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E-Book

Gruppenpsychotherapie mit Kindern

Ein Praxisbuch

AutorClaudia Heinemann, Thomas von der Horst
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl180 Seiten
ISBN9783170227392
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
In unserer medienorientierten Gesellschaft werden die Anlässe gemeinsamen kindlichen Handelns und Erlebens weniger. Darunter leidet die gesunde psychische Entwicklung der Kinder. Eine Kindergruppenpsychotherapie kann ein wirksames Angebot sein, Probleme der Kinder unter dem Schutz der Gruppe spielerisch zu bearbeiten. Der einleitende Theorieteil des Buches fasst den wissenschaftlichen Stand der Kindergruppenpsychotherapie zusammen und gibt einen Überblick über die Konzepte verschiedener Therapieschulen. Der Schwerpunkt des Buches liegt auf dem praktischen Teil. Die Autoren haben den Anspruch, ihre Leser in die Lage zu versetzen, eine Kindergruppenpsychotherapie durchzuführen. Die Beschreibung eines Therapieverlaufs, Falldarstellungen, eine kommentierte Spieleliste und ein Kapitel über den Umgang mit Problemsituationen in der Gruppe machen das Buch lebendig und praxisnah.

Dipl.-Psych. Claudia Heinemann ist psychologische Psychotherapeutin, Dipl.-Mot. Thomas vor der Horst Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut. Die Autoren arbeiten psychotherapeutisch mit Kindern und Erwachsenen in einer psychoonkologischen Beratungsstelle.

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Leseprobe

2 Ein Arbeitsmodell für eine Gruppentherapie mit Kindern


Im vorangegangenen Kapitel haben wir Konzepte verschiedener Schulen und Autoren vorgestellt und die unterschiedlichen Konzepte von Gruppentherapie in den einzelnen Therapierichtungen beleuchtet. Wir haben andere wesentliche Aspekte beschrieben, die für den Aufbau einer Kindertherapiegruppe von Bedeutung sind, wie die entwicklungspsychologische Sichtweise auf Kinder und die von verschiedenen Autoren aufgestellten, therapeutischen Wirkfaktoren für die Therapie und Gruppentherapie.

Die von uns ausgewählten und besprochenen Theorien haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr handelt es sich um eine subjektive Auswahl derjenigen inhaltlichen Aspekte, die uns für unsere Arbeit bedeutsam erschienen. Für den Leser wollen wir auf diese Weise nachvollziehbar machen, worauf sich unsere Grundhaltungen beziehen und inwieweit sie Schulen übergreifend sind.

An dieser Stelle möchten wir eine kurze Zusammenfassung der für unsere Gruppentherapie wichtigen Inhalte geben. Dabei orientieren wir uns nicht mehr an den Therapieschulen, sondern an den von Grawe beschriebenen Wirkfaktoren von Psychotherapie: therapeutische Beziehung, Ressourcenaktivierung, Problemaktualisierung, Problembewältigung, gruppenspezifische Wirkfaktoren und Klärung.

2.1 Schulen übergreifende Schlussfolgerungen für eine Kindergruppentherapie


2.1.1 Therapeutische Beziehung


Die Rolle des Therapeuten ist in einer Gruppentherapie anders zu verstehen, als in einer Einzeltherapie. Die Intensität und Dichte, die eine Therapeut-Kind-Beziehung im Einzelkontakt haben kann, wird wahrscheinlich nur selten in einer Gruppe hergestellt. Sie ist in dieser Form auch nicht unbedingt wünschenswert, da diese Exklusivität für ein einzelnes Kind Eifersucht und Rivalität bei den anderen Kindern hervorrufen kann. Auch wenn diese Gefühle nicht immer zu vermeiden sind und therapeutisch nutzbar gemacht werden können, sollten sie nicht bewusst hergestellt werden. Die therapeutische Beziehung hat eine andere Qualität und einen anderen Stellenwert in einer Gruppentherapie.

Den Therapeuten kommt in unserer Gruppentherapie einerseits eine verstehende und begleitende Funktion im Sinne der klientenzentrierten Haltung zu. Sie nehmen als Grundhaltung die von Grawe beschriebenen Merkmale einer guten therapeutischen Beziehung ein. Andererseits hat der Therapeut auch eine aktive, gestaltende Rolle. Er gibt die Spiele vor und sorgt für die haltende und Sicherheit gebende Struktur. Er ritualisiert den Stundenablauf, d. h. er teilt die Stunde in Abschnitte, die kontinuierlich und verlässlich wiederkehren, ohne ständig neu ausgehandelt zu werden. Darüber hinaus gibt er Regeln und Strukturelemente vor. Begrenzungen spielen in der Gruppentherapie sicherlich eine größere Rolle als in der Einzeltherapie und sind notwendiger Bestandteil der gruppentherapeutischen Arbeit.

In einer Gruppe bieten sich die Therapeuten auch immer als Übertragungspersonen an. Ein wichtiger Aspekt in der therapeutischen Beziehung ist die therapeutische Zweierkonstellation – wenn möglich gemischtgeschlechtlich. Sie ermöglicht es den Kindern, insbesondere das Thema „Familie“ zu aktualisieren.

2.1.2 Ressourcenaktivierung


Um die Ressourcen der kindlichen Psyche im therapeutischen Kontext zu aktivieren, müssen wir dem Kind als einem handelnden, kommunikativen, sozialen und selbstbestimmten Individuum begegnen. Sich selbst anzunehmen, sich wertzuschätzen, die eigene Besonderheit zu spüren, sich abgrenzen zu können, aber auch Beziehungen eingehen zu können oder Freunde zu haben auf der Basis einer stabilen Familiensituation, das sind einige Aspekte, die wir für die Entwicklung eines glücklichen Kindes für unverzichtbar halten.

Unserem Störungsbild liegt die Haltung zugrunde, dass das psychopathologische Problem des Kindes aus einer momentanen Überforderung seiner Bewältigungskapazitäten resultiert. Schutz- und Risikofaktoren stehen in einem ungünstigen Verhältnis, sodass das Kind mit seinen zur Verfügung stehenden Mitteln den nächsten Entwicklungsschritt nicht oder nicht richtig machen kann.

Kommen Kinder in die Therapie, dann sind sie in wichtigen Entwicklungsphasen und haben verschiedene Entwicklungsaufgaben noch vor sich. Daraus entsteht eine besondere Entwicklungsdynamik:

  • Kinder versuchen immer ihre Fähigkeiten zu erweitern, sie gehen über das bisher Erlernte hinaus und versuchen die „Zone der nächsten Entwicklung” zu erreichen (Schmidtchen, 2001, S. 172).
  • Kinder streben natürlicherweise danach, ihre Selbstwirksamkeit zu erweitern. Sie versuchen sich als kompetent zu erleben und probieren sich aus.

Zunächst gilt es, die Ressourcen des Kindes zu identifizieren. Dem Therapeuten muss es spielerisch gelingen, dem Kind zu zeigen, dass es mit seinen Stärken und nicht nur mit seinen Problemen gesehen wird.

Das Kind erlebt sich mit seinen Fähigkeiten als aktiv und gestaltend. Dadurch entsteht ein positives Gefühl zu sich selbst. Dies wiederum hat zur Folge, dass vom Kind die Gruppe positiv wahrgenommen und eine stabile Beziehung zu den Gruppenmitgliedern und dem Therapeuten hergestellt wird. Gerade in den ersten Gruppenstunden ist es daher wichtig die Kinder dazu zu ermutigen, dass sie ihre Stärken und Kompetenzen zeigen. Dies verhilft ihnen zu einem positiven Gruppengefühl und implementiert die Gruppenwirkfaktoren. Die Kinder werden außerdem ermutigt, ihre Ressourcen zu nutzen, um individuelle Lösungen in ihren Problembereichen zu entwickeln und aus sich heraus Lösungen für innere Konflikte zu finden. Dadurch ermöglichen wir es den Kindern, neue Erfahrungen zu machen.

2.1.3 Problemaktualisierung


Die einzelnen Therapierichtungen verstehen den Begriff „Problem“ unterschiedlich. Für uns zeigen sich Störungen bzw. Probleme gemäß der humanistischen Betonung der „Ganzheitlichkeit von Gefühl und Vernunft, von Leib und Seele“(Kriz, 1994, S. 179) auf den Ebenen der verbalen Kommunikation/Interaktion, des körperlichen Ausdrucks und des Verhaltens.

Die sichtbaren Symptome eines Kindes reflektieren für uns aber immer auch ein innerpsychisches Erleben. Die Aktualisierung des Problems bedeutet also, auch das Symptom des Kindes zu berücksichtigen und hierfür angemessene Aktualisierungsmöglichkeiten zu bieten. Das kann z. B. heißen, das Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit in Form eines Spieles anzubieten.

Wie wir wissen, erfolgt der überwiegende Teil des interpersonellen Austausches über nichtsprachliche Mittel wie Affekte und Stimmungen, die nicht bewusst sind. Das Kind trägt ein Thema in sich, kann es aber nicht sprachlich formulieren. An dieser Stelle bilden wir als Therapeuten Hypothesen über die Symptome und die innerpsychische Dynamik. Beide können im laufenden, durch die Reflexion gesteuerten therapeutischen Prozess, herausgearbeitet werden. Dies ermöglicht uns, flexibel auf die jeweiligen Themen der Kinder einzugehen. Wir können dadurch den wichtigen Aspekt des Hier und Jetzt aufgreifen und uns an den Kindern orientieren. Individuelle Anliegen können berücksichtigt werden, was bei manualisierten Trainings, wie in der Verhaltenstherapie, meistens nicht machbar ist. Das einzelne Kind wird mit genau seiner Problematik und seinen spezifischen Möglichkeiten nicht mehr gesehen. Ein Programm mit genauen Vorgaben für jede Therapiestunde lässt keine Spielräume für einen freien therapeutischen Prozess, aus dem heraus sich neue Schritte, Perspektiven, Handlungsstrategien entwickeln können.

Die wichtigsten Medien zur Problemaktualisierung bei Kindern im Alter von sechs bis zehn Jahren sind das Spiel und die Bewegung. Dennoch lassen wir die Kinder nicht vollkommen frei auswählen, sondern bieten ihnen Spiele an, die zu ihren individuellen Themen passen. Die Spiele werden dann meistens intensiv genutzt, um neue Erfahrungen zu machen und sie machen außerdem noch Spaß.

Das Spiel ist also für uns nicht nur ein Medium, um am Ende einer Stunde einen Ausklang zu finden, oder dient der Belohnung nach einer guten Mitarbeit im Therapieprogramm, sondern wird als besondere Sprache des Kindes, eine angeborene Ressource, ein Abbild seines psychischen Innenlebens verstanden. In diesem Aspekt findet sich die Ressourcenaktivierung als Wirkfaktor wieder.

Der Begriff Spiel umfasst in unserem Modell die verschiedensten Angebote. Mit Spiel sind klassische Spiele, wie Fußball oder Basketball, aber auch freie Spiele gemeint, wie z. B. Rollenspiele. Ebenso fallen Fantasiereisen unter den Begriff Spiel, wie auch Angebote mit verschiedenen Materialien.

Gerade im Rollenspiel können sich die Kinder ausdrücken und ihre inneren Themen deutlich machen. Den Körper und die Bewegung verstehen wir als Körpersprache, als ein besonderes Ausdrucksphänomen des Menschen. Die Wahl und der Umgang mit dem Material können uns Aufschluss über die innere Psychodynamik eines Kindes geben. Wir setzen daher in der Gruppentherapie immer wieder kreative Materialien, wie z. B. Fingerfarben oder Ton, ein.

2.1.4 Problembewältigung


Für die Problembewältigung nutzen wir, wie schon bei der Problemaktualisierung, das Spiel und die verschiedensten Materialien. So versuchen wir in den Spielen und Gesprächen die Kinder anzuleiten, sich selbst und ihr Verhalten zu reflektieren. Dies geschieht entweder im laufenden Prozess oder auch geplant in Form von Übungen und Spielen. Die von uns zusammengestellten Spiele (s. Spieleverzeichnis) bieten dem Therapeuten die Möglichkeit, für das jeweilige Thema des Kindes das richtige Spiel anzubieten, sodass eine Problembewältigung möglich ist....

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