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E-Book

Vier fürs Klima

Wie unsere Familie versucht, CO2-neutral zu leben

AutorGünther Wessel, Petra Pinzler
VerlagVerlagsgruppe Droemer Knaur
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl336 Seiten
ISBN9783426444443
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Die Frage nach dem richtigen, fröhlichen aber umweltbewussten Leben in Zeiten des Klimawandels beschäftigt viele: 'Wie reduzieren wir unseren ökologischen Fußabdruck?' Die Familie Pinzler-Wessel hat es ein Jahr lang versucht. Ihre anregenden und mutmachenden Erlebnisse und Recherchen präsentieren sie in diesem alltagsprallen Buch. Ein Weg, der für alle praktikabel ist und wesentlich mehr Spaß macht als Verzicht erfordert. Wollen wir den Temperaturanstieg auf zwei Grad beschränken, müssen wir unseren CO2-Verbrauch reduzieren. Wie lebt es sich damit? Ist der eingelagerte Bioapfel klimafreundlicher als der aus Chile? Schwein oder Rind? Bahn oder Fernbus? Oder sind alle Mühen vergeblich, weil eine Familie gar nicht viel bewirken kann? Familie Pinzler-Wessel hat es ausprobiert. Sie hat versucht, für alle Vier gute Kompromisse im Alltag zu finden. Sie haben akribisch recherchiert und ein Haushaltsbuch der kleinen Klimasünden geführt. In diesem lebensnahen Bericht ihres Selbstversuches erzählen sie, was gut geht, was nicht und um welche Erfahrungen sie reicher sind.

Petra Pinzler, geboren 1965, studierte Wirtschafts- und Politikwissenschaft an der Universität zu Köln und besuchte die Kölner Journalistenschule. 1994 begann sie in der Wirtschaftsredaktion der ZEIT. Von 1998 bis 2001 war sie für die ZEIT Korrespondentin in den Vereinigten Staaten und bis 2007 Europakorrespondentin in Brüssel. Seither ist sie Hauptstadtkorrespondentin in Berlin für den Politik- und Wirtschaftsbereich. Für ein ZEIT-Dossier zum Thema Freihandel/TTIP wurde ihr 2014 gemeinsam mit zwei Kollegen der Otto-Brenner-Preis für kritischen Journalismus verliehen..

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Leseprobe

Einleitung


Der Test und ein Plan fürs ganze Jahr

Dass wir es genau wissen wollten, verdanken wir Franziska. Unsere damals zwölfjährige Tochter kam eines Tages von der Schule nach Hause, setzte sich vor den Computer und guckte nicht die üblichen Youtube-Pferdevideos. Sie öffnete stattdessen eine andere Webseite: den Klimabilanzrechner der Umweltorganisation WWF. Mit dessen Hilfe kann man ganz einfach seinen ökologischen Fußabdruck kennenlernen, also herausfinden, ob sich das eigene Verhalten auf den Rest der Welt auswirkt. Und wenn ja, wie.

Franziska füllte mit Papas Hilfe den Fragebogen aus – und das Ergebnis war ziemlich niederschmetternd: Unsere Familie ist, so das Ergebnis in aller Kürze, durch unsere Art zu leben für 42 Tonnen CO2 im Jahr verantwortlich. Dadurch, dass wir Auto fahren, wie wir wohnen und essen, wie viel wir kaufen und reisen, sprich, durch unseren Lebensstandard, tragen wir Mitschuld am Klimawandel. Wenn alle Menschen so lebten wie wir, braucht es dafür auf Dauer mehrere Erden. Oder die eine geht kaputt.

Franziska schockierte das Ergebnis. Ihr war bisher nicht klar gewesen, dass ihr ganz persönliches Verhalten eine so durchschlagende Wirkung auf die Umwelt haben kann. Der Vater, Günther, wusste es zwar, aber er musste gestehen, dass zwischen Wissen und Tun oft Gräben liegen – und zwar solche von der Größenordnung des Ärmelkanals.

Dann tröstete die beiden aber: Sie hatten den Klimarechner nicht so ganz ernst genommen, hatten viele Antworten über den Daumen gepeilt abgegeben. Beispielsweise Kilometer, die die Familie mit dem Auto fährt. »Wir haben 13000 im Jahr geschrieben, ich glaube aber, dass es nur 12000 sind«, sagte Günther später. »Und bei der Hausgröße und dem Einkaufen haben wir, glaube ich, auch zu viel angegeben.« Was man so sagt, wenn man das Ergebnis irgendwie doch ein bisschen peinlich findet. Aber erst einmal waren Franziska und Günther sich sicher, dass die Familie bei genauer Beantwortung bessere Werte erzielen würde.

Bizarrerweise beruhigte die beiden auch, dass – so stellte sich am nächsten Tag heraus – die Ergebnisse bei Franziskas Freundinnen und Freunden in der Klasse selten besser, aber häufig sogar schlechter waren. Was fürs Weltklima übel ist, war für die beiden schön. So konnten sie ihre Hände in gefühlter Unschuld waschen: An ihnen lag es schließlich weniger, die anderen waren schlimmer, im Zweifel tragen sie mehr Schuld, wenn es zur Klimakatastrophe kommt. Da war die Familie fein raus, uff!

Dass das nicht ganz stimmte – klar wussten wir das.

Wir sind eine vierköpfige Familie: Vater, Mutter, zwei Kinder – der sechzehnjährige Jakob, die heute dreizehnjährige Franziska. Alle vier essen gern abends gemeinsam (ja, tatsächlich) und reden dann, über den Tag, die Schule, das Leben. Mal mehr, mal weniger engagiert, je nach Thema. Das ist nicht immer lustig, wir streiten und muffeln, nerven uns gegenseitig ganz gehörig, aber es gibt oft genug doch etwas zu lachen, und wir hoffen, dass das auch noch eine Weile so bleibt. Durch Franziskas Schulaufgaben stand plötzlich das Thema »familiäre Ökobilanz« ganz weit oben.

Wir hatten es schon öfter diskutiert, bei Urlaubsreisen, wenn es um Nah- oder Fernziele ging, und vor allem bei Ernährungsfragen. Jakob ist seit mehr als vier Jahren strikter Vegetarier. Er möchte nicht, dass Tiere getötet werden. Aber macht das seine Ernährung auch besser für das Klima? Eine Freundin von uns isst kein Rindfleisch mehr, weil die Tiere angeblich zu viele klimaschädliche Gase produzieren. Oder konkret: weil deren Rülpser den Treibhauseffekt massiv verschlimmern. Spinnt sie oder ist da was dran? Die Klimabilanz eines Schweinenackensteaks aus einem niedersächsischen Mastbetrieb – egal ob biologisch oder konventionell »erzeugt« – soll besser sein als die eines auf der argentinischen Pampa gewachsenen Rindersteaks. Vielleicht sogar besser als die eines Steaks, das von einem Bio-Rinderzuchtbetrieb aus der Uckermark stammt. Stimmt das?

Bei jenem Abendessen warfen wir uns viel Halbwissen um die Ohren und stellten uns viele Fragen: Was darf ich im Winter essen, ohne dem Klima damit zu schaden: Tomaten? Treibhaus oder eingeflogen? Oder beides oder weder noch? Stattdessen immer nur Kohl aus deutschen Landen, Bohnen, Linsen und Feldsalat dazu? Das wäre mager. Sollen es gelagerte Brandenburger Bioäpfel sein oder frisch geerntete aus Chile, Neuseeland und Südafrika? Darf man argentinischen Rotwein trinken? Sollte man selbst Obst konservieren? Ist Biobutter aus dem Supermarkt klimafreundlicher als die konventionelle aus der Region – oder umgekehrt? Und wie sieht es eigentlich mit dem Urlaub und dem Autofahren aus? Nur noch Fahrradfahren und Laufen? Und nur noch Urlaub in Brandenburg? Oder ist Griechenland doch noch drin?

Eigentlich ist der Klimawandel ein Thema, bei dem wir inzwischen ziemlich schnell abschalten. »Langweilig«, sagen die Kinder zu solchen Problemen. Ja, das Klima ist bedroht, die Eisschollen für die Bären werden immer kleiner, die Temperaturen steigen. Schlimm, das. Längst ist die Überzeugung fest, aber man verzweifelt nicht daran, sondern hat sich damit recht gemütlich eingerichtet. Wir Eltern neigen da wie viele unserer Freunde zu einer Mischung aus Fatalismus, naiver Hoffnung, dass es doch noch mal gut geht, dem Verzicht auf Plastiktüten (wenigstens manchmal) und dem Einkauf von Biotomaten. Frei nach dem Motto: Wenn wir schon die Welt nicht verbessern können, wollen wir uns wenigstens an der Supermarktkasse ein bisschen besser fühlen.

Erschüttert wird das nur dann, wenn wir plötzlich konkret darüber nachdenken müssen, was sich da langsam, aber sicher zur Katastrophe entwickelt. Wenn wie durch Franziska solche scheinbar abstrakten Fragen plötzlich sehr konkret werden. Weshalb Günther den Ethikunterricht in den Berliner Schulen so liebt, denn in dem Fach hatte Franziskas Klasse über ihren ökologischen Fußabdruck gesprochen und ihr und uns damit jede Menge Hausaufgaben beschert.

Wir hatten uns bis dahin, das fiel uns plötzlich schlagartig auf, viele Fragen immer mehr oder weniger gefühlsmäßig und mit fundiertem Halbwissen beantwortet. Spargel außerhalb der Saison? Niemals! Erdbeeren auch nicht, schon weil die aus Spanien angeblich stark gespritzt sind, und wer will sich schon selbst langsam vergiften. Wir fühlten uns bei diesem Verzicht gut, dabei war er einfach, denn er war kein echter: Spargel und Erdbeeren von weit weg schmecken meistens einfach nicht. Aber die Mangos aus Mexiko eben doch. Und deswegen wurden die ab und zu gekauft, wenn sie nicht zu teuer waren. Wir hatten ja schon auf die Erdbeeren verzichtet.

Wir durchlebten an jenem Abend folgende Reaktionskette: Schlechtes Gewissen, Seufzen, gute Vorsätze, Relativieren, Ratlosigkeit. Als wir die Teller in die Spülmaschine räumten, waren wir fast bereit für die letzte Stufe. Das Verdrängen. Doch plötzlich sagte Jakob: »Ich will es genau wissen. Was könnten wir denn als Klimaretter tun, ohne dass es albern wird?« Und damit war sie geboren, die Idee, das Ganze fundiert anzugehen. In etwa zu notieren, wann eine ganz normale Familie was kaufen darf, was konsumieren, wann sie sündigt. Wie wir den Urlaub verbringen dürfen und wie viel Ökostrom – denn Ökostrom nutzen wir schon länger – wir wirklich verbrauchen. Wir würden zusammen erforschen, wie die Ökobilanz unseres Frühstücks aussieht und die des Abendessens. Und welche Fallen es gibt.

Wir wollten unsere Leben einmal ganz ungeschminkt angucken und ehrlich wissen, wo wir uns nur einbilden, bereits schön grün zu leben, aber in Wirklichkeit lächerliche Dinge tun. Was wir deswegen ändern müssen. Wo wir das Problem einfach durch den Kauf anderer Produkte würden lösen können – ob wir uns also würden freikaufen können von Ökosünden. Wann Freunde und Bekannte uns als neue Klimakämpfer albern und verschroben finden. Und wo das mit dem Klimaschutz heute für eine normale Familie einfach nicht geht, wenn man sich nicht komplett aus der Gesellschaft ausklinken will. Wie, wann und warum wir also mit dem Versagen würden leben müssen.

Wir haben in dieser Zeit sehr viele Gespräche geführt und gemerkt, wo wir alle inkonsequent sind, wo es dem einen leichtfällt, zu verzichten, und dem anderen schwer. Mitunter war es ein Wetteifern, mitunter sorgte es für lustige Gespräche, mitunter für gereizte Stimmung – dann, wenn der eine sich besser als der andere gab. Vor allem, wenn man kein richtiges Argument dagegen hatte, denn wer will schon als der Klimakiller dastehen, wenn das erklärte Familienziel ist, Energie und CO2 einzusparen. Trotzdem haben wir gemerkt: Je mehr wir im Alltag über unser gemeinsames Projekt sprachen, darüber, unser Leben ab sofort möglichst CO2-sparsam zu führen, desto leichter fiel es uns beispielsweise, auf das Auto zu verzichten. Verhaltensweisen ändern sich eher, wenn man nicht nur im stillen Kämmerlein darüber nachdenkt, sondern wenn man die Ergebnisse des Nachdenkens öffentlich mitteilt. Denn das verlangt dann Konsequenzen.

Man kann den Klimawandel natürlich auch einfach ignorieren. Der norwegische Ökonom, Psychologe und Unternehmensberater Per Espen Stoknes erzählt in seinem Buch »What We Think About Global Warming When We Try Not To Think About Global Warming« (zu Deutsch etwa: »Was wir denken, wenn wir versuchen, nicht an den Klimawandel zu denken« – nebenher ein Buch, das uns schwer beeindruckt hat und das später noch einmal vorkommen wird) von einer Gruppe Manager eines Ölkonzerns bei einer Tagung in Texas. Sie treffen sich in einem Hotel, das ehemals am Ufer eines...

Blick ins Buch

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