3 Interviewverfahren zur Diagnostik der Sozialen Phobie ( S. 23)
Zur objektiven und reliablen Diagnosestellung klinischer Störungen stehen neben Diagnosechecklisten verschiedene strukturierte und standardisierte Interviews zur Verfügung. Obwohl die Kategoriensysteme DSM und ICD Kriterien für eine Diagnose vorgeben, reichen diese nicht für eine reliable Entscheidung aus. Hierfür sind explizite Regeln zur Informationssammlung und -auswertung notwendig, die innerhalb der strukturierten und standardisierten Interviews enthalten sind.
Sie ermöglichen, dass sowohl zwei verschiedene Interviewer die gleiche Diagnose bei einem Patienten stellen, als auch dass ein Interviewer bei verschiedenen Untersuchungszeitpunkten bzw. Patienten die gleichen Kriterien zur Diagnosestellung zugrunde legt. Einige Kliniker befürchten, dass der Einsatz dieser Verfahren durch den Patienten nicht akzeptiert wird und den Beziehungsaufbau zwischen Patient und Therapeut beeinträchtigt.
Nach unserer Erfahrung ist die Akzeptanz durch den Patienten sehr hoch, vor allem wenn das Interview nach einem Erstgespräch durchgeführt wird und dem Patienten Ablauf und Hintergrund erklärt werden. Weit verbreitete strukturierte Verfahren sind das Strukturierte Klinische Interview für DSM-IV (SKID, Wittchen, Zaudig &, Fydrich, 1997) sowie das Diagnostische Interview bei Psychischen Störungen (DIPS, Margraf, Schneider &, Ehlers, 1994).
Im Bereich der standardisierten Interviews ist das Composite International Diagnostic Interview (CIDI,Wittchen &, Semler, 1991) bzw. in seiner überarbeiteten und erweiterten Form das Diagnostische Expertensystem für Psychische Störungen (DIA-X, Wittchen &, Pfister, 1997) hauptsächlich in epidemiologischen Studien gebräuchlich. Strukturierte und standardisierte Interviewverfahren unterscheiden sich dabei insbesondere hinsichtlich der Notwendigkeit eines klinischen Urteils.
Bei strukturierten Verfahren entscheidet der klinisch erfahrene Interviewer ob die Antworten des Befragten für das Erfüllen der diagnostischen Kriterien sprechen. Im Vergleich dazu sind die Beurteilungsgrundlage des standardisierten Interviews ausschließlich die (ja/nein) Antworten des Befragten. Die Auswertung erfolgt vollkommen unabhängig von Entscheidungen des Interviewers und somit können diese Verfahren auch von trainierten Laien durchgeführt werden.
3.1 Internationale Diagnosen Checklisten (IDCL)
Die IDCL (Hiller, Zaudig &, Mombour, 1995) sind 32 Karten, die die Diagnosekriterien der wichtigsten psychischen Störungen nach ICD-10 enthalten. Dazu zählen Affektive Störungen, Angststörungen, Somatoforme Störungen, Abhängigkeit und Missbrauch von psychotropen Substanzen, Psychotische Störungen, Essstörungen und organisch bedingte Störungen. Bei der Anwendung des Verfahrens ist zu beachten, dass auf den Karten nur die diagnostischen Kriterien sowie Kästchen zur Codierung dargestellt sind, d. h. es werden keinerlei Hilfen für das diagnostische Vorgehen, wie z. B. Frageformulierungen, vorgegeben.
Damit eignen sich die ICDL nur für klinisch sehr erfahrene Interviewer. Zudem ist für eine zufrieden stellende Reliabilität und Validität ein Training notwendig, dies gilt allerdings für alle hier aufgeführten Verfahren. Die Dauer des Interviews wird mit ca. 30 bis 70 Minuten angegeben. Für die Soziale Phobie kann die Retest-Reliabilität dieses Verfahrens als nur gering eingeschätzt werden und betrug ê= .49. Für andere Störungen ergaben sich dagegen häufig gute bis sehr gute Kennwerte.
3.2 Strukturiertes Klinisches Interview (SKID)
Das SKID (Wittchen, Zaudig &, Fydrich, 1997) gliedert sich in zwei Komponenten: mit dem SKID-I werden psychopathologische Störungen der Achse I (DSM) diagnostiziert, mit dem SKID-II werden Diagnosen aus dem Bereich der Persönlichkeitsstörungen gestellt. Eine Kodierung ist auch nach ICD-10 möglich.