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E-Book

Zum Aufgeben ist es zu spät!

Fünf Dinge, die Pferde uns über das Leben lehren

AutorTimo Ameruoso
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783644403079
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Grenzen gibt es nur im Kopf. Vor Timo Ameruoso lag eine vielversprechende Karriere als professioneller Springreiter, bis ihn ein tragischer Unfall mit 16 Jahren in den Rollstuhl zwang. Was ihn rettete, war seine Liebe zu Pferden und der Wunsch, wieder reiten zu können. Timo begann, sich intensiv mit dem Wesen der Pferde zu beschäftigen, und entdeckte dabei viele Parallelen zwischen ihnen und uns Menschen. Fünf zentrale Eigenschaften hat er herausgefiltert, die ihm bei der Arbeit mit Pferden und im Leben als Ganzes weitergeholfen haben. In diesem Buch erzählt er anhand seiner eigenen Geschichte, wie es gelingen kann, trotz schwerster Schicksalsschläge seinen Weg zu gehen, um langfristig erfolgreich und glücklich zu werden - und zu bleiben.

Timo Ameruoso, (Jahrgang 1978) fing mit acht Jahren mit dem Reitsport an. Ein Motorradunfall beendete seine vielversprechende Reit-Karriere. Nach weiteren Schicksalsschlägen baute er sein eigenes Unternehmen als Pferdemediator auf. Inzwischen gibt Timo Ameruoso sein Wissen in weltweiten Seminaren weiter. Er ist Dozent an der einzigen Pferdeuniversität der Welt und überträgt seine Erfahrungen in Vorträgen und Workshops für Unternehmen.

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Leseprobe

02 Sich fokussieren: die Kraft auf das Ziel richten


Wo das Problem steckt


Der Fokus meiner Arbeit heute liegt ganz klar darauf, den Pferden zu einem guten Leben zu verhelfen. Und zwar nicht nur meinen eigenen, sondern möglichst vielen, am liebsten allen Pferden. Aber ich weiß, dass das nicht geht. Also konzentriere ich mich auf die, die für mich erreichbar sind. Das sind zum einen die Pferde der Teilnehmer an meinen Workshops, zum anderen die Pferde, zu denen ich für Einzelcoachings gerufen werde, etwa weil sie «durchdrehen», «aggressiv», «extrem ängstlich» sind oder sonst eine «Macke haben». Jedenfalls nach Ansicht ihrer Besitzer.

Ich bitte dann um eine kurze schriftliche Beschreibung der Probleme, nach Art eines Anamnesebogens, fahre anschließend zum jeweiligen Standort und führe einige relativ kurze Trainingseinheiten mit diesen sogenannten Problempferden durch. Ergebnis in der Regel: Alles ist im Lot. Die bösartigen Angreifer werden lammfromm, und die sonst schon bei einem kleinen Huster scheuenden Angsthasen stehen seelenruhig auf ihren vier Beinen. Für die Besitzer ist das häufig ein Schock. Da haben sie sich immer so viel Mühe gegeben, Trainer und Stallkollegen, Homöopathen oder Tierärzte zu Rate gezogen, ohne Erfolg. Und dann komme ich, ein Mann, der seit Jahren im Rollstuhl sitzt, also behindert ist, und selbst einem Pony kaum auf Augenhöhe ins Gesicht schauen kann. Ausgerechnet bei mir sind die Pferde ganz «normal», zutraulich und entspannt.

Das ist genau der Punkt: Es sind nicht die Pferde, die die Probleme verursachen, sondern es sind die Menschen. Diese Erkenntnis tut den Besitzern (in der Regel übrigens Frauen, die Pferdewelt ist überwiegend weiblich) regelrecht weh. Weil sie ihr Weltbild auf den Kopf stellt. Nicht das Pferd muss an sich arbeiten, sie müssen an sich arbeiten. Nur dann schaffen sie es, ihr Pferd in eine ausgeglichene Gemütslage zu bringen.

Ich habe den Eindruck, viele der Teilnehmer an Workshops oder Einzeltrainings erhoffen sich, dass ich ihnen den einen ultimativen Supertrick verrate. Aber das tue ich nicht! Aus einem einfachen Grund: Es gibt keinen Trick. Man kann das enttäuschend finden, aber wenn man es aus einer anderen Perspektive betrachtet, liegt darin ein Vorteil: Wenn es keinen Trick gibt, dessen geheimnisvolle Funktionsweise ich für mich behalte, dann kann prinzipiell jeder dasselbe lernen und anwenden wie ich. Das ist doch eine gute Nachricht! Was aber muss man dafür tun? Das Verhältnis zum Pferd und zu sich selbst neu ordnen. Denn beim Pferd gilt das Prinzip Wechselwirkung: Was ich bin und wie ich bin, strahlt unmittelbar auf das Pferd aus.

Außerdem muss man begreifen, dass Pferde vollkommen anders funktionieren als wir. Ihr Denksystem ist ein anderes als unseres. Ein grundsätzlicher Unterschied: Sie sind Beutetiere und leben in der Herde. Wir sind Jäger und soziale «Tiere», die zwar auch in Gruppen leben, aber nicht in solchen Formationen, wie Herden es sind.

Allein aus dieser substanziellen Verschiedenheit folgt eine Reihe von Konsequenzen. Menschen sind beispielsweise in der Lage, taktisch vorzugehen, sie beurteilen Situationen danach, ob ihre Kraft unter- oder überlegen ist. Für Pferde hingegen ist der extrem ausgeprägte Fluchtreflex charakteristisch, ihre streng hierarchische Orientierung innerhalb der Herdendynamik und eben auch die Fokussierung.

Sich zu fokussieren – das ist eins der wichtigsten Elemente bei der Arbeit mit Pferden. Die Pferde tun es, wir müssen es auch tun – beziehungsweise darauf gefasst sein, dass die Pferde sofort reagieren, wenn wir den Fokus verlieren. Das Wort «Fokus» beziehungsweise «fokussieren» wird heutzutage geradezu inflationär gebraucht, vor allem im Business-Deutsch. Meistens wird es benutzt, um etwas scheinbar Bedeutenderes als «Konzentration» zu sagen. Ich verwende «Fokus» eher im Sinne von Brennpunkt. Man benennt damit in der Optik den Punkt, an dem sich die durch eine Linse einfallenden Lichtstrahlen schneiden – es ist die Stelle der stärksten Bündelung des Lichts. In der Fotografie ist es die Ebene, auf die man scharfstellt. Ich liebe diese Übertragung aus der Optik, denn genau darum geht es mir beim Fokussieren: die Kraft und die Aufmerksamkeit nicht zu streuen, sondern auf einen Punkt zu richten.

Pferde können sich extrem gut fokussieren. Das muss man selbst erlebt haben. Wenn ein Pferd – zum Beispiel mein Hengst Paolo – einen Grashalm entdeckt hat, an den er heranwill, dann gibt es nichts anderes mehr für ihn, gar nichts. Dieser saftige, grüne, nur wenige Meter entfernte Grashalm füllt den Willen und das Wollen vollständig aus. Paolo denkt keine Sekunde darüber nach, ob der Mensch am anderen Ende des Seils – das bin ich – vielleicht etwas anderes vorhat, sondern er zieht schnurstracks zu diesem Grashalm.

Wenn ich aufmerksam und schnell genug bin, gelingt es mir, Paolo davon abzuhalten. Doch damit ist die Sache nicht erledigt. Nein, denn das war nur Paolos erster Versuch, der nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat. Daraus entsteht nun aber keine Niedergeschlagenheit oder Entmutigung, sondern lediglich: ein weiterer Versuch. Und noch einer und noch einer und noch einer. Denn Paolos Fokus ist auf den Grashalm gerichtet, nicht auf seine Befindlichkeit oder auf Randerscheinungen wie etwa meinen Wunsch, bald Feierabend zu machen. Deswegen wird Paolo es auf dem Weg vom Ring nach Hause in den Stall noch x-mal versuchen. Der Drang wird erst nachlassen, wenn er den Halm tatsächlich im Maul hat oder wenn die Verhältnisse sich so geändert haben, dass es aussichtlos ist, er also im Stall steht.

Wir Menschen tun uns dagegen oft sehr schwer, einen Fokus zu entwickeln und zu behalten. Wenn wir beispielsweise auf der anderen Straßenseite einen Hunderteuroschein liegen sehen – das wäre so etwas wie der Grashalm fürs Pferd –, dann gehen wir nicht einfach darauf zu, um ihn uns zu schnappen. Sondern wir überlegen, ob uns vielleicht jemand zuvorkommen kann, der näher dran ist als wir. Ob wir also schnell dorthin rennen sollten oder dadurch erst recht die Aufmerksamkeit anderer Menschen auf den Schein lenken würden. Vielleicht erwägen wir auch, etwas zu unternehmen, um den Besitzer ausfindig zu machen, oder denken darüber nach, ob wir die unerwartet ins Portemonnaie geflatterten hundert Euro mit der Freundin teilen müssten. Es kommen noch viele weitere Gedanken in Frage, die man sich machen könnte. Doch egal, worum sie sich drehen: Jeder von ihnen führt dazu, dass wir weniger konzentriert sind, weniger schnell, weniger zielstrebig.

Bei Hunderteuroscheinen, die uns nicht gehören, kann man eine solch geschwächte Aufmerksamkeit natürlich hinnehmen. Aber in vielen anderen Fällen bereitet mangelnde Fokussierung eher Schwierigkeiten. Bei der Arbeit mit dem Pferd erkennen wir dann beispielsweise bestimmte Dinge nicht, wie die ersten Anzeichen von Angst oder Respektlosigkeit. Und auch wenn es um uns selbst geht, um unser eigenes Leben, ist Fokussierung notwendig. Nur dadurch können wir überhaupt ein Ziel ins Auge fassen und die Maßnahmen ergreifen, es zu erreichen. Wenn wir viele Dinge gleichzeitig tun, gelingt Fokussierung nicht, wir hüpfen gedanklich mal hierhin, mal dahin. Die Energie verteilt sich auf verschiedene Aufgaben, für jede einzelne ist also weniger Lösungspotenzial vorhanden. Multitasking ist eine (Selbst-)Täuschung und eine freundliche Bezeichnung für mangelnde Schwerpunktsetzung. Man kann sicher beim Bügeln auch noch Musik hören, aber anspruchsvolle Aufgaben sind nicht nebenbei zu bewältigen. Wenn zu viel los ist, entsteht Stress, und wir handeln nicht klug.

Der Hirnforscher Gerald Hüther hat vor einigen Jahren in einem Interview erläutert, wie das Gehirn arbeitet und wie sich unsere Fähigkeit, Probleme zu lösen, verschlechtert, wenn wir unter Druck sind. Er verglich den Aufbau des Gehirns mit einem Fahrstuhl: Im Obergeschoss gibt es die umsichtigsten Lösungen, im Keller die einfachsten. Das Obergeschoss ist das Frontalhirn, zuständig für Handlungsplanung und Folgenabschätzung. Aber unter Druck funktionieren die Verschaltungen dort nicht mehr – und wir stürzen Stockwerk für Stockwerk hinunter. Das heißt, wir entwickeln keine neuen Ansätze und Ideen, sondern greifen auf alte Gewohnheiten und Muster zurück, die sich teilweise sogar auf kindlichem Niveau befinden. Hüther sagte in einem Interview dem Stern (27.12.2006): «Eins ist klar: Wir finden dann keine sehr klugen Lösungen. Wenn zu viel auf uns hereinprasselt, schaltet das Gehirn zurück, wir erleiden einen Rückfall in alte Bewältigungsstrategien.»

Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir es schaffen, uns zu fokussieren, gerade wenn es um entscheidende Dinge geht – sei es generell in unserem Leben oder ganz konkret bei der Arbeit mit dem Pferd.

Kindern gelingt Fokussierung oft noch ganz von selbst. Sie vertiefen sich so in ein Spiel oder in ihre Phantasiewelt, dass sie alles um sich herum vergessen, nichts anderes mehr hören und sehen. Mit zunehmendem Alter verlieren die meisten von uns diese Eigenschaft. Vielleicht hatte ich mir damals, zur Zeit des Unfalls, noch einiges von dieser Fokussierungsfähigkeit bewahrt. Obwohl ich ja schon sechzehn Jahre alt und gewissermaßen auf «Abwegen» war. Nicht mehr das Springreiten war damals...

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