Gehirns werden Sektorschallköpfe benutzt, die bei kleiner Ankopplungsfläche auf der Haut einen großen Bildausschnitt in der Tiefe ermöglichen und so den anatomischen Gegebenheiten des Säuglingsschädels am besten gerecht werden. Bei weit offener Fontanelle eignen sich auch hochauflösende Linearschallköpfe vor allem zur Darstellung im Nahbereich. Mit ihrer Hilfe kann eine exzellente Detailauflösung erzielt werden.
Schallfrequenzen Die Untersuchung erfolgt in der Regel mit 3,5-, 5-, 7,5- oder 10-MHz-Schallköpfen.
Hochfrequente Schallköpfe von 15 MHz haben eine sehr gute Detailauflösung, allerdings nur eine begrenzte Eindringtiefe. Sie kommen vor allem zur Darstellung im Nahbereich und bei Frühgeborenen zur Anwendung.
Demgegenüber haben niederfrequente Schallköpfe eine höhere Eindringtiefe, jedoch ein geringeres Auflösungsvermögen. Sie kommen vor allem bei der transkraniellen Sonografie und bei größeren Kindern zur Anwendung.
Das Gehirn von kleinen Frühgeborenen und Neugeborenen wird am besten mit 8- oder 10-MHz-Schallköpfen untersucht. Bei jungen Säuglingen kommen 7,5-MHz-Schallköpfe zur Anwendung, während die anatomischen Strukturen bei älteren Säuglingen oft bereits einen 5- oder 3,5-MHz-Schallkopf erfordern.
Untersuchungen jenseits des Säuglingsalters sind auch nach Fontanellenschluss möglich. Sie können durch die dünne temporale Schädelkalotte erfolgen. Die transkranielle Sonografie beim älteren Kind erfordert niederfrequente 3- oder 2-MHz-Schallköpfe, die eine größere Penetranz und Eindringtiefe besitzen. Allerdings ist das Auflösungsvermögen schlechter als bei hoch frequenten Schallköpfen.
Vorbereitung Eine Vorbereitung des Kindes ist nicht erforderlich. Die Untersuchung kann in Rücken-, Seiten- oder Bauchlage erfolgen. Unruhige ältere Säuglinge können durch Fütterung während der Untersuchung beruhigt werden. Eine Sedierung ist nicht erforderlich.
1.2.1 Schnittebenen und Dokumentation
Bei offenen Fontanellen sollte die Untersuchung durch diese „akustischen Fenster“ erfolgen. Routinemäßig werden dabei Sagittal- und Koronarschnitte durchgeführt ( ▶ Abb. 1.1, ▶ Abb. 1.10).
Nach Fontanellenschluss erfolgt die Untersuchung transkraniell durch die dünne temporale Schädelkalotte. Dabei werden axiale und koronare Schnitte durchgeführt.
Vordere Fontanelle Von der vorderen Fontanelle werden Sagittal- und Koronarschnitte durchgeführt. In der sagittalen Schnittebene wird der Schallkopf nach links und rechts gekippt, wobei die gesamte linke und rechte Hemisphäre beurteilt wird. Im Koronarschnitt wird der Schallkopf kontinuierlich von frontal nach okzipital gekippt. Hierbei wird das Frontalhirn, Parietal- und Okzipitalhirn und der Inhalt der hinteren Schädelgrube beurteilt.
Hintere Fontanelle Durch die okzipitale Fontanelle können Sagittal- und Axialschnitte durchgeführt werden. Im Sagittalschnitt wird der Schallkopf – ähnlich wie bei der Einstellung der Sagittelschnitte durch die vordere Fontanelle – zur Seite gekippt, wodurch die beiden Hemisphären und die angrenzenden Ventrikel sowie Basalganglien beurteilt werden. In den axialen Schnittebenen wird der Schallkopf nach kranial oder kaudal verschoben bzw. gekippt.
Abb. 1.1 Schematische Darstellung der Koronarschnitte (nach Rumack u. Johnson 1984 ▶ [342]). C1 = vorderer Koronarschnitt vor den Seitenventrikel-Vorderhörnern; C2 = vorderer Koronarschnitt durch die Seitenventrikel-Vorderhörner; C3 = mittlerer Koronarschnitt durch die Seitenventrikel-Vorderhörner und den III. Ventrikel; C4 = hinterer Koronarschnitt durch die Pedunculi cerebri; C5 = hinterer Koronarschnitt durch den IV. Ventrikel; C6 = hinterer Koronarschnitt durch Kleinhirn und Cisterna quadrigemina; C7 = hinterer Koronarschnitt durch die Seitenventrikel-Hinterhörner; C8 = hinterer Koronarschnitt oberhalb der Seitenventrikel; NC = Nucleus caudatus.
Hintere Seitenfontanelle Die Seitenfontanelle, die von Os temporale, Os occipitale und Os parietale gebildet wird, eignet sich vor allem zur Beurteilung der hinteren Schädelgrube. Insbesondere können Kleinhirn, IV. Ventrikel, Aquädukt und der Sinus transversus beurteilt werden.
Transkranielle Sonografie Durch die temporale Schädelkalotte können axiale (horizontale) und koronare Schnitte durchgeführt werden. Im Axialschnitt wird der Schallkopf entlang der Koronarnaht nach kranial oder kaudal verschoben bzw. gekippt. Man erhält dann Horizontalschnitte durch das Gehirn, die den Schnittebenen der kranialen Computertomografie entsprechen. Die Koronarschnitte von transtemporal entsprechen den Koronarschnitten durch die offene Fontanelle.
Dokumentation Bei jeder Ultraschalluntersuchung des ZNS müssen mindestens 6 Schnittebenen dokumentiert werden:
ein medianer Sagittalschnitt,
je ein Sagittalschnitt durch den linken bzw. rechten Seitenventrikel, wobei die entsprechende Seite gekennzeichnet werden muss,
ein vorderer Koronarschnitt durch die Vorderhörner (C2),
ein mittlerer Koronarschnitt in Höhe des III. Ventrikels und der Foramina Monroi (C3),
ein hinterer Koronarschnitt durch das Kleinhirn (C6),
Pathologische Strukturen sollten gegebenenfalls auf zusätzlichen Schnittebenen abgebildet werden. Sie müssen immer in mindestens 2 senkrecht aufeinanderstehenden Ebenen dargestellt werden; gegebenenfalls sollten hochauflösende Linearschallköpfe verwendet werden.
1.2.2 Normale Anatomie
Bevor die normale Schnittbildanatomie näher besprochen wird, soll kurz auf die relative Echogenität der verschiedenen intrakraniellen Strukturen eingegangen werden:
stark echogene Strukturen: Die Knochen der Schädelkalotte und der Schädelbasis, der Kleinhirnwurm, der Plexus chorioideus, die multiplen Fissuren und Sulci und die darin verlaufenden arteriellen Gefäße sind stark echogen. Erstaunlicherweise erscheinen die Cisterna interpeduncularis und quadrigemina ebenfalls echogen, wahrscheinlich bedingt durch Pulsationen darin verlaufender, größerer Venen sowie zahlloser arachnoidaler Trabekel ▶ [194] ▶ [277].
echoarme Strukturen: Das Parenchym der Großhirn- und Kleinhirn-Hemisphären sowie der Hirnstamm weisen ein relativ homogenes, echoarmes Binnenreflexmuster auf. Auch die Basalganglien sind echoarm, wobei die Echogenität etwas höher als die der Großhirn-Hemisphären ist.
echofreie Strukturen: Echofrei erscheinen die Cisterna magna sowie Liquoransammlungen in den Seitenventrikeln und im IV. Ventrikel. Demgegenüber ist der III. Ventrikel so schmal, dass er nicht echofrei, sondern echoarm erscheint. Seine Echogenität entspricht der der Großhirn-Hemisphären.
1.2.3 Koronarschnitte
Die koronaren Schnittebenen verlaufen in der Frontalebene parallel zur Koronarnaht. Wird der Schallkopf um die koronare Schnittebene gekippt, so kann man das gesamte Gehirn von ventral nach okzipital durchmustern. Die Koronarschnitte ermöglichen einen direkten Seitenvergleich. Mit ihrer Hilfe...