Studienarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Literaturwissenschaft - Vergleichende Literaturwissenschaft, Note: 1, Universität Wien (Institut für Europäische und Vergleichende Sprach- und Literaturwissenschaft), Veranstaltung: KO Sozialgeschiche der Literatur./Literatur und Medien, Sprache: Deutsch, Abstract: Der Titel könnte unvoreingenommenen LeserInnen ein etwas lustigeres Buch versprechen. Sicher, man/frau kann an verschiedenen Stellen lachen, aber es ist kein wirklich befreiendes Lachen, mehr ein Lachen über etwas, ein Belächeln. Der Scherz ist voll von solcherart makabren Scherzen. Angefangen bei Ludvíks satirisch gemeinter Postkarte an Markéta - 'Optimismus ist das Opium der Menschheit! Ein gesunder Geist mieft nach Dummheit. Es lebe Trotzki!' -, die statt dem beabsichtigten, schockierend-provozierenden einen vernichtenden Effekt hatte, der voll und ganz auf Ludvík selbst zurückfiel, sein Leben zerstörte. Das Schicksal spielt beständig mit den Figuren des Romans, trickst sie aus. Mit dem nach hinten losgehenden, für Pavel Zemánek bestimmten Racheplan Ludvíks, den peinlichen Folgen von Helenas Selbstmordversuch, Jaroslavs Täuschung durch seinen Sohn, wären nur drei weitere der so zahlreich vorkommenden Beispiele genannt. Ludvík, die Hauptfigur, übernimmt die Rolle des Kitschdekonstrukteurs. Nicht nur seine eigenen verklärten Möchtegern-Wahrheiten, sondern auch jene der anderen Charaktere werden hinterfragt und in manchen Fällen sogar zerstört. Der Kitsch lässt sich im Roman ganz besonders in der Nähe dreier Säulen fassen, die da wären: Wahrheit, Romantik und Folklore. Anhand dieser großen Begriffe und zentralen Themen in Der Scherz soll Kunderas Kitsch-Zertrümmerung aufgeschlüsselt und analysiert werden. Schon das Cover der deutschen Erstausgabe von Der Scherz (1968) deutet dieses Hin und Her des Romans, zwischen ernsthaft-bewegend und komisch-ironisch, an. Der Titel selbst verweist zwar auf etwas Lustiges, einen Scherz, die dicken, schwarzen Großbuchstaben, in denen DER SCHERZ abgedruckt ist, lassen allerdings schon eine tragischere Nuance erahnen, die das tränende Auge darunter vollends zu bestätigen scheint. Man/Frau fragt sich, ob der Füllfederhalter zuerst da war und das Auge gestochen hat, sodass es zu weinen anfing, oder, ob die Träne vom Schreibstift lediglich abgefangen und damit zerstört werden sollte. Ich würde - angenommen die Füllfeder steht für den Autor - keine der möglichen Antworten ausschließen wollen. Einerseits reizt Kundera seine Figuren zu Tränen, sticht ihnen im übertragenen Sinne ins Auge, ihr wichtigstes, sehendes Organ, dass es die Scheinwahrheiten erkenne. Andererseits wird die Träne (woher sie auch gekommen sein mag), ist sie nun einmal da, zerstochen und als sentimental entlarvt...
Sandra Folie hat Deutsche Philologie, Theater-, Film- und Medienwissenschaft und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Wien studiert. Seit Februar 2016 ist sie DOC-Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) an der Abteilung für Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Wien, wo sie über Labels zeitgenössischer 'Frauenliteratur' promoviert.
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