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E-Book

Wake up!

Aufbruch in eine ausgeschlafene Gesellschaft

AutorPeter Spork
VerlagCarl Hanser Fachbuchverlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl250 Seiten
ISBN9783446440685
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Von der Sommerzeit bis zur Schichtarbeit: Wir treiben routinemäßig Schindluder mit unserer inneren Uhr - und ruinieren damit unsere Gesundheit. Der Neurobiologe Peter Spork hat wissenschaftliche Erkenntnisse aus Biologie und Medizin auf unseren Alltag übertragen - und einen 8-Punkte-Plan entworfen, wie wir wieder im Einklang mit dem Rhythmus der Natur leben können. So gehört nicht nur die Sommerzeit abgeschafft, wir brauchen auch mehr Licht bei der Arbeit, und der Präsentismus im Büro muss einer Berücksichtigung von Chronotypen weichen. 'Wake up' ist ein Plädoyer für eine ausgeschlafene Gesellschaft - mit weniger Burn-out und Depressionen, weniger Schlafmangel und Gereiztheit, weniger Übergewicht und Diabetes.

Peter Spork, geboren 1965 in Frankfurt am Main. Studium der Biologie, Anthropologie und Psychologie in Marburg und Hamburg. Promotion im Bereich Neurobiologie/Biokybernetik in Hamburg. Seit 1991 freiberuflicher Wissenschaftsjournalist (u. a. für die Zeit, Geo Wissen, F.A.Z., NZZ, Süddeutsche Zeitung, bild der wissenschaft) und viel eingeladener Redner bei Firmenkongressen und ärztlichen Fachtagungen. Autor mehrerer populärwissenschaftlicher Sachbücher, die insgesamt in neun Sprachen übersetzt wurden (u. a. 'Das Uhrwerk der Natur', 'Das Schlafbuch', 'Der zweite Code'). Peter Spork lebt in Hamburg.

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Leseprobe

Einleitung
Der verbrauchte Mensch

Zeitverlust

Obwohl es dem Durchschnitt der Gesellschaft Mitteleuropas so gut geht wie nie zuvor, obwohl die Lebenserwartung kontinuierlich steigt, die Umwelt sauberer wird, die Nahrungsqualität zunimmt, wir immer mehr Sport treiben und die Medizintechnik nur noch wenig zu wünschen übrig lässt, fühlen wir uns immer kränker.

Für unsere diffusen, meist nicht besonders schwerwiegenden Beschwerden – leichte Kopfschmerzen, Bauchgrimmen, Schlafprobleme – lässt sich objektiv selten ein Auslöser finden. Deshalb glauben wir vermehrt, an eigentlich seltenen Modeleiden erkrankt zu sein, deren Symptome wunderbar auf das Beschwerdebild passen. Derzeit stehen Nahrungsmittelunverträglichkeiten gegen Gluten, Fructose oder Laktose besonders hoch im Kurs. Viele Menschen fürchten sich auch vor Antibiotika-Resten im Fleisch, vor Elektrosmog, den Folgen der Gentechnik oder Pestizidrückständen im Gemüse.

Mein Kollege Sebastian Herrmann hat das Problem im März 2014 in einem schönen Beitrag für die Süddeutsche Zeitung beschrieben. Selbstverständlich gebe es ein „reales Fundament“ für viele unserer Sorgen. Doch in den allermeisten Fällen löse vielleicht erst die Sorge die Symptome aus. Die tatsächliche Gefahr werde jedenfalls völlig überschätzt. Herrmann schreibt treffend: „Das positive Gegenbild dominieren Zerrbilder von Natur und Natürlichkeit.“

Natur ist in. Immer mehr Menschen greifen beim Einkaufen zu, wenn sie die Labels „natürlich“ oder „biologisch“ entdecken. Nahezu alle politischen Parteien möchten mit ökologischen Passagen in ihren Programmen punkten. „Zurück zur Natur“ ist einer der bedeutendsten Trends der Gegenwart. Der neue Hang zur Natürlichkeit treibt allerlei seltsame Blüten: Solange das Bio-Etikett auf dem Nahrungsmittel in vollem Glanz erstrahlt, ist die Welt in Ordnung. Ist das Lebensmittel von Gluten – absurderweise eine natürliche Substanz – befreit, glaubt man sich auf dem Weg der Besserung. Die Effekte auf die Gesundheit (und auch die Gesellschaft) allerdings sind nicht nachgewiesen positiv.

Dabei gibt es ein Feld, auf dem eine Art „Rückkehr zur Natur“ wirklich nottäte: unser Umgang mit der Zeit. Sehr viele Menschen in unserer Gesellschaft gehen auf zutiefst widernatürliche Weise mit den physikalisch vorgegebenen Wechseln aus Tag und Nacht, Frühling, Sommer, Herbst und Winter um. Und die Hinweise nehmen zu, dass es eben diese Art von Widernatürlichkeit ist, die wirklich negative Folgen hat.

Wir erwarten Höchstleistungen, wenn unser Körper Ruhe verlangt, und fahren oft runter, wenn wir am leistungsfähigsten sind. Wir essen, wenn unsere Organe nicht darauf vorbereitet sind. Wir nehmen Medikamente, wenn sie uns mehr schaden als nutzen. Wir suchen das Licht, wenn wir es dunkel brauchen, und die Dunkelheit, wenn wir Helligkeit benötigen. Wir ignorieren unser Bedürfnis nach Pausen und Auszeiten. Kurz: wir haben verlernt, im Einklang mit der biologischen Taktung zu leben.

Daraus resultieren Übergewicht und Krankheit, mangelnde körperliche wie geistige Leistungsfähigkeit, hohe Infektanfälligkeit, verringerte Lern-, Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit, fehlende Kreativität und Lebensfreude, Reizbarkeit bis hin zur Depression.

Dieses Buch möchte das ändern: Es entwirft einen Acht-Punkte-Plan, mit dessen Hilfe wir das Wissen aus Schlafforschung und Chronobiologie, der Lehre von den biologischen Uhren, in unserem Alltag anwenden können – und der konkrete Veränderungen von unseren Politikern und Arbeitgebern fordert. Denn das seelisch wie körperlich krank machende Leben gegen den natürlichen Rhythmus muss ein Ende haben.

Wir können lernen, mit der Zeit zu leben. So wie es biologisch sinnvoll ist. Und die modernen Wissenschaften liefern das Handwerkszeug dazu.

Dabei geht es allerdings nicht um Entschleunigung und Muße. Egal, ob bei Depressionen, Verhaltens- und Persönlichkeitsstörungen oder Suchterkrankungen: Immer wieder wird neben der gestiegenen Sensibilität von Ärzten, Medien und Patienten die angebliche Beschleunigung des Seins, die zunehmende Dauerbelastung am Arbeitsplatz, das, was Experten die „erhöhte psychomentale Anforderung“ nennen, verantwortlich gemacht für lange Krankschreibungen und eine zunehmende Zahl von Frühverrentungen.

Doch die Geschwindigkeit des Lebens – was immer das konkret sein soll – ist für die Masse der Menschen genauso wenig das Problem wie Elektrosmog und eine vermeintlich unnatürliche Ernährung. Das Gefühl des übermäßigen Lebenstempos lässt sich vertreiben, wenn wir bei der zeitlichen Gestaltung des Alltags ein paar Änderungen vornehmen, die mit Entschleunigung wenig zu tun haben – wohl aber mit Natürlichkeit, und zwar einer echten, nicht aus Marketinggründen konstruierten.

Ein natürliches Zeitmanagement macht uns wieder belastbar. Und das ist leichter in die Tat umgesetzt als gedacht: Arbeits- und Freizeit nicht dogmatisch voneinander trennen, Belastungsphasen besser über den Tag verteilen und an individuelle biologische Rhythmen anpassen, mehr an die frische Luft und ans Tageslicht gehen, nachts früher und deutlicher herunterfahren, das Arbeitspensum insgesamt reduzieren, den Präsentismus im Büro abschaffen und gleichzeitig aufpassen, dass niemand beim Heimarbeiten ausgenutzt wird – so lauten nur ein paar der vielen sinnvollen Maßnahmen.

Auch ich setze also auf das Modewort „natürlich“. Aber nicht ohne Grund. Denn wenn es um uns selbst geht, um unseren eigenen Lebensrhythmus, blenden wir die tatsächlichen Warnsignale des Organismus leichtfertig aus und verhalten uns, als stünden wir jenseits biologischer Gesetze. Wir ignorieren, dass es verschiedene Chronotypen gibt, die zu unterschiedlichen Tageszeiten Ruhe benötigen und aktiv sein sollten. Chronischen Schlafmangel nehmen wir gar nicht erst wahr. Ein langer Feierabend ist uns wichtiger als zeitiges Zubettgehen. Und das Arbeiten am Rande des biologischen Leistungstiefs ist längst zum Regelfall geworden.

Dabei wäre gerade hier ein „Zurück zur Natur“ eine hervorragende und ziemlich sichere Investition in die Gesundheit: mit der simplen Einsicht, dass es Tag und Nacht, Ruhe und Aktivität sowie ein individuelles, biologisch vorgegebenes Lebenstempo gibt. Diese Investition kommt gänzlich ohne modisches Entschleunigungsbrimborium aus.

Leben mit der Zeit

Arbeitgeber scheren sich nicht um die natürliche Rhythmik ihrer Angestellten. Politiker zwingen ihre Wähler mit der antiquierten Sommerzeit zu einem monatelangen Leben gegen die biologische Zeitmessung. Und wir selbst haben dabei längst das Gefühl für ein gesundes Timing unserer Aktivitäten verloren.

Es gibt kaum einen Bereich, wo die individuelle, politische und arbeitsrechtliche Gestaltung des Alltags in der modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft so drastisch den wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht, wie die Einteilung der Zeit. Das ist umso verwunderlicher, als unser Körper eigentlich genau weiß, wann und wie viel wir schlafen, arbeiten, uns bewegen und faulenzen sollten. Uns fehlt jedoch der Zugang zu diesen Informationen. Das erklärt auch, warum sich ein Zeitmanagement im Sinne der Natur bis heute nicht durchsetzen konnte, obgleich Forscher in den vergangenen Jahrzehnten Stück für Stück herausgefunden haben, wie es funktioniert.

Wir sollten beginnen, auf die Wissenschaft vom Leben mit der Zeit zu hören.

Jede unserer Zellen besitzt eine eigene innere Uhr und stimmt sich mit den Uhren anderer Zellen ab. Letztlich ist der ganze Organismus rhythmisch organisiert. Das heißt, jedes Organ, jede Motivation, jedes innere Signal folgt periodischen Zyklen. Und der Organismus ist zwingend darauf angewiesen, diese inneren Rhythmen mit den Rhythmen der Außenwelt, etwa dem Wechsel aus Tag und Nacht, abzugleichen.

Immer häufiger gelingt das nicht. Arbeitszeiten, Freizeitverhalten, Schul- und andere Lebensrhythmen diktieren uns ein Leben gegen das harmonische, biologisch getaktete Zeitmaß. Die Folgen sind für die Mehrheit der Bevölkerung spürbar und für manche dramatisch: Sie leiden an chronischem Schlafmangel und einer mehr oder weniger starken Desynchronisation interner Rhythmen.

Beides kann krank machen. Im Zusammenspiel mit außerordentlichen Belastungen drohen psychische Leiden wie ADHS bei Kindern und Burnout, Depression, Schlaflosigkeit und Sucht bei Erwachsenen. Und weil viele körperliche Leiden eine seelische Komponente – einen psychosomatischen Anteil – haben, steigt auch das Risiko für Diabetes und Übergewicht, Krebs und Herzinfarkt.

Die Vertreter der Chronobiologie haben herausgefunden, wie der ideale menschliche Lebensrhythmus aussieht und was es nutzt, ihm zu gehorchen. Die Medien berichten regelmäßig über die zugrunde liegende Forschung. An Anweisungen für die konkrete Umsetzung in der Gesellschaft fehlt es jedoch, oder sie beschränken sich auf banale, vereinfachte und boulevardeske Tipps.

Wenn Sie weiterlesen, werden Sie dagegen ausführliche und möglichst konkrete Anweisungen finden. Jedes Kapitel ist in drei Teile gegliedert. Zunächst geht es um zentrale, meist neue Erkenntnisse der Wissenschaft. Danach folgen Beispiele, an welchen Stellen die gesellschaftliche Realität mit den Fakten aus der Forschung kollidiert. Und schließlich stelle ich wissenschaftlich gut begründete Lösungsvorschläge zur Diskussion, die ich ganz bewusst als Forderungen formuliere.

Niemand muss dabei sklavisch jeden Punkt des Wake up! Plans umsetzen. Einige sind dafür schlicht zu utopisch, etwa die...

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