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Wege der Sicherheitsgesellschaft

Gesellschaftliche Transformationen der Konstruktion und Regulierung innerer Unsicherheiten

AutorAxel Groenemeyer
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl354 Seiten
ISBN9783531926049
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis33,26 EUR
Das Gefühl allgegenwärtiger Bedrohung durch Gewalt und Kriminalität ist mittlerweile in das Alltagsleben eingesickert und durchdringt die Organisation sozialer Beziehungen und das Verhalten der Gesellschaftsmitglieder auch jenseits unmittelbarer Gefährdungslagen und Risikosituationen. Parallel dazu erleben wir seit einiger Zeit die Entwicklung einer Kontrollkultur, in der sowohl die staatliche Kontrolle von Kriminalität als auch die Mechanismen sozialer Kontrolle im Alltag neue Formen annehmen; die Vorstellungen sozialer Ordnung wandeln sich ebenso wie auch die Mechanismen ihrer Herstellung.
Mit dem Etkett 'Sicherheitsgesellschaft' werden diese Entwicklungen als grundlegende gesellschaftliche Transformationsprozesse der Konstruktion und Produktion sozialer Ordnung und innerer Sicherheit sowie der Herausbildung einer neuen Formation sozialer Kontrolle interpretiert.
Anhand theoretischer Reflexionen und empirischer Analysen werden diese Wandlungsprozesse auf verschiedenen Ebenen nachgezeichnet, die mit den Stichworten der (medialen) Konstruktion von Bedrohungsszenarien, der Neukonfiguration nationaler und internationaler Sicherheitsregime und neuen Formen der Konstruktion und Regulation unsicherer Räume umschrieben werden können.


Dr. Axel Groenemeyer ist Professor für Theorie und Empirie der Sozialpädagogik am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Soziologie der Universität Dortmund.

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Leseprobe
Die Ordnung des städtischen Lebens durch Planung? Eine Untersuchung der Verbindung von Städtebau und Sicherheit (S. 323-324)

Katja Veil


1. Einleitung

Kann und soll städtebauliche Planung das soziale Leben in den Städten ordnen? Diese Frage beschäftigt Planungsakteure seit den Anfängen der Disziplin und diese kamen zu unterschiedlichen Antworten. Derzeit scheint es eine Wiederbelebung städtebaulicher Idealvorstellung zu geben, nachdem das ‚Versagen‘ der modernen Leitlinien eine Phase der Desillusionierung und der weitgehenden Abkehr von Idealvorstellungen eingeleitet hatte.

So kann die Leipzig Charta, die von 27 Bauministern der EU im Mai 2007 als gemeinsames Leitbild der Stadtentwicklung verabschiedet wurde, als Versuch einer Renaissance der europäischen Stadtbilder der vormodernen Zeit gelesen werden. Mit der Priorisierung von Nutzungsmischung steht sie in direktem Gegensatz zur Charta von Athen, die 1933 die Trennungen der Funktionen Wohnen, Arbeiten und Einkaufen als zentralen Inhalt propagierte. In diesem Artikel soll es jedoch nicht um die Inhalte der jeweiligen Leitbilder und ihre Richtigkeit gehen, sondern um die Renaissance der städtebaulichen Idealvorstellungen an sich.

Ein Aspekt dieser Leitbilder ist, dass sie nicht nur eine bestimmte gebaute Struktur vorsehen, sondern zugleich auch Idealvorstellungen des städtischen Lebens und seiner Ordnung darstellen. Im Folgenden soll vor allem die Entwicklung einer sogenannten städtebaulichen Kriminalprävention diskutiert werden, welche über die Gestaltung des Raums versucht soziale Organisation und soziale Kontrolle im Wohnumfeld zu fördern.

Über das Potential informeller sozialer Kontrolle und von Nachbarschaftlichkeit soll durch städtebauliche Kriminalprävention die soziale Ordnung und die Sicherheit gewährleistet werden. Dabei stellt sich die Frage, ob diese Ansätze dem urbanen Leben überhaupt gerecht werden können, ist es doch von zunehmender Anonymität und abnehmender Raumbindung geprägt.

Um diese Frage zu beantworten, werden sowohl die städtebaulichen als auch die soziologischen ‚Wurzeln‘ dieses Konzept dargestellt, um dann eine Deutung der städtebaulichen Kriminalprävention im Kontext der aktuellen Stadtentwicklung zu entwickeln. Am Beispiel einer aktuellen Studie in zwei deutschen Großwohnsiedlungen wird das Konzept der sozialen Organisation durch städtebauliche Gestaltung exemplarisch illustriert.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt5
Wege der Sicherheitsgesellschaft7
1. Von der Disziplinargesellschaft zur Sicherheitsgesellschaft7
2. Was ist eine Sicherheitsgesellschaft?10
3. Auf dem Weg in eine Sicherheitsgesellschaft oder Wege der Sicherheitsgesellschaft?16
Literatur18
I. Die Konstruktion gefühlter Unsicherheiten20
Innere Sicherheit und soziale Unsicherheit21
1. Einleitung21
2. Entwicklungstendenzen der Sicherheitspolitik23
3. Soziale Ängste und Kriminalitätsfurcht28
4. Erfolgsbedingungen von Sicherheitsdiskursen31
Literatur35
Mediatisierung der Sicherheitspolitik oder: Die Medien als selbständige Akteure in der Debatte um (mehr) Sicherheit38
1. Neue Tendenzen bei der Politik der inneren Sicherheit38
2. Der Prozess des Polizierens41
3. Medien als Akteure innerhalb der Politik der Inneren Sicherheit44
4. Mediatisierung als neue Ausdrucksform der Medialisierung46
5. Polizieren und der Mediatisierungsprozess47
6. Die Bedeutung der Medien in der Debatte um mehr Sicherheit51
6.1 Die Medien und ihre Inhalte51
6.2 Die Medien als eigenständige Akteure52
Literatur54
Soziale Unruhen – Zur Sicherheit der Gesellschaft?59
1. Einleitung59
2. Zur Bedeutung von Diskursen für Print-Medien60
3. Methodische Überlegungen zur Analyse von Diskursen63
4. Aufstand in den banlieues66
5. Analyse der Medienberichterstattung70
5.1 Exemplarische Falldarstellung71
5.2 Regeln und Mechanismen des Diskurses80
6. Zusammenfassung und Schlussbetrachtung82
Literatur83
Verzeichnis aufgeführter Zeitungsartikel86
Unsicherheitsgefühle, Mediennutzung und Vertrauen in Institutionen87
1. Untersuchungsproblem87
2. Theoretische Perspektiven und Erklärungsversuche88
2.1 Unsicherheitsgefühle88
2.2 Operating Model91
2.3 Institutionenvertrauen92
3. Medienverfügbarkeit, Medienangebot und Mediennutzung94
3.1 Postulierter Zusammenhang zwischen den Untersuchungskonstrukten95
3.2 Verwendete Daten und Operationalisierung der verwendeten Indikatoren98
3.2.1 Zentrale Variablen98
3.2.2 Intervenierende Variablen99
4. Ergebnisse100
5. Fazit und Ausblick105
Literatur107
Subjektives Kriminalitätserleben im Kontext gesellschaftlicher Transformation110
1. Einleitung110
2. Methodisches Vorgehen114
3. Verbreitung und Messung der Kriminalitätsfurcht120
4. Konstanz und Wandel in der lokalen Kriminalitätsfurcht123
5. Konstanz und Wandel der affektiven Kriminalitätsfurcht, kognitiven Risikoeinschätzung und Vulnerabilität130
6. Vergangene Verhältnisse in der Erinnerung der Befragten: Realitätsgetreue Abbildung oder Projektion aus der Gegenwart? Ergebn140
7. Veränderte Bedrohungsszenarien und die Bedeutung der Massenmedien143
8. Selektive Erinnerung als Resultat früherer und gegenwärtiger Orientierungen149
9. Schlussbemerkungen152
Literatur154
II. Staatliche und internationale Politiken der Unsicherheit161
Der weltweite „punitive Turn“ – Ist die Bundesrepublik dagegen gefeit?162
1. Einleitung162
2. Die These des punitive turn – am Beispiel der Studie D. Garlands162
2.1 Einige Vorläufer von Garlands Studie162
2.2 Zur Resonanz der Studie und zum Kontext im Werk Garlands163
2.3 Skizze der These Garlands2165
2.4 Die einzelnen Indikatoren des Strukturwandels der Kontrolle166
2.5 Zwei Prinzipien kriminalpolitischer Praxis167
2.6 Einige Anmerkungen zur wissenschaftlichen Strategie Garlands168
3. Der punitive turn: Amerikanischer „exceptionalism“ oder allgemeine Entwicklung? – Oder: Von der Flucht vor der Realität zur Z170
3.1 USA: Schrittmacher oder „Ausreißer“ der Entwicklung? –„Exceptionalism“170
3.2 „Elsewhere“ – eine Erkundung aus der Welt wissenschaftlicher Rhetorik – oder: über die USA nach Deutschland173
3.3 „Expertism“ versus „Populism“181
4. Die Antriebsfaktoren/Ursachen des punitive turn – Gesellschaftstheorie ist das Gebot183
Literatur185
Die Sicherheit der Weltgesellschaft189
1. Zur Problematik des Begriffs Sicherheit189
1.1 Sicherheit als Behälterbegriff189
1.2 Soziale Sicherheit und globaler Kontext190
1.3 Sicherheit und Gesellschaft191
1.4 Fragestellung192
2. Sicherheit als normalisierendes Dispositiv194
3. Die Dimension des Politischen197
4. Sicherheit jenseits klassischer Souveränität201
5. Strukturmerkmale der Weltsicherheit206
5.1 Spannung zwischen inneren und äußeren Verpflichtungen206
5.2 Spannung zwischen Gewaltverbot und Menschenrechten207
5.3 Normative Asymmetrie208
5.4 Spannung zwischen Moral und Recht210
5.5 Strukturelles Legitimationsproblem211
5.6 Der politische Charakter globaler Sicherheit212
6. Governance und Parastaatlichkeit – globale Sicherheit vor Ort214
7. Politische Konstitution der Weltgesellschaft?217
Literatur221
Innere Unsicherheit und ‚Selbstbefriedigung‘ der Staatsmacht227
1. Einleitung227
2. Kommunikationsmedien und Selbstbefriedigungsverbote228
3. Selbstbefriedigung der Staatsmacht in zentralen Regionen der Weltgesellschaft234
4. Selbstbefriedigung der Staatsmacht in peripheren Regionen der Weltgesellschaft248
5. Fazit257
Literatur261
III. Die Konstruktion und Regulierung unsicherer Räume265
Die Ausweitung privater und staatlicher Raumkontrolle266
1. Unsichere Zeiten oder die Angst der Moderne vor Kontrollverlust266
2. Raumkontrolle als Mittel der Begrenzung nach Innen270
3. Allgemeine Effekte der neuen Raumkontrolle274
4. Auswirkungen der Raumkontrollen auf die Modernität277
4.1 Die Ausweitung des Machtund Gewaltstaats277
4.2 Dimension Freiheitsrechte278
4.3 Dimension Technisierung279
4.4 Dimension Ökonomisierung279
4.5 Dimension Soziale Ordnung280
4.6 Dimension Urbanisierung281
4.7 Dimension Zivilisation281
5. Die neue Raumkontrolle als Kontrolle moderner Identitäten281
6. Ausblick: wird die Moderne weniger modern?285
Literatur287
Die Entgrenzung des Prinzips Hausordnung in der neoliberalen Stadt291
1. Einleitung291
2. Das Prinzip Hausordnung und seine Ausweitung auf den öffentlichen Raum293
2.1 Symbolische Schwellen zu manifesten Schwellen: ‚Stilvolle‘ Ausgrenzung durch Außengastronomie295
2.2 Die Auflösung der Grenzen zwischen Kriminalität und bislang nicht-strafbaren Handlungen: Kommunale Ordnungsdienste, Hilfspol297
2.3 Boombranche Sicherheit303
3. Das Unternehmen Stadt, seine Kunden und Kundinnen sowie die anderen306
3.1 Die „Erlebnisstadt“ verlangt nach Segregation306
3.2 Neue Urbanität als Rückkehr prosperierender Schichten und verschärfte Kontrolle310
3.3 Fortschreitende Sicherheit produziert Unsicherheit313
4. Die Logiken des Spacings und der Ortseffekte314
5. Wie sind die Wege der Sicherheitsgesellschaft gepflastert?318
Literatur320
Die Ordnung des städtischen Lebens durch Planung?323
1. Einleitung323
2. Städtische Planung als Ordnung des Sozialen324
3. Tod und Leben modernen Stadt325
4. Verbindung von soziologischen Theorien und Städtebau328
5. Untersuchung in zwei deutschen Großwohnsiedlungen330
6. Zusammenhänge zwischen Nachbarschaft und städtebauliche Struktur333
7. Die Ordnung des städtischen Lebens durch Planung335
Literatur336
Die Entwicklung der Sicherheitsgesellschaft am Beispiel der Videoüberwachung am Wiener Schwedenplatz338
1. Einleitung338
2. Die Videoüberwachung am Wiener Schwedenplatz340
3. (Aus-)Wirkung der Videoüberwachung342
4. Akzeptanz der Videoüberwachung345
5. Instrumentalisierung durch Politik und Medien346
6. Resümee349
Literatur351
Verzeichnis der Autoren und Autorinnen353

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