Panikstörung und Agoraphobie (S. 14)
Angelika Lakatos-Witt &, Hans Reinecker
Von einer Panikattacke sprechen wir dann, wenn eine Person vollkommen unerwartet intensive körperliche Empfindungen erlebt, die so bedrohlich für sie sind, dass sie meint, dem Tode nahe zu sein, einen Herzinfarkt zu erleiden, die Kontrolle zu verlieren, ohnmächtig oder verrückt zu werden.
Die hervorstechendsten Symptome sind Herzklopfen, Schwindel oder Benommenheit, Gefühl des Kontrollverlustes, der Atemnot, Brustschmerzen, Schwitzen, Zittern, Hitze- oder Kälteschauer, Kribbeln in den Fingern usw. Da die körperlichen Symptome im Vordergrund stehen, kommen die Betroffenen zunächst gar nicht auf die Idee, dass es sich um ein Angstproblem handeln könnte. Rund die Hälfte aller Menschen erlebt im Laufe ihres Lebens eine solche Panikattacke, diese ist allerdings in der Regel von kurzer Dauer.
Die Merkmale einer Panikstörung sind erst dann gegeben, wenn diese Zustände wiederholt auftreten und zu einer deutlichen Beeinträchtigung des Betroffenen führen. Da Panikattacken typischerweise mit dem starken Drang verbunden sind, den Ort zu verlassen, an dem der Angstanfall auftritt, vermeiden viele Patienten Situationen, in denen eine Flucht schwierig oder peinlich sein könnte, man spricht dann von einer Agoraphobie.
Der Begriff der Agoraphobie war ursprünglich eine Bezeichnung für eine Angst vor weiten Plätzen, Menschenansammlungen usw., gemeint ist heute eine allgemeine Angst einer Person, eine Situation nicht verlassen zu können, in Panik zu geraten oder Hilfe nicht schnell genug erreichen zu können. Patienten vermeiden sehr viele Situationen, die für sie eine Gefahr in diesem Sinne darstellen, z. B. öffentliche Verkehrsmittel, Kaufhäuser, aber auch das Verlassen der eigenen, sicheren Räumlichkeiten. Sofern eine totale Vermeidung nicht möglich ist, werden die Situationen nur in Begleitung aufgesucht oder unter größtem Unbehagen bzw. der anhaltende Besorgnis davor, eine weitere Panikattacke zu erleiden, durchgestanden. Diese „Angst vor der Angst" gilt als besonders typisch für Agoraphobiker.
Die Häufigkeit der Panikstörung liegt im Laufe eines Lebens bei etwa ein bis drei Prozent und die Häufi gkeit der Agoraphobien bei drei bis zehn Prozent. Frauen sind von Agoraphobien deutlich häufi ger betroffen als Männer. Der Beginn der Störung liegt im Durchschnitt bei ca. 30 Jahren.
Panikstörungen werden heute als Ergebnis eines sich aufschaukelnden Prozesses erklärt: Die Person nimmt körperliche Veränderungen wahr, bei denen es sich um normale Körpervorgänge handelt, die aber nicht mit den richtigen Auslösern in Verbindung gebracht werden. Stattdessen werden sie als Anzeichen einer drohenden Gefahr interpretiert. Ein Beispiel etwa wäre die junge Mutter, die nach einer anstrengenden Nacht plötzlich Schmerzen in der Brust verspürt, diese aber nicht auf Verspannungen der Rumpfmuskulatur vom Tragen des Babys zurückführt, sondern eine Krankheit vermutet.
Dadurch steigt der Herzschlag an, sie kann nicht mehr richtig durchatmen. Sie hat keine Erklärung für diese Symptome und bekommt Angst. Durch die Angst werden im Körper weitere Veränderungen ausgelöst z. B. Adrenalin-Ausschüttung. Der jungen Mutter wird schwindlig und heiß, sie beginnt zu schwitzen, hat das Gefühl gleich umzufallen. So gerät sie in eine sich selbst verstärkende Spirale, den Teufelskreis der Angst: Körpersymptome führen zu angstvollen Gedanken und diese wiederum verstärken die Körpersymptome.Agoraphobien sind nicht immer, aber meistens durch eine erste Panikattacke ausgelöst und werden dann durch die damit verbundene Vermeidung aufrechterhalten.