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E-Book

Hoffnung durch Handeln

Dem Chaos standhalten, ohne verrückt zu werden.

AutorChris Johnstone, Joanna Macy
VerlagJunfermann
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783955712891
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Auf dem Weg in eine dem Leben dienende Gesellschaft Auf unserem Planeten herrscht ein exorbitanter Notstand: Klimawandel, die Erschöpfung von Ressourcen, ökonomische Umwälzungen und Ausrottung von immer mehr Arten. Hoffnung durch Handeln zeigt uns, wie wir dieser Krise begegnen und auf sie mit ungeahnter Widerstandskraft und Kreativität reagieren. Diese Hoffnung setzt nicht notwendigerweise Optimismus voraus; wir können diesen Prozess sogar dort einsetzen, wo wir keine Hoffnung mehr sehen. Der leitende Impetus ist unsere Absicht. Statt an erster Stelle Erfolgschancen abzuwägen und nur dann aktiv zu werden, wenn wir hoffnungsvoll sind, konzentrieren wir uns auf unsere Absicht und lassen uns von ihr leiten. Joanna Macy und Chris Johnstone geleiten uns durch einen transformierenden Prozess, der Neues und Altes vereint: mystische Reisen sowie Erkenntnisse aus moderner Psychologie und ganzheitlicher Wissenschaft. In diesem Prozess erlangen wir die Fertigkeiten, die wir auf dem Weg in eine dem Leben dienende Gesellschaft benötigen.

<p>Die Ökophilosophin Joanna Macy ist Expertin für Buddhismus, Allgemeine Systemtheorie und Tiefenökologie. Sie ist seine geachtete Stimme in den Bewegungen für Frieden, Gerechtigkeit und Ökologie weltweit.<br /><br />Chris Johnstone, Arzt und Coach, leitet u.a. Kurse, die die psychologischen Dimensionen der Krise des Planeten erforschen.<br /></p>

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Leseprobe

1. Drei Geschichten über unsere Zeit


Wenn die Geschichten, die sich eine Gesellschaft erzählt, nicht mehr im Einklang mit den realen Verhältnissen stehen, können sie selbst-begrenzend wirken und sogar zu einer Bedrohung für das Überleben werden. Das ist unsere derzeitige Situation.

David Korten, The Great Turning10

Am 7. Mai 2001 versammelten sich Journalisten zu einer Pressekonferenz im Weißen Haus. Ari Fleischer, der Pressesprecher von Präsident Bush, hatte an jenem Tag nichts bekannt zu geben, lud aber die Anwesenden ein, Fragen zu stellen. Schnell wurden die steigenden Energiekosten zum beherrschenden Thema und eine der ersten Fragen rief eine starke Reaktion hervor.

Journalist: „Glaubt der Präsident in Anbetracht der Energiemenge, die jeder Amerikaner pro Kopf verbraucht und die ja viel größer ist als die eines jeden Bürgers in jedem anderen Land der Welt, glaubt da der Präsident, dass wir unseren Lebensstil ändern müssen, um mit dem Energieproblem fertigzuwerden?“

Mr Fleischer: „Die Antwort ist ein klares Nein. Der Präsident hält das für einen American Way of Life und glaubt, es sollte das Ziel der politischen Entscheidungsträger sein, diesen American Way of Life zu schützen.“11

Präsidenten kommen und gehen, aber Fleischers klares „Nein“ repräsentiert noch immer eine einflussreiche Kraft in unserer Gesellschaft. Es steht für eine Überzeugung, die unsere Lebensweise nicht infrage stellt. Diese Überzeugung erwächst aus einem ganz bestimmten kulturellen Mythos darüber, wie es sich mit unserer Welt verhält, der wie eine Geschichte immer wieder neu erzählt wird. Mit Geschichte meinen wir nicht eine erfundene Erzählung, sondern vielmehr die Art und Weise, wie wir den Ereignissen, die sich vor unseren Augen abspielen, einen Sinn zuordnen.

In diesem Kapitel identifizieren wir drei solche Geschichten, die in unserer Zeit eine Rolle spielen, wie bereits in der Einleitung erwähnt. Die erste geht von der Annahme aus, dass unsere Gesellschaft auf dem richtigen Weg ist und dass wir weitermachen können wie bisher. Die zweite offenbart die zerstörerischen Folgen des Business as usual und den fortschreitenden Zerfallsprozess unserer biologischen, ökologischen und sozialen Systeme. Die dritte handelt von einer breiten Bewegung des Widerstands gegen die Gefahren und vom facettenreichen Übergang zu einer lebenserhaltenden Zivilisation. Die Erkenntnis, dass wir die Geschichte wählen können, mit der wir die Welt interpretieren, kann befreiend wirken: Wenn wir eine gute Geschichte finden, der wir uns anschließen können, steigert das unser Gefühl von Sinnhaftigkeit und Lebendigkeit. Jetzt werden wir erkunden, wie diese Geschichten unsere Reaktion auf die globale Krise prägen.

Die erste Geschichte: Business as usual


Wie viel von dem, was Sie in den letzten 24 Stunden gegessen haben, bestand aus Zutaten, die Hunderte oder sogar Tausende von Kilometern weit weg erzeugt wurden? Bei den meisten Menschen, die in Industrieländern leben, lautet die Antwort: eine Menge. Was durchschnittlich an Möhren, Kopfsalat oder abgepackten Erdbeeren beispielsweise in einem Supermarkt verkauft wird, hat sehr wahrscheinlich eine Reise von mehr als 3000 Kilometern hinter sich.12 Und das beschränkt sich nicht nur auf unsere Lebensmittel: Vieles, was wir benutzen, ist aus weiter Ferne zu uns gekommen. Transportkosten tragen erheblich dazu bei, dass heute mehr Energie verbraucht wird als je zuvor in der Geschichte. Ari Fleischer mag das für den American Way of Life halten. Aber er gilt nicht nur für Amerika. Für die Menschen, die in den wohlhabenden Teilen der Welt leben, wird er immer mehr zum modernen Lebensstil, der allgemein akzeptiert ist und den wir für normal halten.

Dieses moderne Leben hat viele attraktive Seiten. Es ist üblich, dass die Leute Urlaub in fernen Ländern machen und eigene Autos, Computer, Fernseher und Kühlschränke besitzen. Noch vor wenigen Generationen wären solche Annehmlichkeiten, sofern sie überhaupt erreichbar waren, als Privileg der Superreichen angesehen worden. Heute vermittelt die Werbung den Eindruck, diese Dinge müsste jeder haben, und der Fortschritt wird daran gemessen, ob und wie viel wir mehr haben als früher und wie viel weiter und schneller wir reisen können.

Eine mögliche Betrachtungsweise unserer Zeit ist die, dass wir eine wunderbare Erfolgsgeschichte erleben. Die wirtschaftliche und technische Entwicklung hat viele Aspekte unseres Lebens erleichtert. Wenn wir uns überlegen, wie es weitergehen soll, dann weist diese Geschichte uns den Weg: „Mehr desselben, bitte.“ Wir nennen diese Variante: Business as usual.

Diese Geschichte erzählen uns die meisten politischen Entscheidungsträger und Unternehmensleiter, die dem Mainstream angehören. Nach ihrer Meinung kann und muss die Wirtschaft weiter wachsen. Selbst angesichts wirtschaftlicher Rückschläge und Zeiten der Rezession herrscht die Annahme vor, dass es nicht lange dauern wird, bis die Entwicklung wieder aufwärts geht. Im November 2010 drückte Präsident Obama sein Vertrauen in den Weg des Wirtschaftswachstums mit folgenden Worten aus: „Die wichtigste Einzelmaßnahme zur Reduzierung unserer Schulden und Defizite ist, dass wir wachsen.“13

Damit eine Marktwirtschaft wachsen kann, muss sie den Absatz steigern. Das bedeutet, wir werden angespornt, noch mehr zu kaufen und zu konsumieren, als wir es ohnehin schon tun. Die Werbung spielt eine Schlüsselrolle beim Ankurbeln des Konsums und immer mehr werden dabei Kinder als Zielgruppe angesprochen, um in jedem Haushalt das Verlangen nach mehr Gütern zu steigern. Nach Schätzungen sieht ein amerikanisches Kind im Fernsehen durchschnittlich zwischen 25.000 und 40.000 Werbespots pro Jahr. In Großbritannien sind es ungefähr 10.000.14 Als Heranwachsende lernen wir, indem wir andere beobachten. Unsere Ansichten über das, was normal und notwendig ist, werden von dem geprägt, was wir sehen.

Wenn Sie von dieser Geschichte umgeben sind wie der Fisch vom Wasser, dann denken Sie leicht, so sei die Welt eben. Jungen Leuten wird vielleicht gesagt, es gebe keine Alternative dazu, sich einen Platz in dieser Ordnung der Dinge zu suchen. Es zu etwas zu bringen wird als Hauptziel dargestellt, und dies wird gestützt von Nebenzielen: einen Partner zu finden, für die Familie zu sorgen, gut auszusehen und sich etwas leisten zu können. Bei dieser Einstellung zum Leben werden die Probleme der Welt als weit weg und für das Drama unseres persönlichen Lebens völlig irrelevant angesehen.

Die Medien verbreiten diese Geschichte vom modernen Leben weltweit und wecken damit einen immer größeren Appetit auf Konsum. Vor 1970 hielt man in China nur vier Gegenstände für unverzichtbar – ein Fahrrad, eine Nähmaschine, eine Armbanduhr und ein Radio. Bis zu den 1980er-Jahren hatte eine wachsende Schicht von Verbrauchern diese Liste um einen Kühlschrank, einen Farbfernseher, eine Waschmaschine und ein Tonbandgerät erweitert. Zehn Jahre später war es für immer mehr Menschen in China normal geworden, ein Auto, einen Computer, ein Handy und eine Klimaanlage zu besitzen.15 Und diese Liste wächst noch weiter, wie Joe Hatfield, der Geschäftsführer von Walmart Asia, erklärt:

Anfangs hatten wir einen Meter zwanzig mit Hautpflegeprodukten, heute haben wir knapp sieben Meter. Bisher haben wir keine Deodorants, aber irgendwann später werden wir in China auch Deodorants haben. Vor fünf Jahren war mit Parfums hier nicht viel Geld zu verdienen. Aber inzwischen ist es der Wachstumssektor … es gibt viel weniger Fahrräder, das bedeutet ein Minus an Bewegung, sodass die Menschen dicker werden, und was sagt einem das? Der Verkauf von Fitnessgeräten nimmt stetig zu, auch der von Sportkleidung und Joggingausrüstung, und dann kommt schließlich der Zeitpunkt für Slim-Fast und all die anderen Diätprodukte.16

Manche sehen das als Fortschritt an.

Kasten 1.1

Einige Grundannahmen von Business as usual

  • Wirtschaftswachstum ist für Wohlstand unerlässlich.
  • Die Natur ist ein Rohstofflieferant und darf für menschliche Zwecke ausgebeutet werden.
  • Konsumförderung ist gut für die Wirtschaft.
  • Das Hauptziel im Leben ist, es zu etwas zu bringen.
  • Die Probleme anderer Menschen, Nationen und Arten gehen uns nichts an.

Warum sollten die Menschen in anderen Teilen der Welt nicht den Lebensstil entwickeln, der im Westen für normal gehalten wird? Und warum sollten wir nicht nach dem Motto Business as usual wirtschaftlich weiterwachsen, wobei die Menschen immer mehr kaufen und Energie verbrauchen? Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir uns die Schattenseite des modernen Lebensstils anschauen und sehen, wohin er uns führt. Das bringt uns zu unserer nächsten Geschichte.

Die zweite Geschichte: Der fortschreitende Zerfallsprozess


Im Jahr 2010 haben Umfragen von CBS17 und Fox News18 gezeigt, dass eine Mehrheit der Bevölkerung glaubt, die Lebensbedingungen für die nächste Generation würden schlechter, als sie derzeit sind. Schon zwei Jahre zuvor hatte eine internationale Umfrage, an der über 61.600 Personen in 60 Ländern teilnahmen, ähnliche Ergebnisse erbracht.19 Wenn so viele Menschen das Vertrauen verlieren, dass es gut weitergeht, dann tritt darin eine ganz andere Sicht der...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Inhalt8
Vorwort zur deutschen Ausgabe12
Danksagung14
Einleitung16
Was ist Hoffnung durch Handeln?17
Das Geschenk wird gegeben und gleichzeitig empfangen18
Drei Geschichten u?ber unsere Zeit19
Die Spirale der Arbeit, die wieder verbindet20
Was wir mitbringen21
Teil 1: Der große Wandel24
1. Drei Geschichten u?ber unsere Zeit26
Die erste Geschichte: Business as usual27
Die zweite Geschichte: Der fortschreitende Zerfallsprozess29
Die doppelte Wirklichkeit36
Die dritte Geschichte: Der Große Wandel37
Hoffnung durch Handeln und die Geschichte unseres Lebens43
2. Der Spirale vertrauen44
Dem Leitfaden des Abenteuers folgen45
Der Leitfaden fu?r Hoffnung durch Handeln46
Der Leitfaden der Spirale der Arbeit, die wieder verbindet46
Die Arbeit, die wieder verbindet als persönliches Tun49
3. Beginnen mit der Dankbarkeit52
Dankbarkeit fördert das Wohlgefu?hl52
Dankbarkeit baut Vertrauen und Großzu?gigkeit auf53
Dankbarkeit als Gegenmittel zum Konsumismus54
Was die Dankbarkeit blockiert57
Von den Haudenosaunee lernen58
Dankbarkeit motiviert uns, etwas fu?r unsere Welt zu tun59
Moderne Wissenschaft: Die Gaia-Theorie60
Zuru?ckgeben und weitergeben61
4. Unseren Schmerz um die Welt wu?rdigen64
Verstehen, was unsere Reaktion blockiert65
Mit unserem Schmerz um die Welt arbeiten71
Der Schmerz um die Welt ist normal, gesund und weitverbreitet72
Die Ru?ckmeldung nicht mehr zu blockieren setzt Energie frei74
Information ist nicht genug75
Eine andere Sicht des Selbst79
Persönliche Übungen zur Wu?rdigung unseres Schmerzes um die Welt80
Schmerz um die Welt als Ruf zum Abenteuer84
Teil 2: Mit neuen Augen sehen86
5. Eine erweiterte Sichtweise vom Selbst88
Die Verwandlung der Selbst-Sucht88
Unterschiedliche Auffassungen vom Selbst89
Wachsende Kreise des Selbst91
Das Übel der Affluenza93
Wechselseitige Verbundenheit heißt nicht Verschmelzung94
Verbundenheit als Gabe unserer Ahnen wieder beleben95
Stärkere Verbundenheit ist kein Zuckerschlecken96
Unser größeres Selbst fu?hlt durch uns98
Unterschiedliche Geschichten der Evolution99
Die Entstehung eines vernetzten Bewusstseins100
Die Prophezeiung der Shambala-Krieger101
6. Eine andere Art von Macht104
Die alte Sicht der Macht104
Eine neue Version von Macht107
1 +1 = 2 und ein bisschen108
Emergenz109
Die Kraft der Emergenz110
Macht-mit in Aktion113
7. Eine tiefere Erfahrung von Gemeinschaft118
Die Einsamkeits-Epidemie118
Eine andere Welt ist möglich120
Vertraute Seifenblasen beginnen zu platzen121
Vier Ebenen von Gemeinschaft122
8. In längeren Zeiträumen denken132
Die Familienperspektive der Zeit134
Die Zeit beschleunigt sich135
Der Preis der Schnelligkeit136
Zeitreisen141
Vorfahren als Verbu?ndete142
Unsere Reise als Leben auf der Erde143
Unsere Reise als Spezies146
Lernen, wieder in der Zeit heimisch zu werden148
Teil 3: Weitergehen und handeln152
9. Eine inspirierende Vision finden154
Wie unsere Fantasie ausgeschaltet wird154
Unsere Fantasie befreien156
Übungen, die uns helfen, Inspiration zu finden157
Sich die Zukunft vorstellen159
Imaginärer Ru?ckblick160
Die Versammlung der Geschichtenerzähler162
Auch Albträume können uns inspirieren162
Der Traum der Erde163
Co-Intelligence im progressiven Brainstorming165
Wählen und gewählt werden166
Reise nach Tibet167
10. Wage zu glauben: Es ist möglich172
Unglaube als Herausforderung173
11. Ein stu?tzendes Umfeld aufbauen184
Der persönliche Kontext: Unsere Gewohnheiten und unsere spirituelle Praxis184
Der Kontext der direkten Begegnung mit den Menschen in unserem Umfeld186
Studien-Aktionsgruppen188
Der kulturelle Kontext189
Der ökospirituelle Kontext: Unsere Verbundenheit mit allem Leben191
12. Energie und Begeisterung nähren194
Begeisterung als wertvolle erneuerbare Ressource194
Unsere Definition von Aktivismus erweitern197
Folgen wir dem inneren Kompass tiefer Freude198
Neu definieren, was ein gutes Leben ist199
Erfolg mit neuen Augen sehen202
13. Gestärkt durch Ungewissheit206
Wie wir Ungewissheit betrachten206
Ungewissheit steuert Geheimnis und Abenteuer bei207
Ungewissheit holt uns in die Gegenwart208
Bodhichitta209
Die Perle der Hoffnung durch Handeln finden213
Anmerkungen214
Quellen224
Websites224
Bu?cher227
Zeitschriften228
Index230
Über die Autoren234

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