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E-Book

Konsumentenpsychologie

AutorGeorg Felser
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl236 Seiten
ISBN9783170239685
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Wie Konsumenten 'ticken', interessiert nicht nur die Werbung oder das Marketing. Für uns alle, die täglichen Konsumenten, die entscheiden, konsumieren und dabei beeinflusst werden, ist diese Frage von Interesse. Das Buch nimmt das Konsumentenverhalten auf unterschiedlichen Ebenen in den Blick: Unbewusste und intuitive Entscheidungen beeinflussen unser Verhalten im Markt genauso wie geplante. Daher werden auch beide Facetten betrachtet. Automatische Prozesse stehen dabei am Anfang, weil sie am wenigsten aufwendig und daher sowohl in der Bildung von Präferenzen als auch bei der Rezeption von Werbung besonders schnell sind. In den weiteren Kapiteln werden die komplexeren Prozesse des Konsumentenverhaltens betrachtet - hier werden die Beeinflussung durch Werbung und Marketing sowie die direkte Interaktion zum Thema.

Prof. Dr. Georg Felser ist Professor für Markt- und Konsumpsychologie an der Hochschule Harz, Wernigerode.

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Leseprobe

2          Automatische Anteile im Konsumentenverhalten: Assoziationen und Einstellungen


Auch das zweite Kapitel betrachtet das Konsumverhalten unter dem Gesichtspunkt automatischer und nicht kontrollierter Verhaltensweisen. Im Folgenden geht es vor allem um die automatischen Einflüsse auf unsere Entscheidungen und Bewertungen. Um diese Einflüsse zu verstehen, sollten Sie eine Vorstellung davon haben, wie man sie misst – nämlich indirekt. Das folgende Kapitel erklärt auch, warum die automatischen Einstellungen und Assoziationen »implizit« genannt werden und unter welchen Bedingungen sie für das Konsumverhalten relevant werden.

Es muss jetzt wirklich schnell gehen! Entscheiden Sie: Schokotorte oder Obstsalat.

Und … Was haben Sie gewählt?

Was würde wohl bei dieser Aufgabe herauskommen, wenn ich Sie vor die gleiche Entscheidung gestellt, Ihnen dabei aber reichlich Bedenkzeit gegeben hätte?

Unter Zeitdruck wählen viele Probanden zunächst einmal die süße Kalorienbombe. Wenn die Entscheider länger nachdenken können, steigen dagegen die Chancen für die gesündere und weniger kalorienhaltige Option (Shiv & Fedorikhin, 1999). Wie erklärt man sich diesen Unterschied zwischen der schnelleren und der langsamen Version? Die Antwort werden Sie sich schon selbst gegeben haben: Allem Anschein nach haben wir eine spontane Vorliebe für die kalorienhaltige Süßspeise. Dass der Obstsalat mit seinen Vitaminen vermutlich besser für uns ist, wissen wir zwar, wir müssen es uns aber erst ins Bewusstsein rufen – und das braucht Zeit.

Manche Konsumentscheidungen stehen offenbar schon nach sehr kurzer Zeit und brauchen nur minimalen Aufwand. Und diese Entscheidungen müssen nicht unbedingt die gleichen sein, die wir nach längerer Zeit und mit etwas größerem Aufwand treffen. Neben der bewussten scheint es also auch eine automatische Ebene der Verhaltenssteuerung zu geben, die unter bestimmten Bedingungen wirksam wird.

Gehen wir im Folgenden also davon aus, dass das Konsumverhalten aus zwei unterschiedlichen Systemen gesteuert werden kann, einem bewussten, reflektierten und absichtsvollen, das vergleichsweise viele kognitive Ressourcen beansprucht, und einem nicht bewussten, automatischen und unwillkürlichen, das auch mit sehr geringem kognitivem Aufwand auskommt. Die Unterscheidung zweier Systeme der Verhaltenssteuerung hat in der Psychologie gute Tradition (z. B. Chaiken & Trope, 1999), und von diesen Zwei-Prozess-Modellen sind jene, die die Automatismen des menschlichen Verhaltens ins Zentrum rücken, in den letzten Jahren besonders populär geworden (z. B. Bargh & Chartrand, 1999; Kahneman, 2012).

2.1       Die Messung impliziter Assoziationen und Einstellungen


Beginnen wir mit einer Methode, die automatische Assoziationen messen soll. Hierzu betrachten wir den Impliziten Assoziationstest (IAT, Greenwald, McGhee & Schwartz, 1998). Der IAT ist ein Verfahren auf Basis von Reaktionszeiten. Die Probanden müssen am Bildschirm unterschiedliche Kategorisierungsaufgaben bewältigen. Entscheidend dabei ist, dass zwei unterschiedliche Kategorisierungsaufgaben gleichzeitig zu lösen sind. Je nachdem, wie die Aufgaben kombiniert werden, verlangsamen sich die Reaktionszeiten oder sie beschleunigen sich (Beschreibung eines Ablaufs Kasten).

So funktioniert ein IAT

Stellen wir uns vor, Sie sollen von einer Reihe von Wörtern entscheiden, ob sie eine positive oder negative Bedeutung haben. Bei einer positiven Bedeutung drücken Sie die Taste »l« auf der Tastatur, bei einer negativen das »a«. Die Wörter sind eindeutig klassifizierbar, sie lauten zum Beispiel Dreck, Liebe, Henker, schön, schlecht und so weiter.

In einem weiteren Durchgang sehen Sie Fotos von Produkten, die entweder zur Hausmarke einer Handelskette gehören oder echte Markenprodukte sind. Auch diese Stimuli sollen Sie klassifizieren, diesmal danach, ob sie Marken- oder No-Name-Produkte sind. Bei einem Markenprodukt drücken Sie links, bei einem No-Name Produkt rechts.

Im dritten Durchgang werden die beiden Aufgaben kombiniert. Die linke Taste – und damit natürlich auch die linke Hand – sind nunmehr sowohl für Markenprodukte als auch für negative Wörter zuständig ( Abb. 2.1). Sie ahnen natürlich die Konsequenz. Die Übung aus den vorangegangenen Durchgängen hat dazu geführt, dass die linke Hand sozusagen die »negative« Hand ist. Wenn wir nun voraussetzen, dass Marken generell eher positiver gesehen werden als No-Name-Produkte, dann ist hier eine Interferenz zu erwarten. Obwohl man Marken positiv bewertet, muss man sie mit der ›negativen‹ Hand bestätigen, um die Aufgabe zu lösen. Die Reaktionszeiten verlangsamen sich.

Auf diesen kombinierten Durchgang folgt zunächst ein vierter Übungsdurchgang: Darin wechselt die Tastenbelegung für eine der beiden Kategorien, für die andere bleibt sie konstant. Zum Beispiel könnten in unserem Marke-NoName-IAT die Probanden instruiert werden, auf negative Wörter nicht mehr mit der linken, sondern nun mit der rechten Hand zu reagieren – und umgekehrt. Das üben die Probanden noch einmal, worauf wieder ein kombinierter Durchgang folgt. Der Markenfreund von vorhin findet nun die Tastenbelegung passend zu seinen Einstellungen vor – seine Reaktionszeiten werden gegenüber dem ersten kombinierten Durchgang schneller.

Nach der IAT-Logik ist dieser letzte Durchgang der sogenannte »kompatible« Block, der erste kombinierte Block ist dagegen der »inkompatible«. Der Vergleich dieser beiden Durchgänge sorgt gleichzeitig dafür, dass individuelle Besonderheiten beim Bearbeiten von Reaktionszeitaufgaben herausgerechnet werden: Es geht nicht um die absolute Schnelligkeit, sondern um die relative, genauer: um die Differenz zwischen den Reaktionszeiten im kompatiblen und im inkompatiblen Durchgang.

Abb. 2.1:  Ein kombinierter Durchgang in einem Marke-No-Name-IAT. Die Probanden sollen die Stimuli danach kategorisieren, ob sie positive oder negative Bedeutung haben oder ob sie Marken oder No-Name-Produkte sind. Unter der Voraussetzung, dass Marken positiver bewertet werden als No-Name-Produkte, gehört die oben abgebildete Aufgabe zum sogenannten ›inkompatiblen‹ Block eines lATs, in dem sich die Reaktionszeiten insgesamt eher verlangsamen.

Die Logik des IAT beruht wesentlich auf der Kombination der beiden parallelen Aufgaben, nämlich der Kategorisierung der Zielobjekte (z. B. Marke und No-Name-Produkte) und der Kategorisierung der Attribute (z. B. positive und negative Wörter). Die Kombination der Aufgaben erleichtert die Bewältigung entweder oder stört sie, dem entsprechend fallen die Reaktionszeiten aus.

Die Kombination von Parallelaufgaben liegt auch anderen impliziten Einstellungsmaßen zu Grunde, zumindest denen auf Reaktionszeit-Basis. Im Folgenden seien exemplarisch vier weitere Methoden zur Messung impliziter Einstellungen genannt:

•  In der »Extrinsic Affective Simon Task« (EAST; de Houwer, 2003) sehen die Probanden weiße Begriffe auf schwarzem Bildschirm. Diese Begriffe sollen sie nach ihrer Valenz beurteilen. Parallel dazu sehen sie farbige Wörter, die sie entsprechend der Farbe einteilen sollen. Wieder werden hierfür die Tasten doppelt belegt: Die Taste ›a‹ könnte danach sowohl für negative weiße Wörter sowie für blaue farbige Wörter gelten, die Taste ›l‹ würde für positive und rote Wörter verwendet. Wenn nun z. B. der Name ›Hasseröder‹ in roter Farbe präsentiert würde, müsste der Proband hierfür mit der Taste (bzw. der Hand) reagieren, die eine »extrinsisch positive« Bedeutung hat. Dies würde die Reaktionszeiten für Freunde des Hasseröder gegenüber den Durchgängen, wo Hasseröder in blau geschrieben wird, beschleunigen.

•  Beim »Evaluative Movement Assessment« (EMA; Brendl, Markman & Messner, 2005) sehen die Probanden ihren Vornamen in der Mitte des Bildschirms. Eine von zwei Aufgaben besteht darin, Wörter mit einer positiven Bedeutung auf ihren Namen zu und Wörter mit einer negativen Bedeutung von ihrem Namen wegzubewegen. In der Parallelaufgabe sollen sie Einstellungsobjekte, z. B. Markenlogos bewegen. Hier gibt es je nach Durchgang die immer gleiche Instruktion: Wenn ein solches Objekt kommt, muss es z. B. immer nach links oder in einem anderen Durchgang immer nach rechts bewegt werden. Auch hier werden Reaktionszeiten betrachtet. Einstellungsrelevant ist dabei die Stelle auf dem Bildschirm, auf der das Einstellungsobjekt erscheint: Daraus ergibt sich nämlich, ob z. B. die Bewegung nach links zum Namen hin oder von ihm weg führt, was je nach Einstellung die Reaktion verlangsamt oder beschleunigt.

•  Das dritte implizite Verfahren ist beinahe ein Klassiker, allerdings...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Deckblatt1
Titelseite4
Impressum5
Inhaltsverzeichnis6
Geleitwort10
1 Automatische Anteile im Konsumentenverhalten: Die Aufnahme von Informationen12
1.1 Implizites Erinnern12
1.2 Der Effekt der bloßen Darbietung16
1.3 Klassisches Konditionieren18
1.3.1 Eine Menge Missverständnisse19
1.3.2 Evaluatives Konditionieren21
Zusammenfassung27
Literaturempfehlungen28
2 Automatische Anteile im Konsumentenverhalten: Assoziationen und Einstellungen29
2.1 Die Messung impliziter Assoziationen und Einstellungen30
2.2 Was ist denn nun »implizit«?35
2.3 Vom Nutzen indirekter Einstellungsmessungen41
Zusammenfassung48
Literaturempfehlung48
3 Prinzipien der Kauf- und Konsumentscheidung49
3.1 Intuitive Entscheidungen49
3.1.1 Abwägen ohne Aufmerksamkeit51
3.1.2 Intuitiver Umgang mit komplexen Informationen: Integrieren oder Ignorieren?53
3.2 Psychologische Prinzipien bewusster Entscheidungen56
3.3 Ein psychologisches Modell ökonomischer Entscheidungen: Die »Prospect Theory«58
3.3.1 Verlustaversion und subjektive Referenzpunkte58
3.3.2 Die Kernelemente der »Prospect Theory«61
3.3.3 Bewertung der Prospect Theory65
Zusammenfassung66
Literaturempfehlungen67
4 Urteils- und Bewertungsprozesse68
4.1 Metakognitionen69
4.1.1 Die Verfügbarkeitsheuristik71
4.1.2 Subjektive Theorien73
4.1.3 Konsumrelevante Effekte der Verarbeitungsflüssigkeit73
4.1.4 Stimmung als Information75
4.2 Ankereffekt78
4.3 Mentale Kontoführung81
Zusammenfassung84
Literaturempfehlungen85
5 Die Konstruktion von Zufriedenheit87
5.1 Kognitive Konsistenz im Konsumverhalten87
5.1.1 Kognitive Dissonanz88
5.1.2 Effekte des Commitments91
5.2 Vorhersage künftiger Zufriedenheit92
5.2.1 Die Facetten des Fehlers93
5.2.2 Vorhersage von Nutzen und Präferenzen94
5.3 Reversible Entscheidungen95
5.3.1 Aufmerksamkeitsfokus auf nicht gewählten Alternativen98
5.3.2 Das Motiv, das bestmögliche zu wählen99
Zusammenfassung100
Literaturempfehlungen101
6 Einflüsse der sozialen Gruppe auf das Konsumentenverhalten102
6.1 Die soziale Bezugsgruppe im Konsumverhalten103
6.1.1 Marken und Produktwahl104
6.1.2 Gruppeneinflüsse und Selbstwert105
6.1.3 Die Bedeutung von Gruppennormen106
6.2 Dazugehören oder Individuum sein?110
Zusammenfassung115
Literaturempfehlungen116
7 Interpersonelle Beeinflussung117
7.1 Soziale Vergleichsprozesse117
7.2 Soziale Bewährtheit119
7.2.1 Der normstiftende Charakter der sozialen Bewährtheit120
7.2.2 Die Konsensheuristik123
7.3 Mehrheiten und Minderheiten126
7.4 Regel der Gegenseitigkeit127
7.5 Reaktanz130
Zusammenfassung132
Literaturempfehlungen133
8 Einstellungen und Verhalten134
8.1 Definition und Struktur von Einstellungen134
8.2 Erfahrungsbasierte Einstellungen136
8.3 Einstellungen als Prädiktor für Verhalten137
8.4 Automatische Aktivierung von Einstellungen143
8.4.1 Priming und konsumrelevantes Verhalten144
8.4.2 Unterschwelliges Priming147
8.4.3 Evaluatives Konditionieren (zum zweiten)149
Zusammenfassung152
Literatur152
9 Beeinflussung von Einstellungen154
9.1 Zwei-Prozess-Modelle154
9.2 Das Wissen, dass man beeinflusst werden soll158
Zusammenfassung167
Literaturempfehlungen167
10 Psychologische Regeln der Produktgestaltung169
10.1 Psychologische Wirkung von Farben169
10.1.1 Farben wirken kontextabhängig170
10.1.2 Annäherungs- und Vermeidungsregulation172
10.2 Farben in der Produktgestaltung173
10.2.1 Aufmerksamkeitswirkung von Farben174
10.2.2 Affektive und ästhetische Wirkung von Farben175
10.2.3 Kommunikative Wirkung von Farben179
10.3 Produktgestaltung und Mengenwahrnehmung181
10.3.1 Zahlenwerte und Einheiten182
10.3.2 Visuelle Präsentation von Mengen184
10.3.3 Mengenwahrnehmung und Formen188
Zusammenfassung191
Literaturempfehlungen192
11 Die psychologische Wirkung von Preisen193
11.1 Wann achten Menschen überhaupt auf Preise?193
11.2 Wenn Menschen »gerne« hohe Preise zahlen196
11.2.1 Die Preis-Qualitäts-Regel196
11.2.2 Geltungskonsum und kompetetiver Altruismus200
11.2.3 Geschenke202
11.3 Der Preis als weiterer Nutzenaspekt204
11.3.1 Relative Preisunterschiede204
11.3.2 Neuner-Preise206
11.4 Die Wahrnehmung von Zahlen und Preisen209
Zusammenfassung213
Literaturempfehlungen214
12 Literatur216
13 Register234

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