Einleitung
Globalisierung ist in aller Munde. Doch warum wird dieser weltweite Vorgang meistens nur ökonomisch verstanden? Hinter den wirtschaftlichen Prozessen stehen Menschen unterschiedlicher Kulturen und mit individuellen Interessen und Kompetenzen. Sie müssen sich bei der Zusammenarbeit über Grenzen hinweg verständigen. Dies ist eine Provokation für die eigene kulturelle Prägung, eine Provokation für die Gefühle, für alle Sinne, für die kognitive und kommunikative Kompetenz. Und es ist eine Herausforderung für alle, die in ihren Geschäftsbeziehungen am Golf erfolgreich sein möchten. Ohne Kulturkompetenz ist das nicht leicht.
Schwarzes Gold im Orient
In den letzten zehn Jahren hat sich die Anzahl der Menschen, die an der Weltwirtschaft teilhaben, von 1 Million auf rund 5 Millionen rasant entwickelt. Sie treiben Handel, sind lokal, regional und international unterwegs und müssen miteinander arbeiten und auskommen. In den beteiligten wohlhabenden Ländern werden Reiche reicher und Arme ärmer. In armen Ländern werden aber alle etwas wohlhabender (Pascale Lamy, Direktor IOMC, WTO-Generaldirektor, 2006). Dies betrifft jedenfalls die Menschen in den Golfstaaten.
Diese Dynamik und weltweite Herausforderung wird nicht nur in Asien, sondern besonders auch am Golf vorangetrieben. Öl, das Schwarze Gold, ist der Reichtum im Nahen Osten. Am Schatt al-Arab oder Arvand Rud, wie die Iraner sagen, der Nahtstelle zwischen der arabischen und persischen Golfseite, stehen die größten Raffinerien der Region. Alle Länder am Golf, die seit vielen Jahren Öl fördern, haben sich vorgenommen, durch die Einnahmen die Menschen ihres Landes zu unterstützen, für Bildung und Arbeit zu sorgen, die Infrastruktur zu modernisieren und ihr Land für den Weltmarkt zu entwickeln. Öl ist aber auch ein Schmierstoff der Globalisierung. Das Schwarze Gold ist sehr umkämpft und hat bislang durch viele Krisen weniger zur Entwicklung beigetragen als erhofft.
Geschäftserfolg in den Golfstaaten
Ein Engagement für neue Märkte und für etablierte internationale Geschäftsbeziehungen in der Golfregion ist gefragt. Doch viele Unternehmer, Manager und Ein- und Verkäufer sind unsicher, wie sie sich gegenüber ihren Geschäftspartnern im Mittleren und Nahen Osten verhalten sollen. Sie genießen es, dass unsere Produkte und Qualitätsnormen in den Golfstaaten geschätzt und oft bevorzugt sind. Sie verstehen aber nicht, warum wir aus orientalischer Sicht manchmal als kompliziert gelten. Dafür suchen sie schnelle Antworten auf ihre Fragen. Im Lernprozess der interkulturellen Kompetenz geht es aber nicht um Rezepte, sondern um systemische Konzepte, um über das Verstehen der eigenen kulturellen Kompetenz und das Abgleichen mit der orientalischen Kultur den Geschäftspartnern am Golf adäquat und fair begegnen zu können. Möchten beide Seiten mehr miteinander zu tun haben, sollten sie sich besser verständigen und die Unterschiede verstehen lernen.
Das verheerende Attentat in New York und weitere Anschläge in anderen Großstädten der Welt prägen derzeit unser Bild von muslimischen Arabern. Die jetzige Politik im Iran verhindert eine positivere Perspektive. Doch warum sehen wir im Orient nur das, was wir sehen wollen, und warum sehen auch die Orientalen an uns nur, was sie sehen möchten? So gestaltet sich jede Seite ihr eigenes Bild, nämlich jenes, das ihnen am meisten dient. Wie kommen wir zu einer differenzierten Betrachtungsweise sowohl unserer kulturellen und traditionellen Unterschiede als auch unserer gemeinsamen Interessen?
- Ein norddeutsches Unternehmen hat seit vielen Jahren mit Saudi-Arabien zu tun. Immer wieder gehen deutsche Experten für ein bis zwei Jahre nach Riad. Während der Vorbereitungsseminare wird oft berichtet, dass es ihren Partnerinnen schwer fällt, ihre Männer in einem derart strengen islamischen Land zu wissen oder selbst dorthin zu gehen, woher Fundamentalisten kommen.
- Ein süddeutsches Unternehmen hat seit einigen Jahren behutsame Geschäftskontakte mit dem Iran. Diese Fachkräfte haben es wirklich schwer, ihren geplanten Aufenthalt im Iran zu Hause durchzusetzen. Immer wieder kommt das Thema: »Wie soll ich mit den Ängsten meiner Frau umgehen?«
In beiden Beispielen werden Ängste der Familien deutlich, die auch den Alltag der in den Orient reisenden Geschäftsleute beeinflussen. Sie selbst machen meist sehr gute Erfahrungen mit ihren arabischen und iranischen Partnern und Mitarbeitern, doch können sie ihre positiven Eindrücke und Erkenntnisse ihren Familien nicht ausreichend vermitteln, weil die Medien tagtäglich unangenehme Informationen verbreiten.
Wir alle müssen mit Klischees und Vorurteilen umgehen. Sie leiten unsere sozialen Kontakte. Sind wir unseren Mitmenschen gegenüber immer fair? Über die differenzierte Beschäftigung mit den eigenen und den anderen kulturellen Strukturen lässt sich Verhalten erklären und verstehen, und es hilft, Konzepte für die langfristige Begegnung mit Geschäftspartnern im Orient zu bilden. Das ist eine gute Basis, um durch wiederholte Begegnungen mit Ihren Geschäftspartnern Ihre interkulturelle Kompetenz zu fördern.
Die meisten Ihrer Geschäftspartner in den Golfstaaten sind sowohl modern als auch konservativ. Modern hinsichtlich des Zugangs zu Technik und Infrastruktur, dennoch konservativ und Kultur bewahrend. In der westlichen Presse wird das oft mit »halbierte Moderne« beschrieben. »Wir sind und bleiben Araber und gläubige Muslime«, behauptet der 30-jährige Magdy, den ich in Abu Dhabi zum Gespräch treffe. Er studierte Ökonomie in den USA und leitet den Betrieb seines Vaters, ein Elektrounternehmen.
Die Identität als Araber oder Perser ist sehr stark ausgeprägt und wird jeweils von einer langen und beeindruckenden Geschichte getragen. Die meisten Araber wie Iraner pflegen eine mehrdimensionale Kommunikationskultur. Sie sehen ihr Leben als Einheit und teilen es nicht so strikt, wie wir es vielleicht gewohnt sind, in beruflich und privat. Sie verstehen sich als eine Person mit verschiedenen Aufgaben und Rollen, die sich immer wieder ergänzen und überlappen können. Eine davon ist, Geschäftspartner eines oder einer Deutschen zu sein.
Was Sie von diesem Buch erwarten können
Viele Informationen und Insidertipps warten darauf, von Ihnen entdeckt zu werden. Es sind keine Geschichten aus Tausendundeiner Nacht, sondern unterschiedliche Erfahrungsberichte verschiedener Geschäftsleute. Diese Informationen können für die systematische Planung und Vorbereitung Ihrer Geschäfte am Golf, für die Durchführung – die Kontaktaufnahme, den Beginn, die Abwicklung, die Verhandlungsprozesse – und für die Endabwicklung hilfreich sein.
Teil I – Interkulturelle Kompetenz für das Business am Golf – führt Sie in die Geheimnisse kulturellen Verhaltens im Orient ein und zeigt Ihnen, wie Sie sich darauf einstellen können. Sie werden anhand von Beispielen mit interkulturellen Fragen und Lösungen konfrontiert und erfahren, wie Sie sich methodisch am besten auf Ihr Business am Golf vorbereiten können.
Teil II – Business am Golf – lenkt Ihr Augenmerk auf die Geschäftsmöglichkeiten in den Golfstaaten. Hier lesen Sie über die Bedingungen in der Region. Sie bekommen einen Einblick in die wirtschaftlichen Zusammenhänge, in die islamische Lehre und erfahren, wie muslimische Geschäftspartner handeln, denn die Grundlagen islamischer Ethik werden auch Ihr Business beeinflussen. Sie erhalten Informationen über die orientalische Gesellschaft, was Arbeiten hier und dort bedeutet und welche Lebenseinstellung Ihre Geschäftspartner besitzen. Außerdem erfahren Sie, welche Kompetenzen Geschäftsleute benötigen, die längere Zeit in den Golfstaaten tätig sind. Schließlich gibt es einen kurzen Einblick in die Frage, was Berufsfrauen unterwegs erwartet.
Teil III – Entwicklung in der Golfregion – beschäftigt sich mit den Traditionen und dem Fortschritt in den Golfstaaten. Hier erhalten Sie Informationen über die einzelnen Länder am Golf, über die Geschichte der Golfregion und die Entwicklung durch den Öl- und Gasreichtum. Das Wissen über die Beziehungen zwischen Orient und Okzident und über den Einfluss arabischer Kultur in Europa soll einen Einblick in arabische Gesellschaften bieten.
Teil IV – Praktische Informationen für die Kooperation mit orientalischen Geschäftspartnern – ist ein Serviceteil. Hier finden Sie eine Fülle wertvoller und praktischer Tipps für die...